10.07.2008

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taz

* Der Boss vom Gewerkschaftsboss
Von Pascal Beucker 

Dass er etwas Unrechtes getan haben könnte, weist Günter Thiel bis heute vehement zurück. Alles sei "korrekt gelaufen und verbucht worden", beteuert der frühere Geschäftsführer des mittlerweile insolventen Briefdienstleisters PIN. Das Geld, das er der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) bis Anfang 2008 hatte zukommen lassen, sei nur eine ganz harmlose "Anschubfinanzierung" gewesen, beteuert Thiel. Nun droht ihm doch noch ein juristisches Nachspiel.

Thiel gilt als eine schillernde Figur, als einer, der mit Vorliebe im Halbdunkel agiert, wie das manager magazin schreibt. "Ich bin sehr streng, konsequent und verlässlich", sagt er über sich selbst. Im Übrigen habe er einfach "Spaß am Geldverdienen". Aus bescheidenen Verhältnissen kommend, hat er es weit gebracht. Thiel, der nach der Hauptschule in Trier eine Lehre antrat und das Speditionshandwerk von der Pike auf gelernt hat, ist Multimillionär. Zu dem machte ihn seine Firma Thiel Logistik. Am Neuen Markt war sie einst ein Liebling der Anleger - bis zum bitteren Absturz. Das Unternehmen - wie PIN mit Sitz in Luxemburg - blähte seine Umsätze durch zahlreiche Firmenkäufe auf. Doch 2002 kam das böse Erwachen, Prognosen mussten korrigiert werden, der Kurs stürzte ins Bodenlose. Auch PIN wurde durch Thiels wilde Einkaufsorgien zum Sanierungsfall. Wieder hatte der viel Kapital vernichtet, aber noch rechtzeitig eigene Anteile versilbert.

Geschäftspartner bezeichnen den "schlauen Fuchs der Logistikbranche" als "gerissen und humorlos". Dabei war es schon eine witzige Idee, auf die die private Konkurrenz der Post bei ihrem Kampf für Niedrigstlöhne gekommen war: Wenn ein Arbeitgeber schon nicht mit der einen Gewerkschaft ins Geschäft kommen kann, lässt er sich halt eine andere gründen. Als Vorbild dürfte der Siemens-Konzern und dessen Betriebsräteorganisation AUB gedient haben. Die PIN Group ließ sich die ihr genehme "Arbeitnehmervertretung" einiges kosten: 133.526,69 Euro sollen von Thiel über den Umweg einer Kölner Anwalts- und Steuerberatungskanzlei an die von einem ehemaligen hochrangigen Lebensmittelmanager bei Tengelmann geleiteten GNBZ geflossen sein. "Wir waren in einer schwierigen Situation", begründete Thiel sein ungewöhnliches Engagement, nachdem der Deal im Frühjahr aufflog.

So skandalös der Vorgang ist: Der Fall schien bereits zu den Akten gelegt. Im April stellte die Kölner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die Ex-PIN-Führungsriege um Thiel ein. Doch jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft Köln auf Beschwerde von Ver.di entschieden, dass doch weiter ermittelt werden muss.


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