03.12.2008

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taz

* Wie man eine Bombe baut
Von Pascal Beucker

Der mutmaßliche Kofferbomber von Köln beteuerte auf der Anklagebank, es sei nie seine Absicht gewesen, zu töten.

Mit dem Schlusswort des Angeklagten ist am Dienstag der sogenannte Kofferbomber-Prozess in seine Endphase getreten. Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht bestritt Youssef Mohamad El Haj Dib nachdrücklich jede Tötungsabsicht. "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, dass es niemals meine Absicht war, jemanden zu töten", sagte der 24-jährige Libanese. Er habe gewusst, "dass es keine Explosion geben" werde.

Anders als von der Bundesanwaltschaft behauptet sei er technisch sehr wohl in der Lage gewesen, eine funktionsfähige Bombe zu bauen, beteuerte El Haj Dib in seinem aus dem arabischen übersetzten Schlusswort. Aber die beiden Ende Juli 2006 am Kölner Hauptbahnhof in zwei Regionalzügen deponierten Sprengsätze seien absichtlich so konstruiert gewesen, dass sie nicht hätten explodieren können. Er habe gewusst, dass der für die Explosion notwendige Sauerstoff in den Gasflaschen gefehlt habe.

Ein - mittlerweile widerrufenes - Geständnis seines bereits in Beirut zu 12 Jahren Haft verurteilten Komplizen Dschihad Hamad, wonach ihr Ziel gewesen sei, möglichst viele Menschen umzubringen, bezeichnete El Haj Dib als "falsch". Hamad habe dies nur "deswegen gesagt, weil er gefoltert wurde". Er wisse schließlich, "wie das im Libanon ist". Wenn Hamad und er tatsächlich hätten Menschen töten wollen, hätten sie schließlich "doch keine Spuren hinterlassen".

Der Tod eines seiner Brüder, der bei einem israelischen Luftangriff während des vergangenen Libanonkrieges starb, sei der entscheidende Grund für ihn gewesen, vom ursprünglichen mörderischen Tatplan abzuweichen. Zu diesem Zeitpunkt habe er angefangen, darüber nachzudenken, "was die Tötung von unschuldigen Menschen bedeutet", sagte El Haj Dib. Deswegen wollte er "die ganze Sache nicht zu Ende führen". Allerdings waren er und Hamad bereits mitten in den Anschlagsvorbereitungen, und die Hälfte der Konstruktion sei schon fertig gewesen. "Es wäre dumm gewesen, alles wieder auseinanderzubauen." Mit den Bombenattrappen hätten sie gegen die in zahlreichen europäischen Medien veröffentlichten "beleidigenden Prophetenkarikaturen" protestieren wollen. Es sei ihnen um " eine Mahnung und eine Warnung an die Öffentlichkeit" gegangen.

Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft ihre Forderung nach einer lebenslangen Haftstrafe für den Exstudenten erneuert. Sie geht davon aus, dass die Kofferbomben nur aufgrund eines handwerklichen Fehlers nicht explodierten. "Deutschland hat einem islamistischen Anschlag nie näher gestanden als im vorliegenden Fall", sagte Oberstaatsanwältin Duscha Gmel.

Die Verteidigung argumentiert dagegen, ihr Mandant habe kein Blutbad anrichten, sondern nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen lediglich der Öffentlichkeit einen Schrecken einjagen wollen. Sie beantragte erneut Freispruch. Das Geständnis Hamads dürfe nicht verwertet werden. "Man hat ihn unter Druck gesetzt, wahrscheinlich auch geschlagen", sagte Rechtsanwalt Bernd Rosenkranz.

Das Urteil hatte ursprünglich bereits am vergangenen Mittwoch fallen sollen. Nach den Plädoyers beider Seiten hatte das Gericht jedoch aufgrund zahlreicher Anträge der Verteidigung zwischenzeitlich noch einmal in die Beweisaufnahme eintreten müssen. Die Urteilsverkündung ist für den kommenden Dienstag geplant.


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