19.09.2008

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taz

* Ein Sieg der Fundis
Von Pascal Beucker

Warum der Islamforscher Muhammad Sven Kalisch muslimische Religionslehrer nicht mehr ausbilden darf.

Muhammad Sven Kalisch zeigt sich unbeugsam. "Wenn Theologie eine Wissenschaft sein will, muss sie ergebnisoffen sein", sagt der umstrittene Leiter des Münsteraner Centrums für religiöse Studien. Deswegen sehe er es weiterhin als seine Aufgabe, angehende muslimische Religionslehrer zu eigener kritischer Reflexion zu befähigen. Doch dazu wird Kalisch wohl demnächst keine Gelegenheit mehr haben.

Denn nach den Vorstellungen des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums wird der bundesweit erste und derzeit noch einzige Lehrstuhlinhaber für Religion des Islam künftig mit der Lehrerausbildung nichts mehr zu tun haben. Kalisch soll sich auf die Islamforschung konzentrieren. Für die Lehrerausbildung will das Ministerium bald eine neue Professur schaffen.

Damit reagiert NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart auf die scharfe Kritik muslimischer Verbände an Kalisch. Anfang des Monats hatte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) aus Protest gegen den 42-jährigen Professor dem Münsteraner Centrum die Zusammenarbeit aufgekündigt. Sie würden "muslimischen Studierenden nicht empfehlen können, sich an diesem Lehrstuhl einzuschreiben", so die KRM-Mitgliedorganisationen Islamrat, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, Verband der Islamischen Kulturzentren und Zentralrat der Muslime in Deutschland.

Hintergrund des Konflikts sind die für manch frommen Muslim nur schwer verdaulichen theologischen Ansichten Kalischs. So geht er davon aus, dass "weder die Geschichtlichkeit noch die Un-Geschichtlichkeit des Propheten beweisbar ist". Er selbst tendiert dabei zu der Annahme, dass Mohammed nicht real existiert hat. "Ich stehe zu meiner Position." Gleichwohl betont der gebürtige Hamburger: "Ich bin kein Dogmatiker, mir geht es um eine ergebnisoffene Wissenschaft."

Trotzdem haben ihn solche Thesen schon seit langem zum Ziel konservativer islamischer Publikationen wie der türkischen Tageszeitung Zaman gemacht. In unzähligen Artikeln wetterte das der türkischen Regierungspartei AKP nahestehende Blatt gegen Kalischs "die Muslime kränkenden Ansichten".

Er sei "schon erstaunt, dass jetzt die deutsche Politik das Drehbuch von Zaman verfilmt", kommentiert Kalisch. "Das ist sehr schade für den Islam." Denn damit würde man auch an der Universität den Traditionalisten in der islamischen Community die Deutungshoheit überlassen. Dass er kein Muslim "im traditionellen Sinne" sei, räumt er unumwunden ein. "Doch ich bin ein Muslim."


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