20.03.2008

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Jungle World

*   Das große Palaver
Von Pascal Beucker

Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) hat zum dritten Mal getagt und erste Binsenweisheiten vorgelegt.

Rund eineinhalb Jahre nach der Konstituierung der »Deutschen Islamkonferenz« zog Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein erstes, ernüchterndes Fazit: »Gerade weil sich der Dialog so langwierig und mühevoll gestaltet, wird dieser Prozess lange über das Jahr 2009 hinaus Zeit benötigen.«

Immerhin legten die Konferenzteilnehmer zu ihrer dritten Plenarsitzung vorige Woche ein 30­seitiges »Zwischen-Resümee der Arbeitsgruppen und des Gesprächskreises« vor. Doch das Dokument liest sich über weite Strecken wie ein von Diplomaten fein ziseliertes Kommuniqué und strotzt nur so vor Leerformeln, Phrasen und Selbstverständlichkeiten. Selbiges gilt auch für das daraus destillierte zehn Punkte umfassende Thesenpapier, das Schäuble der Öffentlichkeit präsentierte.

Es sei »streckenweise sehr strittig« zugegangen und »intensiv um Worte und Positionen gerungen« worden, musste Schäuble einräumen. Etwa darum, »bis zu welchem Grade religiöse Gebote gegen Regelungen in unserem freiheitlichen Rechtsstaat ins Feld geführt werden dürfen«. Oder auch darum, »ob sich die Muslime in Deutschland zur Rechts- und Werteordnung unseres Landes bekennen sollen, wollen, können oder gar müssen«. Dass also offensichtlich sogar um das Selbstverständlichste gerungen werden muss, zeigt ein Problem der »Deutschen Islamkonferenz«.

So einigten sich die Teilnehmer auf banale Sätze wie diesen: »Integration als Prozess verändert grundsätzlich beide Seiten, die Mehrheitsgesellschaft wie auch die Zuwanderer.« Auch von in Deutschland lebenden Muslimen verlange die Integration »die aktive Bereitschaft zu Erwerb und Gebrauch der deutschen Sprache und darüber hinaus die vollständige Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes«. Die religiöse Freiheit des Einzelnen finde »dort ihre Grenzen, wo sie im Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht«. Gleichwohl könnten religiöse Gebote oder Werte »einen wichtigen Beitrag zu einem sinnerfüllten Leben des Einzelnen und zu einem konstruktiven Miteinander in der Gesellschaft leisten«. Oder auch nicht – dieser Hinweis fehlt allerdings leider.

Über den an zahlreichen Orten heftig umkämpften Bau von Moscheen heißt es, er sei »ein wichtiger Schritt zur Integration des Islam in Deutschland«. Mit dem Neubau von Moscheen dokumentierten die muslimischen Gemeinden ihren Willen, »dauerhaft ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein«.

Für die meisten Schlagzeilen sorgte indes der Abschnitt zum Religionsunterricht: »Es besteht Übereinstimmung, dass islamischer Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen eingeführt werden soll.« Dabei hatten Bund und Länder bereits im Dezember 2001 eine entsprechende Absichtserklärung abgegeben. Die muslimischen Verbände fordern einen solchen Unterricht ohnehin schon lange. Überraschend war nur, dass Konferenzteilnehmerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates, die sonst immer aus der säkularen Perspektive den Islam kritisieren, keinen grundsätzlichen Einspruch erhoben haben. Denn es geht – wie auch beim christlichen und jüdischen Religionsunterricht – um einen »Bekenntnisunterricht«: Die Kinder sollen nicht nur lernen, welche Werte und Prinzipien »ihre« Religion vertritt, sondern zum Glauben erzogen werden. Wer glaubwürdig für die zivilisatorische Errungenschaft der Trennung von Kirche und Staat eintreten will, kann solch religiöser Indoktrination nicht zustimmen. Im Rahmen der Innenministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz soll darüber demnächst erstmals diskutiert werden.

Heftige Querelen hatte es hinter den Kulissen über die Formulierung gegeben, dass in Deutschland »eine große Gefahr« vom Islamismus ausgehe. Eine solche Aussage behagte den Vertretern der seit einem Jahr im »Koordinierungsrat der Muslime« (KRM) zusammengeschlossenen konservativ-muslimischen Dachverbände ganz und gar nicht. Das sei nur das Lagebild der Sicherheitsbehörden, das sie ohne Einsicht in deren Akten nicht teilen könnten, argumentierten sie. Nach langem Hin und Her heißt es nun, man sei »auf der Grundlage der Einschätzung der Sicherheitsbehörden und eigener Wahrnehmung der Auffassung, dass in Deutschland eine ernst zu nehmende Gefahr eines Terroranschlages besteht, der unter Berufung auf den Islam legitimiert wird«.

Außerdem einigte sich der DIK-Gesprächskreis »Sicherheit und Islamismus« erstaunlicherweise auf einige kritische Bemerkungen über »islamistische Einflüsse auf islamische Bildungsarbeit und diesbezügliche Radikalisierungsfaktoren«. Tatsächlich existierten im Rahmen muslimischer Bildungsarbeit auch Bildungsangebote, die ein islamistisches Weltbild vermittelten, konstatierten die versammelten Islam-Kenner. Dies äußere sich etwa in der Darstellung eines exklusiven Wahrheitsanspruchs des Islam bei gleichzeitiger Abwertung anderer Religionen und Kulturen, in der Propagierung des Islam als einzig gültiger politischer und gesellschaftlicher Ordnung, in der Vermittlung von antiwestlichen, antichristlichen oder antisemitischen Feindbildern oder »einer Vorbildfunktion des Mujahid im extremistischen oder terroristischen Sinne«. Auch wenn zwischen islamischer Bildungsarbeit und terroristischen Anschlägen »kein monokausaler Zusammenhang« bestehe, so könne die Vermittlung islamistischer Bildungsinhalte doch »radikalisierend wirken und auch dann, wenn nicht die Unterstützung politisch-religiös motivierter Gewalt propagiert wird, desintegrativ wirken und die Entstehung islamistischer Parallelgesellschaften und eine Radikalisierung in den politischen Extremismus befördern«.

Dass sich die im KRM organisierten Verbände auf solcherlei Feststellungen eingelassen haben, ist deswegen erwähnenswert, weil zumindest zwei von ihnen selbst unter Islamismusverdacht stehen: der von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs gesteuerte Islamrat und der Zentralrat der Muslime, in dem die Islamische Gemeinschaft in Deutschland die entscheidende Rolle spielt. Sowohl Milli Görüs als auch die Islamische Gemeinschaft in Deutschland stehen seit langem unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Außerdem beim KRM dabei sind der nicht unumstrittene Verband der Islamischen Kulturzentren, der für eine extrem antisäkulare, integrationsfeindliche Kinder- und Jugenderziehung steht, sowie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Die größte muslimische Organisation in der Bundesrepublik wird von der staatlichen Religionsbehörde der Türkei gesteuert.

Wie viele dem muslimischen Glauben zugeordnete Menschen von diesen Verbänden tatsächlich vertreten werden, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die Schätzungen divergieren zwischen zehn und 20 Prozent. Darüber hinaus gehören der Islamkonferenz auf muslimischer Seite noch die liberale Alevitische Gemeinde sowie zehn nicht organisierte, überwiegend moderat religiöse bis säkulare Einzelpersonen mit muslimischem Hintergrund an. Repräsentativ ist das alles nicht. Dazu kommen für die Mehrheitsgesellschaft 15 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen.

Mit Blick auf den KRM bezeichnete die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün die Islamkonferenz als »kontraproduktiv«. Sie habe der Integration »eher geschadet als genutzt«. Denn mit der DIK würden Vereine salonfähig gemacht, »die jeder Integration entgegenstehen«. Schäuble wäre ehrlicher, wenn er seine Veranstaltung »Konferenz zur Bändigung orthodoxer religiöser Gruppierungen« nennen würde, spöttelte Akgün. Die DIK sei von vornherein kein Gebilde gewesen, »das dieser Gesellschaft irgendeinen Fortschritt bringen wird«. Schon die Intention sei falsch gewesen, da Integration nicht von der Religion der Menschen abhänge. Sie sei vielmehr »eine soziale Aufgabe, die für alle Zugewanderten gleichermaßen gelten muss«. Die übergroße Mehrheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime sei säkular und unterscheide sich darin nicht von der formal christlichen Mehrheitsgesellschaft.


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