30.10.2008

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taz

* Anklage: Kölner Kofferbomber wollten töten
Von Pascal Beucker

Staatsanwältin fordert lebenslänglich für den Libanesen, der 2006 in Zügen Bomben platziert haben soll.

Die Bundesanwaltschaft hält es für erwiesen, dass die beiden Kölner Kofferbomber aus "Rache an der westlichen Welt" heimtückisch "möglichst viele Menschen" umbringen wollten. "Deutschland hat einem islamistischen Anschlag nie näher gestanden", sagte Staatsanwältin Duscha Gmel in ihrem Schlussplädoyer am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Sie sprach von einer "erdrückenden Beweislast" und forderte für den Angeklagten Youssef E. H. lebenslange Haft. Zu dieser Strafe war der 24-jährige Libanese auch in Abwesenheit in Beirut verurteilt worden.

Ein junger Mann mit dunklen, schulterlangen Haaren im Nationalmannschaftstrikot Michael Ballacks auf Gleis 3 des Kölner Hauptbahnhofs - diese Aufnahme einer Überwachungskamera vom 31. Juli 2006 hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: Die abstrakte Gefahr islamistischer Terroranschläge schien nun auch in der Bundesrepublik real geworden zu sein.

Nur drei Wochen nach der Fußballweltmeisterschaft wartete Youssef E. H. darauf, im Regionalexpress 12519 Richtung Koblenz einen Koffertrolley abstellen zu können. Dessen Inhalt: zwei große Stahlflaschen, gefüllt mit je elf Kilo Flüssiggas, Plastikflaschen mit Benzin, eine Zündvorrichtung aus Wecker und Draht. Eine zweite Kofferbombe deponierte sein Komplize Dschihad H. im RE 10121 nach Hamm.

Nach Überzeugung der Anklagebehörde hat allein ein "handwerklicher Fehler" verhindert, dass es zu einem blutigen Inferno kam. Denn als die Zünder an jenem Julitag um 14.30 Uhr klickten, fehlte den Sprengsätzen der für eine Explosion notwendige Sauerstoff. Eine nicht beabsichtigte Panne, so Gmel: "Aus ihrer Sicht waren die Sprengsätze todsicher." Zum Glück hätten die beiden Studenten jedoch nur "mangelnde chemische Kenntnisse" besessen.

Sowohl der im Dezember vergangenen Jahres im Libanon zu zwölf Jahren Haft verurteilte Dschihad H. als auch der in Düsseldorf vor Gericht stehende Youssef E. H. haben gestanden, dass sie die Koffer in den Zügen platzierten. Allerdings will E. H. die Sprengsätze absichtlich in funktionsunfähiger Form zusammengebaut haben: Im letzten Moment seien ihm Gewissensbisse gekommen. Die Bundesanwaltschaft sieht darin eine Schutzbehauptung. Die Urteilsverkündung ist für den 18. November geplant.


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