19.04.2007

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*   Angst vor "Brutalo-Konditionen"
Von Pascal Beucker
Zehntausende Arbeitnehmer blicken unsicher in die Zukunft: Ungewissheit über den geplanten Personalabbau bei Opel in Bochum, verhärtete Fronten um Auslagerungspläne bei der Telekom.

Im Streit um die geplante drastische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von rund 50.000 Telekom-Mitarbeitern bleiben die Fronten weiter verhärtet. Was der Konzernvorstand als "Kompromissvorschlag" lanciert habe, sei "de facto eine weitere Eskalation", sagte Verdi-Sprecher Jan Jurczyk gestern der taz. "Wenn sich die Telekom in den kommenden drei bis vier Wochen nicht noch deutlich bewegt, ist ein Streik unausweichlich", kündigte Jurczyk an. Die "Brutalo-Konditionen" müssten vom Tisch.

Demgegenüber verteidigte Finanz- und Personalvorstand Karl-Gerhard Eick die Pläne, rund 50.000 Mitarbeiter zu erheblich schlechteren Konditionen in rechtlich selbstständige T-Service-Unternehmen auszulagern. Neben Lohnkürzungen von 12 Prozent sollen die Beschäftigten künftig mindestens 38 statt 34 Stunden arbeiten. Weitere 100 Stunden im Jahr sollen sie dem Konzern als "Budget für Arbeitsspitzen" spendieren. Das Ein- und Ausloggen der Computer etwa bei den Callcenter-Beschäftigten soll zudem zu ihrer Freizeit erklärt werden. Insgesamt summiert sich so, laut Verdi, die Arbeitszeitverlängerung auf sechseinhalb Stunden pro Woche - ohne Lohnausgleich.

Das Bonner Unternehmen könne nicht 60 Euro für eine Arbeitsstunde bezahlen, die extern für 30 Euro angeboten werde, rechtfertigte Eick gegenüber der ARD die geplanten Einschnitte. Zugleich betonte er, gegen Streiks würde die Telekom juristisch vorgehen.

Es sei "sehr destruktiv, was Eick da macht", kommentierte dies Verdi-Mann Jurczyk. Nach den letzten erfolglosen Gesprächen mit der Telekom-Führung hat die Große Tarifkommission der Gewerkschaft beschlossen, dass nun die Urabstimmung für Streiks vorbereitet werden soll. Um den Schutzbedürfnissen der Beschäftigten Rechnung zu tragen, forderte sie "ultimativ" die Arbeitgeberseite zu gesonderten Verhandlungen über einen "Tarifvertrag Auslagerungsschutz" auf.

Komplizierte Verhandlungen stehen jetzt auch bei Opel in Bochum an. Denn der Verzicht auf eine Werksschließung soll nach Ansicht des Mutterkonzerns General Motors (GM) für die noch 4.900 Arbeitnehmer einen nicht gerade niedrigen Preis haben. Nach der Produktionszusage für den Bau der neuen Generation des Opel-Astra ab 2010 erwartet GM nun neue Zugeständnisse. So fordert das Management flexiblere Arbeitszeiten, den Wegfall von Zuschlägen und geringere Lohnzuwächse. Insgesamt will GM in Europa seine jährlichen Fixkosten um 450 Millionen Euro senken.

Darüber hinaus sollen auch weiter Arbeitsplätze abgebaut werden. In welchem Umfang abgebaut werde, stünde jedoch noch nicht fest, betonte gestern ein Sprecher von General Motors: "Eine Anzahl von Stellenstreichungen ist bisher nicht vereinbart." Wegen verbesserter Produktivität und einer globalen Modellplattform braucht Opel für den Bau des neuen Astra weniger Kapazitäten als bisher. So dürften nach Angaben des Bochumer Betriebsratschefs Rainer Einenkel für die Produktion eines Autos ab 2010 nur noch 15 statt 24 Stunden benötigt werden. Das könnte den Verlust von 1.700 Arbeitsplätzen bedeuten, befürchtet Einenkel. "Diese Zahl ist uns vollkommen unbekannt", erklärte dazu gestern der Konzernsprecher. GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster hatte am Dienstag erklärt, es werde "einige Jobs kosten, wie viele, können wir nicht sagen". Wie es heißt, soll der Personalabbau weitgehend über Vorruhestandsregelungen und Auslagerungen erreicht werden.

Seit 2005 hat der weltgrößte Autobauer in Europa 12.000 Jobs gestrichen, davon 3.600 in Bochum. Derzeit beschäftigt GM europaweit noch 62.500 Mitarbeiter, rund 3.000 Stellen sollen auf der Kippe stehen. Im vergangenen Jahr hatte der Autokonzern erstmals seit sieben Jahren wieder den Sprung in die schwarzen Zahlen geschafft.


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