25.10.2008

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taz

* Die Größte und Harmonischste
Von Pascal Beucker

Anders als in Köln erfolgte der Bau von Deutschlands größter Moschee in Duisburg ohne jeden Streit - und ist Ausdruck eines tief greifenden Strukturwandels des Ruhrgebiets.

Rund dreieinhalb Jahre nach dem ersten Spatenstich öffnet an diesem Sonntag die derzeit größte Moschee Deutschlands offiziell ihre Tore. Mehr als 5.000 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet die Ditib-Gemeinde im Duisburger Stadtteil Marxloh. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat sein Erscheinen zugesagt. Heftige Auseinandersetzungen wie um den Moscheeneubau in Köln gab es in Duisburg nicht.

Dass der Bau so reibungslos vonstatten ging, lag nicht zuletzt daran, dass sowohl die Ditib-Gemeinde als auch die Duisburger Politik sehr umsichtig agierten. "Schon im Vorfeld waren wir alle im Stadttteil mit einbezogen und haben von Anfang an offen diskutiert", berichtet Hartmut Eichholz vom Stadtteilbüro Marxloh.

Man zog eine Lehre aus der Vergangenheit. Denn ein solcher Streit, wie er in Köln die Gemüter erhitzt, hatte Duisburg bereits Mitte der Neunzigerjahre erschüttert. Damals hatte eine Moschee in Laar geplant, den Muezzinruf per Lautsprecher über die Dächer des Stadtteils erschallen zu lassen. Ein Sturm der Empörung brach los. Die Rolle der rechtsextremen Bürgerbewegung pro Köln übernahm in Duisburg seinerzeit ein evangelikaler Pfarrer. "Eine multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft ist kein biblisch-christliches Gebot", predigte er.

Für den Marxloher Neubau gründete Ditib 2002 einen Projektbeirat, in den Parteien, Kirchen und Bürger einbezogen wurden. Gemeinsam wurde eine Grundidee entwickelte: die Kirche unter dem Motto "Dialog unter der Kuppel" zu einer interreligiösen Begegnungsstätte zu machen. So konnte auch die Unterstützung des Landes NRW und von der EU gewonnen werden, die im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" das Zentrum mit 3,2 Millionen Euro förderten. Der Rest der Gesamtbaukosten von knapp 8 Millionen Euro kam laut Ditib "durch Spenden" zusammen. Die Merkez-Moschee solle "ein Haus für alle" sein, verspricht der Gemeindevorsitzende Mehmet Özay.

Was hier nun in der Warbruckstraße entstanden ist, kann auch als ein Ausdruck jenes tief greifenden Strukturwandels verstanden werden, mit dem sich das Ruhrgebiet bis heute so schwertut. Denn dort, wo jetzt der neue islamische Prachtbau steht, stand einst die Kantine des Bergwerks Marxloh. 1984 kaufte Ditib das Gelände. Nun hat sie ein "richtiges" Gotteshaus.

Einen architektonischen Wettbewerb wie in Köln gab es nicht. Anders als ihre Glaubensbrüder in Köln hielt es die Duisburger Ditib lieber mit Adenauer: Keine Experimente! So ist das Bauwerk nach einem Entwurf von Cavit Sahin dem traditionellen Vorbild der osmanischen Kuppelmoschee verpflichtet. Entstanden ist eine mit Minarett versehene Hagia Sophia en miniature. Über einem Rechteck von 40 mal 28 Metern erhebt sich eine zentrale, 23 Meter hohe Kuppel, die von vier Halbkuppeln und zehn kleineren Kuppeln umringt wird. Vom Scheitelpunkt der großen Kuppel ragt ein Leuchter von sechs Metern Durchmesser herab.

Als Platz für die Frauen vorgesehen ist eine unter den Halbkuppeln schwebende Empore. Aber immerhin weist die Moschee unüblicherweise einen gemeinsamen Eingang für Frauen und Männer auf. Der Gebetsraum fasst insgesamt 1.200 Gläubige, 800 Männer unten und 400 Frauen oben. Die Innenausmalung übernahm der Istanbuler Architekt Volkan Altinkaya, dessen Werk aus Blau, Rot und Blattgold sich die Gemeinde 200.000 Euro kosten ließ.

Das begehbare Minarett hat eine Höhe von 34 Metern. Der Muezzin wird das Minarett nicht benutzen: Ditib hat versprochen, seinen Ruf nur im Innern der Moschee erschallen zu lassen.


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