08.08.2008

Startseite
taz

* Rhetorische Verbeugung
Von Pascal Beucker und Matthias Lohre

Nach der Erklärung des Ex-Wirtschaftsministers sehnen sich linke wie rechte SPDler nach einem Ende des Parteistreits.

Wolfgang ClementDie Kulisse, die er sich für seinen Auftritt ausgesucht hat, hätte malerischer nicht sein können. Vor dem Petersberg am Horizont probiert Wolfgang Clement an diesem Donnerstagmittag in einem Bad Godesberger Hotel den rhetorischen Spagat. Schon nach ersten Sätzen ist klar: Klein beigeben kommt für ihn nicht infrage - aber weniger polternd als üblich versucht er sich zu inszenieren. Guten Willen zeigen - und sich doch in der Sache keinen Millimeter bewegen, lautet die Devise, mit der der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Bundesminister versucht, seinem SPD-Parteiausschlussverfahren den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es ist ein Entgegenkommen, zu dem Clement auch sein Anwalt Otto Schily (SPD) und SPD-Parteivize Peer Steinbrück geraten haben sollen.

Es liege ihm daran, seinen hessischen Parteifreunden "vor Ort", die sich durch seinen umstrittenen Kommentar in der Welt unmittelbar vor der Landtagswahl im Stich gelassen gefühlt hätten, sein Bedauern auszudrücken, sagt Clement und lässt damit ungewohnte Anflüge von Selbstkritik erkennen. "Das lag nicht in meiner Absicht und tut mir leid."

Linke wie rechte Sozialdemokraten beeilten sich nach Clements Erklärung, die öffentliche Selbstzerfleischung der Partei für beendet zu erklären. Freilich begründeten sie das je nach Couleur sehr unterschiedlich. Die Parteirechte, der Clement nahesteht, wünscht sich, die Debatte möge nun ihr Ende finden. Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, sagte der taz: "Clements Worte waren richtig, wichtig und gut. Das hilft der Bundesschiedskommission der Partei, zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen." Das oberste SPD-Schlichtungsgremium will spätestens bis Herbst entscheiden, wie es mit dem von den NRW-Genossen beschlossenen Ausschluss ihres Ex-Ministerpräsidenten umgeht. Mit einem Seitenhieb auf die linke Parteivize Andrea Nahles sagte Kahrs: "Die SPD braucht zwei starke Flügel, und deshalb braucht sie nicht nur Nahles, sondern auch Clement." SPD-Chef Kurt Beck sagte: "Für ein gedeihliches Miteinander in einer Partei ist es wichtig, aufeinander zuzugehen."

Auch der Parteilinke Michael Müller hofft, die Causa Clement möge endlich ruhen. Vor Clements Erklärung hatte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium noch dessen Sturheit kritisiert und sein Verhalten "unsolidarisch" gegenüber den hessischen Genossen genannt. Nun sagte Müller der taz: "Man sollte die Debatte beenden." Im Vergleich zu den großen wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen Deutschlands sei die derzeitige Konzentration auf den SPD-internen Streit ohnehin "Pipifax".

Doch so einfach wird sich der Flügelstreit innerhalb der SPD nicht beilegen lassen. Inhaltlich wollte der 68-jährige Clement ohnehin nichts zurückzunehmen. Nach einem Kniefall vor der Parteilinken steht ihm in keiner Weise der Sinn. Es widerspräche aber auch einfach Clements Natur. Er bleibe bei seiner scharfen Kritik der energiepolitischen Vorstellungen von Hessens SPD-Frontfrau Andrea Ypsilanti, sagte Clement, der auch als Lobbyist für den Energiekonzern RWE tätig ist. Ein Ausstieg "aus einer der uns gegebenen sicheren Energiequellen" sei "nicht zu verantworten". Wer der Meinung sei, "wir könnten in Deutschland in überschaubarer Zeit auf Kohle- und auf Atomkraftwerke verzichten und den vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien in zehn Jahren vollziehen, der würde - wenn er oder sie das praktizieren wollte - den Industriestandort Deutschland und damit Zigtausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen".

Auch eine mögliche Zusammenarbeit der hessischen Genossen mit der "Linken" sieht der Ex-SPD-Vize weiterhin "außerordentlich kritisch". Es sei allerdings eine "ungute Entwicklung", dass solche Diskussionen aufgrund ihrer Personalisierung derart hitzig geführt würden, dass es vermehrt zu persönlichen Anfeindungen und verbalen Ausfällen gekommen sei. Ihm sei es deshalb wichtig, "dass diese Überhitzungen" aus der Debatte herauskämen. "Ansehen tut's man mir vielleicht nicht - aber ich bin Sozialdemokrat und werde es auch bleiben", sagte Clement.

Zur Untermauerung beruft Schröders Ex-Superminister ausgerechnet seinen früheren grünen Kabinettskollegen Jürgen Trittin in den Zeugenstand. Dieser habe ihm eine Karte geschrieben: "Dass Sie kein Sozialdemokrat sein sollen, halte ich für absurd. Das kann ich Ihnen als Grüner bestätigen."

Im Rahmen seiner Möglichkeiten wolle er auch künftig zum Erfolg der Sozialdemokratie beitragen, versprach Clement. "Das schließt selbstverständlich ein Verhalten in den gegebenen Regeln ein." So habe er es in seinem politischen Leben stets praktiziert - im Gegensatz zur Auffassung seiner Kritiker auch im Vorfeld der Hessenwahl: "Ich bin der Überzeugung, ich habe nicht zur Nichtwahl der SPD aufgerufen." Der Entscheidung der Schiedskommission sehe er gelassen entgegen. "Das Verfahren soll seinen Verlauf nehmen, so oder so."


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei den Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Autoren.