Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) hat zum
dritten Mal getagt und erste Binsenweisheiten vorgelegt.
Rund eineinhalb Jahre nach der
Konstituierung der »Deutschen Islamkonferenz« zog
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein erstes,
ernüchterndes Fazit: »Gerade weil sich der Dialog so langwierig und
mühevoll gestaltet, wird dieser Prozess lange über das Jahr 2009
hinaus Zeit benötigen.«
Immerhin legten die
Konferenzteilnehmer zu ihrer dritten Plenarsitzung vorige Woche ein
30seitiges »Zwischen-Resümee der Arbeitsgruppen und des
Gesprächskreises« vor. Doch das Dokument liest sich über weite
Strecken wie ein von Diplomaten fein ziseliertes Kommuniqué und
strotzt nur so vor Leerformeln, Phrasen und
Selbstverständlichkeiten. Selbiges gilt auch für das daraus
destillierte zehn Punkte umfassende Thesenpapier, das Schäuble der
Öffentlichkeit präsentierte.
Es sei »streckenweise sehr strittig«
zugegangen und »intensiv um Worte und Positionen gerungen« worden,
musste Schäuble einräumen. Etwa darum, »bis zu welchem Grade
religiöse Gebote gegen Regelungen in unserem freiheitlichen
Rechtsstaat ins Feld geführt werden dürfen«. Oder auch darum, »ob
sich die Muslime in Deutschland zur Rechts- und Werteordnung unseres
Landes bekennen sollen, wollen, können oder gar müssen«. Dass also
offensichtlich sogar um das Selbstverständlichste gerungen werden
muss, zeigt ein Problem der »Deutschen Islamkonferenz«.
So einigten sich die Teilnehmer auf
banale Sätze wie diesen: »Integration als Prozess verändert
grundsätzlich beide Seiten, die Mehrheitsgesellschaft wie auch die
Zuwanderer.« Auch von in Deutschland lebenden Muslimen verlange die
Integration »die aktive Bereitschaft zu Erwerb und Gebrauch der
deutschen Sprache und darüber hinaus die vollständige Beachtung der
deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes«. Die
religiöse Freiheit des Einzelnen finde »dort ihre Grenzen, wo sie im
Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht«.
Gleichwohl könnten religiöse Gebote oder Werte »einen wichtigen
Beitrag zu einem sinnerfüllten Leben des Einzelnen und zu einem
konstruktiven Miteinander in der Gesellschaft leisten«. Oder auch
nicht – dieser Hinweis fehlt allerdings leider.
Über den an zahlreichen Orten heftig
umkämpften Bau von Moscheen heißt es, er sei »ein wichtiger Schritt
zur Integration des Islam in Deutschland«. Mit dem Neubau von
Moscheen dokumentierten die muslimischen Gemeinden ihren Willen,
»dauerhaft ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein«.
Für die meisten Schlagzeilen sorgte
indes der Abschnitt zum Religionsunterricht: »Es besteht
Übereinstimmung, dass islamischer Religionsunterricht als
ordentliches Unterrichtsfach in deutscher Sprache an öffentlichen
Schulen eingeführt werden soll.« Dabei hatten Bund und Länder
bereits im Dezember 2001 eine entsprechende Absichtserklärung
abgegeben. Die muslimischen Verbände fordern einen solchen
Unterricht ohnehin schon lange. Überraschend war nur, dass
Konferenzteilnehmerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates, die sonst
immer aus der säkularen Perspektive den Islam kritisieren, keinen
grundsätzlichen Einspruch erhoben haben. Denn es geht – wie auch
beim christlichen und jüdischen Religionsunterricht – um einen
»Bekenntnisunterricht«: Die Kinder sollen nicht nur lernen, welche
Werte und Prinzipien »ihre« Religion vertritt, sondern zum Glauben
erzogen werden. Wer glaubwürdig für die zivilisatorische
Errungenschaft der Trennung von Kirche und Staat eintreten will,
kann solch religiöser Indoktrination nicht zustimmen. Im Rahmen der
Innenministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz soll darüber
demnächst erstmals diskutiert werden.
Heftige Querelen hatte es hinter den
Kulissen über die Formulierung gegeben, dass in Deutschland »eine
große Gefahr« vom Islamismus ausgehe. Eine solche Aussage behagte
den Vertretern der seit einem Jahr im »Koordinierungsrat der
Muslime« (KRM) zusammengeschlossenen konservativ-muslimischen
Dachverbände ganz und gar nicht. Das sei nur das Lagebild der
Sicherheitsbehörden, das sie ohne Einsicht in deren Akten nicht
teilen könnten, argumentierten sie. Nach langem Hin und Her heißt es
nun, man sei »auf der Grundlage der Einschätzung der
Sicherheitsbehörden und eigener Wahrnehmung der Auffassung, dass in
Deutschland eine ernst zu nehmende Gefahr eines Terroranschlages
besteht, der unter Berufung auf den Islam legitimiert wird«.
Außerdem einigte sich der
DIK-Gesprächskreis »Sicherheit und Islamismus« erstaunlicherweise
auf einige kritische Bemerkungen über »islamistische Einflüsse auf
islamische Bildungsarbeit und diesbezügliche
Radikalisierungsfaktoren«. Tatsächlich existierten im Rahmen
muslimischer Bildungsarbeit auch Bildungsangebote, die ein
islamistisches Weltbild vermittelten, konstatierten die versammelten
Islam-Kenner. Dies äußere sich etwa in der Darstellung eines
exklusiven Wahrheitsanspruchs des Islam bei gleichzeitiger Abwertung
anderer Religionen und Kulturen, in der Propagierung des Islam als
einzig gültiger politischer und gesellschaftlicher Ordnung, in der
Vermittlung von antiwestlichen, antichristlichen oder
antisemitischen Feindbildern oder »einer Vorbildfunktion des Mujahid
im extremistischen oder terroristischen Sinne«. Auch wenn zwischen
islamischer Bildungsarbeit und terroristischen Anschlägen »kein
monokausaler Zusammenhang« bestehe, so könne die Vermittlung
islamistischer Bildungsinhalte doch »radikalisierend wirken und auch
dann, wenn nicht die Unterstützung politisch-religiös motivierter
Gewalt propagiert wird, desintegrativ wirken und die Entstehung
islamistischer Parallelgesellschaften und eine Radikalisierung in
den politischen Extremismus befördern«.
Dass sich die im KRM organisierten
Verbände auf solcherlei Feststellungen eingelassen haben, ist
deswegen erwähnenswert, weil zumindest zwei von ihnen selbst unter
Islamismusverdacht stehen: der von der Islamischen Gemeinschaft
Milli Görüs gesteuerte Islamrat und der Zentralrat der Muslime, in
dem die Islamische Gemeinschaft in Deutschland die entscheidende
Rolle spielt. Sowohl Milli Görüs als auch die Islamische
Gemeinschaft in Deutschland stehen seit langem unter Beobachtung des
Verfassungsschutzes. Außerdem beim KRM dabei sind der nicht
unumstrittene Verband der Islamischen Kulturzentren, der für eine
extrem antisäkulare, integrationsfeindliche Kinder- und
Jugenderziehung steht, sowie die Türkisch-Islamische Union der
Anstalt für Religion. Die größte muslimische Organisation in der
Bundesrepublik wird von der staatlichen Religionsbehörde der Türkei
gesteuert.
Wie viele dem muslimischen Glauben
zugeordnete Menschen von diesen Verbänden tatsächlich vertreten
werden, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die Schätzungen
divergieren zwischen zehn und 20 Prozent. Darüber hinaus gehören der
Islamkonferenz auf muslimischer Seite noch die liberale Alevitische
Gemeinde sowie zehn nicht organisierte, überwiegend moderat
religiöse bis säkulare Einzelpersonen mit muslimischem Hintergrund
an. Repräsentativ ist das alles nicht. Dazu kommen für die
Mehrheitsgesellschaft 15 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen.
Mit Blick auf den KRM bezeichnete die
Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün die Islamkonferenz als
»kontraproduktiv«. Sie habe der Integration »eher geschadet als
genutzt«. Denn mit der DIK würden Vereine salonfähig gemacht, »die
jeder Integration entgegenstehen«. Schäuble wäre ehrlicher, wenn er
seine Veranstaltung »Konferenz zur Bändigung orthodoxer religiöser
Gruppierungen« nennen würde, spöttelte Akgün. Die DIK sei von
vornherein kein Gebilde gewesen, »das dieser Gesellschaft
irgendeinen Fortschritt bringen wird«. Schon die Intention sei
falsch gewesen, da Integration nicht von der Religion der Menschen
abhänge. Sie sei vielmehr »eine soziale Aufgabe, die für alle
Zugewanderten gleichermaßen gelten muss«. Die übergroße Mehrheit der
in der Bundesrepublik lebenden Muslime sei säkular und unterscheide
sich darin nicht von der formal christlichen Mehrheitsgesellschaft.
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