Etwas gebrechlich wirkt er. Das
bleibt mitunter nicht aus bei Menschen seines Alters. Doch
streitlustig ist Ralph Giordano wie eh und je. Von Altersmilde oder
gar -weisheit scheint der 84-jährige Schriftsteller ganz und gar
nicht angekränkelt. Unter dem Motto "Aufklären statt verschleiern!"
hatten ihn der Zentralrat der Ex-Muslime und die antireligiöse
Giordano Bruno Stiftung am vergangenen Samstag zu einer Diskussion
über den Islam in Deutschland eingeladen. Aber das Aufklären ist die
Sache Giordanos inzwischen nicht mehr.
Mit einem schier unbändigen Furor
wettert er in der mit rund 400 Zuhörern gut gefüllten Aula der
Kölner Universität gegen den Islam und seine Anhänger sowie gegen
"diese xenophilen, einäugigen Beschwichtigungsdogmatiker, diese
Multikulti-Illusionisten". Denn diese, so verkündet er mit grimmiger
Miene, hätten "uns ein Kuckucksei ins Nest gelegt, und keiner weiß,
was da herauskommen wird". Man könne "die Demokratie zu Tode
schützen, aber man kann sie auch zu Tode liberalisieren". Es ist
jene unerfreuliche Litanei, mit der Giordano bereits seit Monaten
durch die Feuilletons der Republik geistert.
Dabei redet und schreibt Giordano
offenkundig nur noch nach dem Textbausteinprinzip. Ein Beispiel: In
einem Brief von Mitte November, in dem er den deutschen
Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer Distanzierung von dem
Rapper Muhabbet auffordert, schreibt Giordano: "Muss tatsächlich
erst Blut fließen, ehe sich die demokratische Republik in
Selbstverteidigung zu wirksamen Schutzmaßnahmen gegen potenzielle
Attentäter oder deren Befürworter durchringen wird?" Die Variation
im Hörsaal der Kölner Uni: "Muss in Deutschland erst Blut fließen,
dass wir gegen radikale Muslime vorgehen, wie gegen sie vorgegangen
werden muss?" Gerade solche Passagen kommen im Auditorium gut an.
Frenetischer Applaus brandet Giordano entgegen in der Stadt, in der
hochemotional über einen Moscheebau debattiert wird.
Der Schriftsteller sitzt nicht allein
auf der Bühne. Neben dem Moderator Michael Schmidt-Salomon, der auch
Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung ist, und Mina Ahadi
vom Zentralrat der Ex-Muslime hat auch noch Günter Wallraff, der
Enthüllungsjournalist, Platz auf dem Podium genommen - eine "Ökumene
der Unseligen", so Schmidt-Salomon: der Exjude Giordano, die
Exmuslimin Ahadi und der Exkatholik Wallraff.
Der Agnostiker Wallraff ist seit
langem mit dem "gottlosen Humanisten" Giordano befreundet. Aber
dessen antiislamische Verbissenheit befremdet ihn dennoch sichtlich.
"Wir sollten es ein bisschen gelassener angehen", plädiert Wallraff
- und erntet dafür vereinzelte Buhrufe aus dem Publikum. Aber er
bleibt unbeirrt.
Die übergroße Mehrheit der aus
islamischen Ländern Zugewanderten sei schließlich überhaupt nicht
religiös. Und Fanatiker gebe es nicht nur im Islam, wie der Kölner
Kardinal Joachim Meisner zeige. "Ich rate zu einer differenzierteren
Betrachtung." Auch der Atheist Schmidt-Salomon warnt davor, "die
Probleme eines Einwanderungslandes nur durch die religiöse Brille zu
betrachten". In einer Frage sind sich allerdings alle einig:
"Religion muss Privatsache werden und bleiben", sagt Ahadi - und die
anderen nicken.