26.02.2008

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taz

* Das Fernsehen aus der Plastiktüte
Von Pascal Beucker 

Niedersachsens CDU will Ballungsraumfernsehen wie in Nordrhein-Westfalen erlauben, um den "roten" NDR zu ärgern. Das Prinzip: billig, billig, billig. Da kommt auch mal ein entlaufener Köter in die Hauptnachrichten. Die Zeitungsverleger sind dabei.

Wenn Michael Schwan seine "Nachrichten aus Köln und der Region" präsentiert, dann gehören Worte wie "wunderschön", "wunderbar" und "toll" zum Standardrepertoire des "Heimatreporters". Aber bisweilen kümmert sich der kölsche Center TV Anchorman auch um praktische Nöte seiner Zielgruppe. "Der Hund ist weg!", alarmierte Schwan kürzlich sein Publikum. Pepe, der schwarz-braun-weiße Mischlingsrüde der Familie Hörstensmeyer sei ausgebüxt. "Wenn Sie Pepe irgendwo gesehen haben, melden Sie sich einfach." Kein Scherz.

Noch müssen die Niedersachsen auf solche Fernsehunterhaltung verzichten. Doch wenn es nach den Vorstellungen von Center TV-Gründer Andre Zalbertus geht, könnte sich das bald ändern. Seit Oktober 2005 ist sein "Heimatfernsehen" in Köln auf Sendung. "Was in Köln funktioniert, kann überall klappen", ist der Senderchef überzeugt. Er träumt davon, sein Low-Budget-Produkt in immer mehr Ballungsräume zu exportieren. Seine Center TV-Gruppe will Zalbertus zu einer riesengroßen "Heimatcommunity" ausbauen. Ein Düsseldorfer Ableger startete 2006, im vergangenen Jahr ging Center TV in Bremen und Bremerhaven auf Sendung. Auch Hannover hat er im Blick. "Da muss allerdings noch das Landesmediengesetz entsprechend angepasst werden."

Der Ansatz von Center TV ist simpel: "Hautnah draußen bei den Menschen" will man sein, Emotionen wecken, die Herzen der Zuschauer erreichen. Kritische journalistische Distanz beinhaltet das Programmkonzept nicht. Für die auch in Köln durchaus vorhandenen Schattenseiten bleibt kein Platz. Der Sender soll ein positives Gefühl vermitteln. In der Stadt gibt es mehr als 100 Karnevalsvereine. "Wir zeigen alle", sagt Zalbertus stolz. Dann fehlt zwangsläufig Zeit für Themen mit weiter gehendem journalistischen Anspruch. Zumal die kostspielig sein könnten.

Dass Center TV genau das nicht sein will, ist ein, wenn nicht das entscheidende Erfolgsrezept des Medienunternehmers Zalbertus. Herkömmliche private Regionalsender kalkulieren mit einem Jahresetat von 20 bis 30 Millionen Euro. "Wir kommen mit einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag aus", verrät der frühere RTL-Korrespondent in Moskau. Noch ist nicht entschieden, ob sich damit Geld verdienen lässt. Aber auf jeden Fall minimiert es die Verluste - und hat damit Begehrlichkeiten geweckt.

Derzeit entdecken ausgerechnet die nordrhein-westfälischen Zeitungsverleger ihr bereits verloren geglaubtes Faible für die bewegten Bilder wieder und drängen mit Macht in das regionale und lokale Privatfernsehgeschäft. Dabei waren einige von ihnen schon einmal an einem Riesen-Flop beteiligt: TV NRW. Viel Geld versenkten sie in dem in Dortmund produzierenden Pleiten-, Pech- und Pannensender, der 2001 seinen Sendebetrieb aufgenommen und 2005 wieder eingestellt hatte. Doch nun scheint die Goldgräberstimmung zurückgekehrt zu sein.

DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger) und der Verlag H. Neusser (Bonner General-Anzeiger) haben sich gerade erst als Gesellschafter bei Center TV Köln eingekauft. Ebenfalls mit dabei: die Hanseatische Germany 1 Media AG, die auch bereits bei Center TV Düsseldorf mitmischt.

Das Medienunternehmen des einstigen Gründungsgeschäftsführers der Hamburger Grün-Alternativen Liste, Ingo Borsum, verfügt mit Beteiligungen an den Metropolensendern Hamburg 1 und TV Berlin bereits über Erfahrungen im Ballungsraumfernsehen. Laut Betreiberangaben soll Hamburg 1 inzwischen die Gewinnzone erreicht haben. Präzise Zahlen gibt es nicht. Man lässt sich nicht gerne in die Karten schauen.

Bis zur Erschließung des niedersächsischen Regionalfernsehmarktes könnte es noch einige Zeit dauern. Obwohl Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gerne den Weg dafür frei machen und die gesetzlichen Hürden beiseite schieben würde. Schließlich könnte er mit dem lokalen Privat-TV dem "Rotfunk" NDR eins auswischen - und gleichzeitig der am Ballungsraumfernsehgeschäft interessierten Verlagsgesellschaft Madsack (Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse) eine Belohnung für genehme Berichterstattung im Wahlkampf zukommen lassen: Madsack hält 63 Prozent an Zalbertus' AZ Media.

Das weckt Argwohn bei den 15 werbefreien Bürgersendern im Land, aber auch bei den anderen Zeitungsverlagen. Deshalb sträuben sich bislang ausgerechnet die Marktfetischisten von der FDP. Jedenfalls haben sich CDU und Liberale in ihren Koalitionsverhandlungen in dieser Frage vorerst nur auf einen Formelkompromiss einigen können. Schwammig heißt es in ihrem am Montag unterzeichneten Vertrag: "Die Landesregierung ist entschlossen, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die niedersächsischen Medienunternehmen weiter zu verbessern." Unverbindlich wollen die Koalitionspartner "prüfen, ob lokaler kommerzieller Rundfunk die einheimische Medienlandschaft zusätzlich beleben könnte".


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