Nach der Erklärung des
Ex-Wirtschaftsministers sehnen sich linke wie rechte SPDler nach
einem Ende des Parteistreits.
Die Kulisse, die er sich für seinen
Auftritt ausgesucht hat, hätte malerischer nicht sein können. Vor
dem Petersberg am Horizont probiert Wolfgang Clement an diesem
Donnerstagmittag in einem Bad Godesberger Hotel den rhetorischen
Spagat. Schon nach ersten Sätzen ist klar: Klein beigeben kommt für
ihn nicht infrage - aber weniger polternd als üblich versucht er
sich zu inszenieren. Guten Willen zeigen - und sich doch in der
Sache keinen Millimeter bewegen, lautet die Devise, mit der der
frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Bundesminister
versucht, seinem SPD-Parteiausschlussverfahren den Wind aus den
Segeln zu nehmen. Es ist ein Entgegenkommen, zu dem Clement auch
sein Anwalt Otto Schily (SPD) und SPD-Parteivize Peer Steinbrück
geraten haben sollen.
Es liege ihm daran, seinen hessischen
Parteifreunden "vor Ort", die sich durch seinen umstrittenen
Kommentar in der Welt unmittelbar vor der Landtagswahl im
Stich gelassen gefühlt hätten, sein Bedauern auszudrücken, sagt
Clement und lässt damit ungewohnte Anflüge von Selbstkritik
erkennen. "Das lag nicht in meiner Absicht und tut mir leid."
Linke wie rechte Sozialdemokraten
beeilten sich nach Clements Erklärung, die öffentliche
Selbstzerfleischung der Partei für beendet zu erklären. Freilich
begründeten sie das je nach Couleur sehr unterschiedlich. Die
Parteirechte, der Clement nahesteht, wünscht sich, die Debatte möge
nun ihr Ende finden. Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises,
sagte der taz: "Clements Worte waren richtig, wichtig und gut. Das
hilft der Bundesschiedskommission der Partei, zu einem vernünftigen
Ergebnis zu kommen." Das oberste SPD-Schlichtungsgremium will
spätestens bis Herbst entscheiden, wie es mit dem von den
NRW-Genossen beschlossenen Ausschluss ihres Ex-Ministerpräsidenten
umgeht. Mit einem Seitenhieb auf die linke Parteivize Andrea Nahles
sagte Kahrs: "Die SPD braucht zwei starke Flügel, und deshalb
braucht sie nicht nur Nahles, sondern auch Clement." SPD-Chef Kurt
Beck sagte: "Für ein gedeihliches Miteinander in einer Partei ist es
wichtig, aufeinander zuzugehen."
Auch der Parteilinke Michael Müller
hofft, die Causa Clement möge endlich ruhen. Vor Clements Erklärung
hatte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium noch dessen
Sturheit kritisiert und sein Verhalten "unsolidarisch" gegenüber den
hessischen Genossen genannt. Nun sagte Müller der taz: "Man sollte
die Debatte beenden." Im Vergleich zu den großen wirtschaftlichen
und ökologischen Herausforderungen Deutschlands sei die derzeitige
Konzentration auf den SPD-internen Streit ohnehin "Pipifax".
Doch so einfach wird sich der
Flügelstreit innerhalb der SPD nicht beilegen lassen. Inhaltlich
wollte der 68-jährige Clement ohnehin nichts zurückzunehmen. Nach
einem Kniefall vor der Parteilinken steht ihm in keiner Weise der
Sinn. Es widerspräche aber auch einfach Clements Natur. Er bleibe
bei seiner scharfen Kritik der energiepolitischen Vorstellungen von
Hessens SPD-Frontfrau Andrea Ypsilanti, sagte Clement, der auch als
Lobbyist für den Energiekonzern RWE tätig ist. Ein Ausstieg "aus
einer der uns gegebenen sicheren Energiequellen" sei "nicht zu
verantworten". Wer der Meinung sei, "wir könnten in Deutschland in
überschaubarer Zeit auf Kohle- und auf Atomkraftwerke verzichten und
den vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien in zehn Jahren
vollziehen, der würde - wenn er oder sie das praktizieren wollte -
den Industriestandort Deutschland und damit Zigtausende von
Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen".
Auch eine mögliche Zusammenarbeit der
hessischen Genossen mit der "Linken" sieht der Ex-SPD-Vize weiterhin
"außerordentlich kritisch". Es sei allerdings
eine "ungute Entwicklung", dass solche Diskussionen aufgrund ihrer
Personalisierung derart hitzig geführt würden, dass es vermehrt zu
persönlichen Anfeindungen und verbalen Ausfällen gekommen sei. Ihm
sei es deshalb wichtig, "dass diese Überhitzungen" aus der Debatte
herauskämen. "Ansehen tut's man mir vielleicht nicht - aber ich bin
Sozialdemokrat und werde es auch bleiben", sagte Clement.
Zur Untermauerung beruft Schröders
Ex-Superminister ausgerechnet seinen früheren grünen
Kabinettskollegen Jürgen Trittin in den Zeugenstand. Dieser habe ihm
eine Karte geschrieben: "Dass Sie kein Sozialdemokrat sein sollen,
halte ich für absurd. Das kann ich Ihnen als Grüner bestätigen."
Im Rahmen seiner Möglichkeiten wolle
er auch künftig zum Erfolg der Sozialdemokratie beitragen, versprach
Clement. "Das schließt selbstverständlich ein Verhalten in den
gegebenen Regeln ein." So habe er es in seinem politischen Leben
stets praktiziert - im Gegensatz zur Auffassung seiner Kritiker auch
im Vorfeld der Hessenwahl: "Ich bin der Überzeugung, ich habe nicht
zur Nichtwahl der SPD aufgerufen." Der Entscheidung der
Schiedskommission sehe er gelassen entgegen. "Das Verfahren soll
seinen Verlauf nehmen, so oder so."