Das Urteil zur Onlinedurchsuchung hat ein
Nachspiel: Der Architekt des Gesetzes, NRW-Innenminister Wolf, wird
zum Rücktritt aufgefordert. Doch der FDPler gibt sich trotzig.
Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen hat jetzt auch
ein Nachspiel im nordrhein-westfälischen Landtag. Am Donnerstag
berät das Düsseldorfer Parlament über einen Antrag der Grünen, mit
dem Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) zum Rücktritt aufgefordert
werden soll.
Wolf müsse die politische
Verantwortung für das Desaster übernehmen, dass die schwarz-gelbe
Landesregierung in Karlsruhe erlitten habe, fordern die Grünen. "Er
ist als Innenminister nicht mehr tragbar", sagte die grüne
Landtagsfraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann zur taz. Sie wirft dem
bundesweit einzigen freidemokratischen Innenminister "eine
erschreckende Ignoranz gegenüber elementaren Grund- und
Freiheitsrechten" vor.
Ende Februar hatte das
Bundesverfassungsgericht die Regelung im
NRW-Verfassungsschutzgesetz, die die geheimdienstliche Ausspähung
von Privatcomputern ermöglichen sollte, für verfassungswidrig und
damit nichtig erklärt. Die Karlsruher Richter stellten Wolf ein
vernichtendes Zeugnis aus: Das von ihm ausgearbeitete Gesetz sei
handwerklich schlecht gemacht, nicht bestimmt genug, nicht
verhältnismäßig. Schranken für Eingriffe in den absolut geschützten
Kernbereich privater Lebensgestaltung fehlten ebenso gänzlich wie
der Vorbehalt einer richterlichen Anordnung, der bei einem
schwerwiegenden Eingriff in Bürgerrechte notwendig ist.
Dass er Mist gebaut haben könnte,
kann Wolf jedoch bis heute nicht erkennen. Mit ihrem Urteil hätten
die Richter "verfassungsrechtliches Neuland" betreten, das sei nicht
vorhersehbar gewesen, verkündete er trotzig. "Ein Grundrecht, das es
bisher nicht gab, konnte natürlich auch der NRW-Gesetzgeber nicht
kennen", meinte der einstige Jura-Repetitor von FDP-Chef Guido
Westerwelle. Die Grüne Löhrmann hält dies für hanebüchen: "Mit
seinen dreisten Ausflüchten demonstriert der Teflontechnokrat Wolf
ein gefährliches Verfassungsverständnis."
Tatsächlich war die Karlsruher
Klatsche absehbar. Nicht nur die rot-grüne Opposition hatte
eindringlich gewarnt. Sogar ein Parteitag der
nordrhein-westfälischen FDP sprach sich im Frühjahr vergangenen
Jahres gegen das Vorhaben ihres eigenen Ministers aus. Mit
verdeckten Online-Durchsuchungen würden "Kernpunkte liberaler Innen-
und Rechtspolitik verletzt", beschloss die Rhein-Ruhr-FDP. Doch Wolf
ignorierte den Beschluss. Dass mit dem früheren Bundesinnenminister
Gerhart Baum auch noch ein Parteifreund zu denjenigen gehörte, die
vor das Verfassungsgericht zogen, veranlasste Wolf ebenfalls nicht
zu einem Umdenken. Stattdessen lobte der ehemalige Oberstadtdirektor
von Euskirchen sein Werk als das "modernste Sicherheitsgesetz" in
der Bundesrepublik. "Das ist ein absoluter Quantensprung", tönte
Wolf seinerzeit im Landtag.
Trotz des Debakels wird der
angeschlagene Minister wohl in seinem Amt bleiben: Den
Post-Möllemann-Liberalen in NRW fehlt es an personellen
Alternativen. So hält die schwarz-gelbe Koalition trotz heftigen
Murrens hinter den Kulissen an Wolf fest. Wie es nun mit dem
NRW-Verfassungsschutzgesetz weitergeht, ist indes unklar. Wolf will
zunächst die Karlsruher Entscheidung "sorgfältig auswerten", um sich
bei der Überarbeitung des Gesetzes "daran zu orientieren".
Im Gegensatz zu den Grünen hat die
SPD bereits ihre Bereitschaft signalisiert, an einer
"verfassungsmäßig sauberen Regelung" mitzuwirken. "Wir haben uns
stets offen gezeigt, Online-Durchsuchungen unter sehr engen
verfassungsrechtlichen Grenzen zu ermöglichen", sagte der
innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Karsten Rudolph.
Die Kritik seiner Partei habe sich nur gegen die dilettantische
Umsetzung des Innenministers gerichtet. Wolf droht allerdings
weiteres Ungemach: Die Landtagsopposition beklagt auch im neuen
Polizeigesetz verfassungswidrige Befugnisse etwa für verdeckte
Ermittlungen. SPD und Grüne haben deshalb den Verfassungsgerichtshof
des Landes in Münster angerufen.
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