19.12.2007

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taz

* Schon verurteilt
Von Pascal Beucker 

Zwei Libanesen sind in ihrer Heimat wegen der gescheiterten Zuganschläge zu Haftstrafen verurteilt worden. Dschihad Hamad erhielt zwölf Jahre, Youssef Mohamed El Haj Dib lebenslang - in Abwesenheit: Er steht vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.

Gerade erst hat die Verhandlung im Hochsicherheitstrakt am Kapellweg begonnen, da ist Youssef El Haj Dib auch bereits verurteilt. Dass zeitgleich mit dem Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Richter in Beirut gegen ihn eine lebenslange Haftstrafe verhängt haben, erfährt der 23-Jährige mutmaßliche Kofferbomber am Dienstagvormittag in der ersten Verhandlungspause. Er habe die Nachricht reaktionslos zur Kenntnis genommen, so sein Verteidiger Johannes Pausch.

Geht es nach den Vorstellungen der Bundesanwaltschaft, dann wird auch der Düsseldorfer Prozess mit keinem anderen Ergebnis enden. Sie hat den Libanesen wegen vielfachen versuchten Mordes in Tateinheit mit dem versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion angeklagt. Gemeinsam mit seinem im Libanon inhaftierten Freund Dschihad Hamad habe der ehemalige Kieler Student versucht, "heimtückisch und mit niederträchtigen Mitteln eine unbestimmte Zahl von Menschen zu töten", sagte Bundesanwalt Horst Salzmann bei seiner Anklageverlesung. Konkret wirft die Anklagebehörde den beiden vor, am 31. Juli 2006 einen Anschlag auf zwei Regionalzüge geplant zu haben. Der Anklage zufolge deponierte El Haj Dib seinen Trolley in der Regionalbahn 12519 Mönchengladbach-Koblenz, während Dschihad H. seinen Rollkoffer im Regionalexpress 10121 Aachen-Hamm abstellte. Die Explosion sollte zeitgleich erfolgen. Nur durch - gravierende - handwerkliche Fehler beim Bau der Bomben kam es nicht zu einem Blutbad. Ihr Motiv sei gewesen, Vergeltung üben zu wollen für die Veröffentlichung von Mohammedkarikaturen in dänischen und auch deutschen Zeitungen.

Üblicherweise sitzen im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts die Angeklagten hinter Panzerglas. Doch das bleibt El Haj Dib erspart. Die Trennscheibe habe entfernt werden müssen, weil diesmal die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien, erläutert der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling mit einem leisen Ton des Bedauerns. Denn dazu hätte der 23-jährige Libanese auch noch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt werden müssen. Eine solche Vereinigung muss allerdings aus mindestens drei Mitglieder bestehen. Doch die Bundesanwaltschaft wurde nicht fündig: Einen konkreten dritten Verdächtigen gibt es derzeit nicht. Trotzdem wies Breidling darauf hin, dass für das Gericht doch noch auch eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Betracht komme.

Der Vorsitzende des 6. Strafsenats hat mittlerweile eine gehörige Erfahrung mit Verfahren gegen Islamisten gesammelt, seit er im November 2000 Metin Kaplan wegen öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat zu vier Jahren Haft verurteilte - der Anfang vom Ende des Wirken des "Kalifen von Köln" in der Bundesrepublik. Darüber hinaus ist der zur Selbstgefälligkeit neigende Breidling dafür bekannt und berüchtigt, dass er seine Verhandlungen auch gerne zur politischen Meinungsäußerung nutzt - so bei seiner Urteilsverkündung im Al-Tawhid-Prozess im Oktober 2005, als er die aus seiner Sicht zu laxe Anwendung des deutschen Ausländerrechts anprangerte, oder auch bei seinem Schuldspruch vor zwei Wochen im Al-Qaida-Prozess, bei dem er eine Lanze für einen möglichst wenig reglementierten großen Lauschangriff brach.

Eindringlich forderte Breidling den Angeklagten auf, bald zu gestehen - "wenn es denn etwas zu gestehen gibt". Doch noch schweigt El Haj Dib zu den Tatvorwürfen. Auch am gestrigen Verhandlungstag beschränkte er sich auf Angaben zur Person. Aber das könnte sich bald ändern. Im kommenden Jahr werde sich ihr Mandant ausführlich zur Sache äußern, kündigten seine Verteidiger an. Allerdings "frühestens im Februar", so Anwalt Pausch. Mit einem Urteil ist nicht vor Sommer 2008 zu rechnen. Richter Breidling ist bekannt dafür, sich für seine Prozesse viel Zeit zu nehmen.


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