Die Zukunft der finanziell schwer
angeschlagenen Universität Witten/Herdecke scheint zumindest vorerst
gesichert. Die Zahlungsfähigkeit über den Jahreswechsel hinaus werde
"aus dem Kreise der potentiellen strategischen Partner" gesichert,
erklärte der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas
Pinkwart (FDP) nach einer nächtlichen Krisensitzung. Deutschlands
älteste und größte Privathochschule steht vor einer tiefgreifenden
Umgestaltung.
Bis zum frühen Morgen hatte Pinkwart
mit Vertretern der Hochschule, der Studierenden und des
Betriebsrates zusammengesessen. In quasi letzter Sekunde sollte doch
noch für die Wittener Uni ein Ausweg aus ihrer existenzbedrohenden
Situation gefunden werden, in die der Minister sie durch seine
überraschende Ankündigung gestürzt hatte, für das Jahr 2008
zugesagte Landesmittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro nicht
auszuzahlen. Mit am Tisch saßen diejenigen, auf die sich jetzt die
ganze Hoffnung der von Insolvenz bedrohten Hochschule richtet: die
Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH), die Darmstädter Software
AG Stiftung sowie der Gemeinnützige Verein zur Entwicklung von
Gemeinschaftskrankenhäusern Herdecke. Ihre Investitionen sollen
künftig der Hochschule die Existenz sichern.
Als Begründung für die Streichung der
Landesförderung hatte Pinkwart angegeben, die Uni habe weder für
2009 noch für die darauffolgenden beiden Jahre einen verlässlichen
Wirtschaftsplan vorlegen können. Nun soll eine unabhängige
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die notwendige Transparenz über die
finanzielle Situation der Hochschule herzustellen. Auf dieser Basis
werde dann die Hochschule gemeinsam mit den Investoren ein
belastbares Finanz- und Hochschulentwicklungskonzept erarbeiten. Für
den Fall, dass dies gelingt, stellte Pinkwart neben den für die
Jahre 2009 und 2010 im Landeshaushalt jeweils eingeplanten 4,5
Millionen Euro noch eine zusätzliche einmalige Zuweisung von
weiteren 4,5 Millionen Euro in Aussicht.
Allerdings wird die Wittener
Privatuni ihre Rettung teuer bezahlen müssen. Es steht bereits jetzt
fest, dass sich die anthroposophisch inspirierte Einrichtung
grundlegend verändern wird. Insbesondere der Heidelberger
Gesundheitskonzern SRH, der bundesweit Krankenhäuser, Schulen und
private Fachhochschulen betreibt, hat gehörige Ansprüche. "Wir
kommen nicht, um Weihnachtsgeschenke zu verteilen", betonte denn
auch Konzern-Sprecher Nils Birschmann. Die Uni brauche "ein völlig
neues Geschäftsmodell". Dazu gehört die Aufstockung der
Studentenzahlen von 1.200 auf rund 2.000, höhere Studienbeiträge und
eine "marktgerechtere" Auswahl der Studieninhalte.
Bereits 2007 hatte die SRH in
Witten/Herdecke einsteigen wollen. Das Engagement des ehrgeizigen
Unternehmens scheiterte damals am Widerstand der Unileitung und von
Studierenden. Solche Renitenz kann man sich nun nicht mehr leisten.
Die Universität Witten/Herdecke war
zu Beginn der Achtzigerjahre mit dem Anspruch gegründet worden,
Studenten nicht nur fachlich, sondern vor allem auch menschlich
reifen zu lassen. So bemüht sich die Hochschule um einen starken
Praxisbezug des Studiums und Internationalität, die rund 1.200
Studenten in den Bereichen Medizin, Zahnmedizin,
Pflegewissenschaften und Wirtschaft müssen neben ihrem Hauptfach ein
kulturwissenschaftlich-künstlerisches "Studium fundamentale"
belegen.
Die Studenten feierten die Rettung
mit einem spontanen Freudenfest auf dem Campus. "Wir sind so
erleichtert, die Uni durfte einfach nicht untergehen", sagte
Uni-Sprecher Ralf Hermersdorfer.