31.05.2008

Startseite
taz

* Die Stasi-Telekom
Von Pascal Beucker 

Die Telekom-Affäre setzt den Konzern unter Druck. Neben Telefonverbindungen sollen Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein. Der Konzern soll sich auch ehemaliger Stasi-Spione bedient haben.

Der Bespitzelungsskandal bei der Telekom wird immer bizarrer. Zur Ausspähung unliebsamer Journalisten soll sich der Konzern ehemaliger Stasi-Leute bedient haben. Die beiden Gründer und Geschäftsführer der Berliner Wirtschaftsdetektei Desa Investigation & Risk Protection sollen versucht haben, einen Wirtschaftsjournalisten auszuspionieren.

Die Financial Times Deutschland berichtete, die im Jahr 2000 auf ihren damaligen Chefreporter Tasso Enzweiler angesetzten Schnüffler seien zu DDR-Zeiten als hauptamtliche Mitarbeiter für die Hauptabteilung II des Ministeriums für Staatssicherheit tätig gewesen. Den Auftrag zu ihrer Spähaktion hätten sie von der Wirtschaftsdetektei Control Risks Group erhalten. Die war von der Telekom engagiert worden, um undichte Stellen im Konzern ausfindig zu machen. Strafrechtlich wird das zwielichtige Treiben der früheren Stasimitarbeiter für die Telekom keine Konsequenzen mehr haben: Der Vorgang ist verjährt.

Auch so sind die Vorwürfe monströs genug. Inzwischen besteht der Verdacht, dass der Konzern nicht nur systematisch Telefonverbindungsdaten illegal auswerten, sondern auch noch Bewegungsprofile von einzelnen Journalisten und Aufsichtsräten erstellen ließ. So sollen sich etwa die Telekom-Schnüffler Handydaten von der Mobilfunktochter T-Mobile beschafft haben, um herauszufinden, wo sich der Capital-Redakteur Reinhard Kowalewsky und dessen angeblicher Informant, Telekom-Betriebsratschef Wilhelm Wegner, zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhielten. Auch scheinen sich Hinweise darauf zu verdichten, dass die Telekom 2005 eine Detektei beauftragte, einen Spion in die Kölner Capital-Redaktion einzuschleusen, um die Kontakte von Kowalewsky aufzuspüren.

Laut SZ sollen darüber hinaus Sicherheitsleute der Telekom mittels einer speziellen Software Festnetz- und Mobilfunkdaten gefiltert und mit Namen, Adressen und sogar Bankdaten verknüpft haben. Das Datenkonvolut soll dann an die Berliner Network Deutschland GmbH, von der auch die Software gestammt habe, zur Auswertung geliefert worden sein.

Network-Geschäftsführer Ralph Kühn hatte mit einem Fax an die Telekom im April den Bespitzelungsskandal ins Rollen gebracht. Darin forderte er die Begleichung noch offener Rechnungen in Höhe von 400.000 Euro und pries die Arbeit seiner Firma: "Die Projekte können selbst im nachrichtendienstlichen Maßstab nur als ungewöhnlich flächendeckend und ausgefeilt bezeichnet werden." Doch statt zu zahlen, entschied Telekom-Vorstandschef René Obermann, die Altlast aus der Zeit seines Vorgängers Kai-Uwe Ricke der Bonner Staatsanwaltschaft zu übergeben.

Auch die neuen Beschuldigungen seien nun "Gegenstand der Ermittlungen", sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel der taz. Allerdings lägen seiner Behörde noch "keine konkreten Hinweise" für ein Ausspähen von Bankdaten vor. Obermann versicherte, es gebe zu diesen Vorwürfen keinerlei Erkenntnisse. Am Donnerstag hatte die Bonner Staatsanwaltschaft bei einer bundesweiten Razzia die Büroräume der Telekom und Privatwohnungen durchsucht. Gestern folgten Maßnahmen bei anderen Firmen. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis richtet sich gegen acht Personen, darunter Ricke, den Exaufsichtsratschef Klaus Zumwinkel, Exsicherheitschef Harald Steininger sowie Network-Geschäftsführer Kühn.

Gestern Nachmittag gab Obermann bekannt, dass er den Datenschutzexperten und früheren Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, als unabhängigen Berater engagiert habe. Schäfer soll für die Telekom ein neues Sicherheitskonzept erarbeiten und "die internen Untersuchungen zum missbräuchlichen Zugriff auf Telefonverbindungsdaten prüfen".


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.