24.01.2008

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taz

* PIN Group zahlt nun doch Mindestlohn
Von Pascal Beucker 

Fortbestand des Post-Konkurrenten ist nicht gesichert: Weitere Tochterfirmen melden noch diese Woche Insolvenz an.

Die Anti-Mindestlohn-Front der privaten Postkonkurrenz steht vor ihrem Zusammenbruch. Ab sofort will die PIN Group AG ihren Beschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn zwischen 8 Euro und 9,80 Euro pro Stunde zahlen. Das teilte Horst Piepenburg, seit vier Wochen Vorstandsvorsitzender des angeschlagenen Briefzustellers, am Mittwoch mit: "Wir haben den Geschäftsführern unserer Tochtergesellschaften die Abrechnung des gesetzlichen Mindestlohns an unsere Mitarbeiter empfohlen", sagte er.

Die seit Jahresanfang geltende Lohnuntergrenze war zwischen einem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband und Ver.di ausgehandelt und per Gesetz für verbindlich erklärt worden. Dass sich ihr PIN nunmehr beugt, kommt einem Ausscheren aus dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste gleich. Diese von PIN und der niederländischen TNT Post dominierte Vereinigung hatte im Dezember mit der neu gegründeten und höchst umstrittenen "Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste" einen rechtlich fragwürdigen eigenen Tarifvertrag mit 7,50 Euro pro Stunde vereinbart - sozusagen in Konkurrenz zur Deutschen Post. "Wir wollen kein Lohndumping", sagte Piepenburg jetzt. Bislang hatten PIN-Mitarbeiter in Einzelfällen sogar weniger als 6,50 Euro pro Stunde verdient. Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Andrea Kocsis erklärte, bei PIN habe nun "Seriosität Einzug gehalten". Andere Unternehmen arbeiteten aber weiter "in der Illegalität" und seien "Gesetzesbrecher".

Die Zahlung des Mindestlohns sei schon alleine deshalb notwendig, um öffentliche Auftraggeber wie Stadtverwaltungen oder Ministerien nicht als Kunden zu verlieren, sagte Piepenburg. Außerdem schaffe der Schritt Rechtssicherheit für Kaufinteressenten. Hinzu komme, dass zumindest in diesem Jahr ein Großteil der Mehrbelastung durch den Mindestlohn dadurch aufgefangen werde, dass die insolventen Tochterunternehmen drei Monate lang von der Lohnzahlung befreit seien. In dieser Zeit erhalten die Beschäftigten Insolvenzgeld von der Bundesanstalt für Arbeit.

Nach wie vor sei der Fortbestand der PIN Group aber nicht gesichert, so der PIN-Chef. Noch in dieser Woche müssten weitere 19 Tochterunternehmen Insolvenz anmelden. Damit seien inzwischen insgesamt 37 von 91 PIN-Gesellschaften und mehr als 7.000 Mitarbeiter von Insolvenz betroffen. Das sind rund zwei Drittel der Gesamtbelegschaft. Kurz vor Weihnachten hatte der Springer-Konzern als Mehrheitsgesellschafter den Geldhahn zugedreht. Der erst danach ins Amt berufene Piepenburg hofft, PIN trotzdem noch retten zu können. Das Interesse potenzieller Investoren an einem Einstieg bei PIN sei jedenfalls ungewöhnlich groß. Dennoch sei nach wie vor offen, ob es gelinge, die PIN Group insgesamt zu erhalten. "Wir sind ein Unternehmen in der Krise", betonte der 53-jährige Jurist, der als einer der renommiertesten Sanierer in Deutschland gilt. "Die Gesamtlösung hat klare Priorität." Falls dies scheitere, werde er sich als Plan B um regionale Lösungen bemühen.


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