03.12.2007

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taz

*  "Ökumene der Unseligen"
Von Pascal Beucker

Drei Islamkritiker halten Hof. Muslime werden nicht gehört.

Ralph GiordanoEtwas gebrechlich wirkt er. Das bleibt mitunter nicht aus bei Menschen seines Alters. Doch streitlustig ist Ralph Giordano wie eh und je. Von Altersmilde oder gar -weisheit scheint der 84-jährige Schriftsteller ganz und gar nicht angekränkelt. Unter dem Motto "Aufklären statt verschleiern!" hatten ihn der Zentralrat der Ex-Muslime und die antireligiöse Giordano Bruno Stiftung am vergangenen Samstag zu einer Diskussion über den Islam in Deutschland eingeladen. Aber das Aufklären ist die Sache Giordanos inzwischen nicht mehr.

Mit einem schier unbändigen Furor wettert er in der mit rund 400 Zuhörern gut gefüllten Aula der Kölner Universität gegen den Islam und seine Anhänger sowie gegen "diese xenophilen, einäugigen Beschwichtigungsdogmatiker, diese Multikulti-Illusionisten". Denn diese, so verkündet er mit grimmiger Miene, hätten "uns ein Kuckucksei ins Nest gelegt, und keiner weiß, was da herauskommen wird". Man könne "die Demokratie zu Tode schützen, aber man kann sie auch zu Tode liberalisieren". Es ist jene unerfreuliche Litanei, mit der Giordano bereits seit Monaten durch die Feuilletons der Republik geistert.

Mina AhadiDabei redet und schreibt Giordano offenkundig nur noch nach dem Textbausteinprinzip. Ein Beispiel: In einem Brief von Mitte November, in dem er den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer Distanzierung von dem Rapper Muhabbet auffordert, schreibt Giordano: "Muss tatsächlich erst Blut fließen, ehe sich die demokratische Republik in Selbstverteidigung zu wirksamen Schutzmaßnahmen gegen potenzielle Attentäter oder deren Befürworter durchringen wird?" Die Variation im Hörsaal der Kölner Uni: "Muss in Deutschland erst Blut fließen, dass wir gegen radikale Muslime vorgehen, wie gegen sie vorgegangen werden muss?" Gerade solche Passagen kommen im Auditorium gut an. Frenetischer Applaus brandet Giordano entgegen in der Stadt, in der hochemotional über einen Moscheebau debattiert wird.

Der Schriftsteller sitzt nicht allein auf der Bühne. Neben dem Moderator Michael Schmidt-Salomon, der auch Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung ist, und Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime hat auch noch Günter Wallraff, der Enthüllungsjournalist, Platz auf dem Podium genommen - eine "Ökumene der Unseligen", so Schmidt-Salomon: der Exjude Giordano, die Exmuslimin Ahadi und der Exkatholik Wallraff.

Der Agnostiker Wallraff ist seit langem mit dem "gottlosen Humanisten" Giordano befreundet. Aber dessen antiislamische Verbissenheit befremdet ihn dennoch sichtlich. "Wir sollten es ein bisschen gelassener angehen", plädiert Wallraff - und erntet dafür vereinzelte Buhrufe aus dem Publikum. Aber er bleibt unbeirrt.

Die übergroße Mehrheit der aus islamischen Ländern Zugewanderten sei schließlich überhaupt nicht religiös. Und Fanatiker gebe es nicht nur im Islam, wie der Kölner Kardinal Joachim Meisner zeige. "Ich rate zu einer differenzierteren Betrachtung." Auch der Atheist Schmidt-Salomon warnt davor, "die Probleme eines Einwanderungslandes nur durch die religiöse Brille zu betrachten". In einer Frage sind sich allerdings alle einig: "Religion muss Privatsache werden und bleiben", sagt Ahadi - und die anderen nicken.


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