August 2008

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StadtRevue

*   Peinliche Provinzposse
Von Pascal Beucker 

Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) lehnt den zuvor von ihm hochgelobten Sieger-Entwurf für das geplante Haus und Museum der Jüdischen Kultur ab. Ein Kommentar.

Über Fritz Schramma urteilte einmal der inzwischen verstorbene Soziologieprofessor Erwin K. Scheuch, er sei »ein braver Mann«. Damit ist eigentlich alles Notwendige über den christdemokratischen Dorfschulzen an der Spitze von Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt gesagt. Schrammas hervorstechendste Qualität ist es, stets eine hervorragende Figur auf Schützenfesten und Karnevalssitzungen zu machen. Dumm nur, dass sich der Oberbürgermeister auch noch mit anderen Dingen beschäftigt. Zum Beispiel mit dem geplanten Haus und Museum der Jüdischen Kultur auf jener dem Zweiten Weltkrieg geschuldeten Freifläche, für den sich der Name Rathausplatz eingebürgert hat. Mal wieder droht der Domstadt eine peinliche Provinzposse.

Noch Mitte Juni war Schramma Feuer und Flamme für das Projekt am historisch authentischen Standort des jüdischen Viertels. Den mit großer Stimmenmehrheit gekürten Siegerentwurf der Saarbrücker Architekten Wandel Hoefer Lorch + Hirsch lobte er in höchsten Tönen als eine »sehr gelungene Lösung«. Nur zehn Tage später die Kehrtwende: Im Kölner Stadt-Anzeiger meldete der OB plötzlich grundlegende Bedenken an. Sein Wunsch sei, »dass das Ganze von den Dimensionen her erheblich zurückgeholt würde«. Außerdem sei »im Vorfeld niemals die Frage gestellt worden, wie denn überhaupt die grundsätzliche Akzeptanz einer solchen Bebauung des Rathausvorplatzes ist«. Das hätte ihm auch früher einfallen können. Nun steht das gesamte Projekt auf der Kippe.

Was hat nur Schrammas Sinneswandel veranlasst? Die Welt kolportiert das Gerücht, nicht unerheblich könnte ein Schreiben Alfred Neven DuMonts zum Umdenken beigetragen haben. Der Verfasser soll das Bauvorhaben »sehr kritisch« gesehen und um »umgehende Korrektur« gebeten haben. Immerhin würde dann Schrammas Verhalten wenigstens einen gewissen Sinn ergeben: Wer im kommenden Jahr wiedergewählt werden will, stellt sich besser gut mit Kölns greisem Medienzar. Als gesichert gilt, dass DuMont nicht gerade begeistert von der Aussicht ist, der Blick auf das Wallraf-Richartz-Museum des Kölner Architekten Oswald Mathias Ungers könne künftig beeinträchtigt sein. DuMont ist Vorsitzender des Stifterrates des Wallraf-Richartz-Museums.Seine Hofzeitung trommelt jedenfalls lautstark gegen das Projekt – mit bisweilen kuriosen Argumenten. Denn zu behaupten, der Rathausplatz sei »einer der wenigen gelungenen Plätze Kölns« und dürfe deswegen nicht »zerstört« werden, wie dies KStA-Chefredakteur Franz Sommerfeld in seinem Kampfkommentar Ende Juni gegen die Bebauung formulierte, ist mehr als gewagt. Auch wenn die innerstädtische Brache nicht ganz so hässlich wie der Neu­markt oder der Wiener Platz in Mülheim daherkommt: Es bleibt ein abschüssiges Provisorium, zugig und ungemütlich. Kein Ort, der zum Verweilen einlädt.

Sicherlich kann eine Stadt, die immer noch solche Scheußlichkeiten wie die Nord-Süd-Fahrt stoisch erträgt, auch damit leben. Auch ist es durchaus legitim, das benachbarte Areal des einstigen Kaufhauses Kutz als den geeigneteren Ort für das Jüdische Museum anzusehen. Es gibt einige gute Argumente dafür. Aber es ist unseriös und irreführend, so zu tun, als stünde der Rathausplatz nicht ohnehin vor einer einschneidenden Veränderung. Denn schließlich muss über die Ausgrabungen für die Archäologische Zone als Teil der mit Landesmitteln geförderten Regionale 2010 so oder so ein Schutzbau errichtet werden. Schon jetzt ziert den Platz deswegen ein wenig schmückendes weißes Zelt.

Bei allen noch notwendigen Korrekturen und Überarbeitungen: Der im Wettbewerb gekürte Entwurf bietet demgegenüber die architektonisch interessante Idee, die Archäologische Zone mit dem Jüdischen Museum geradezu kongenial zu verbinden. Das wäre zwar keine kölsche, aber dafür eine kluge Lösung – was die Realisierung leider unwahrscheinlich macht.


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