30.07.2009

Startseite
Freitag

  Jetzt nur keine Fehler mehr
Von Pascal Beucker

Der Oberbürgermeister-Wahlkampf in Köln läuft für die SPD glänzend. CDU-Kandidat Peter Kurth – Berliner, schwul und weltoffen – ringt verzweifelt mit dem eigenen Lager.

Peter KurthWas muss Peter Kurth nur alles ertragen in diesen Tagen. Sogar zu einem öffentlichen Biergeschmackstest ist der aus Berlin importierte Kölner CDU-Oberbürgermeisterkandidat bereits angetreten. Und verwechselte dabei gleich mal Kölsch mit Alt. Eine Todsünde in der Domstadt, die seinem SPD-Konkurrenten Jürgen Roters selbstverständlich nicht passieren würde. Es läuft nicht wirklich rund. Aber wie könnte es auch?

Es bedarf schon eines gehörigen Maßes an Masochismus, um derzeit für die Union in der Domstadt in den Ring zu steigen. Kurth ist als Notlösung eingesprungen. Der noch amtierende Oberbürgermeister Fritz Schramma musste aufgrund seines dilettantischen Krisenmanagements nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auf eine erneute Kandidatur verzichten. Über die Suche nach einem Nachfolger ging Woche um Woche ins Land. Dann wurde dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers das Treiben seiner Parteifreunde zu bunt, er aktivierte seine Drähte in die Berliner Parteizentrale. Kurz darauf warf Kurth seinen Hut in den Ring. Zur Wahl am 30. August tritt er für eine CDU an, die durch interne Machtkämpfe völlig zermürbt und von unzähligen Korruptionsaffären tief erschüttert ist. Ein schier aussichtsloses Unterfangen, zumal für jemanden, der keinen Karneval mag und kein Verhältnis zum Kölsch hat. Doch das ist nicht Kurths einziges Problem.

SPD-Kandidat im Vorteil

Die Aussichten für seinen sozialdemokratischen Gegenkandidaten Roters sind nämlich ganz gegen den bundesweiten Trend glänzend. Der ehemalige Kölner Polizei- und Regierungspräsident ist in einer äußerst komfortablen Position: Er kann nicht nur auf seine eigene Partei bauen, sondern auch auf die Unterstützung der in Köln traditionell starken Grünen, die bei der vergangenen Europawahl mit 23,2 Prozent der Stimmen sogar die SPD (22,5 Prozent) überholen konnten. Keine Selbstverständlichkeit: Bei der letzten OB-Wahl im Jahr 2000 stellte die selbstbewusste Öko-Partei nicht nur für den ersten Wahlgang eine eigene Kandidatin auf, sondern verzichtete auch noch explizit auf eine Empfehlung für die Stichwahl zugunsten der damaligen SPD-Kandidatin. Was dieser den Wahlsieg kostete. Diesmal ist Roters der Kandidat beider Parteien, ausgewählt von einer paritätisch besetzten Findungskommission. Seine Aussichten werden zudem dadurch verbessert, dass sich die Linkspartei nach heftigen innerparteilichen Diskussionen dazu durchgerungen hat, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken.
 

Von solch formidablen Verhältnissen kann Peter Kurth nur träumen. Dabei ist er eigentlich mit seiner Liberalität und Weltoffenheit ein geradezu idealer CDU-Kandidat in einer Großstadt wie Köln, durchaus vergleichbar mit Ole von Beust oder Petra Roth. „Kompetent, sachorientiert, lebensfroh und tolerant“ sei er, schwärmt die frühere grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer von ihm. Doch Köln ist nicht Hamburg oder Frankfurt. Das bekam die Domstadt-CDU schon bei der letzten Stadtratswahl vor fünf Jahren derbe zu spüren. Ihre damalige Liaison mit den Grünen bestraften die Wähler gnadenlos: Die Union fiel von 45,2 auf 32,7 Prozent – jubeln über das eigene grandiose Abschneiden konnten hingegen die FDP und die rechtsextreme „Bürgerbewegung Pro Köln“.

Die Konkurrenz im „Rechts-der-Mitte“-Spektrum dürfte auch Kurth kräftige Verluste in der Stammwählerschaft bescheren. Besonders bitter für ihn ist dabei, dass es diesmal keine Stichwahl mehr geben wird. Die hat die schwarz-gelbe Landesregierung abgeschafft. Sowohl die FDP als auch „Pro Köln“ schicken eigene Kandidaten ins Rennen. Die versuchen genau in jenem Klientel zu fischen, das der gebürtige Siegburger als Kernpotenzial weitgehend geschlossen hinter sich bringen müsste, um überhaupt eine realistische Chance zu haben. Auf der einen Seite hetzt der 45-jährige „Pro Köln“-Chef Markus Beisicht gegen den „Berliner Polit-Zombie“ und buhlt um die Stimmen aus dem quantitativ nicht zu unterschätzenden klerikal-reaktionären Milieu.

Auf der anderen Seite steht der FDP-Ratsfraktionsvorsitzende Ralph Sterck. Sein Antritt verdankt sich in erster Linie der Arroganz der Kölner CDU, die es nicht für nötig hielt, frühzeitig mit den Liberalen über eine gemeinsam getragene Kandidatur zu verhandeln – ein dummer Fehler. Auch Kurth gelang es nicht mehr, den Fauxpas zu korrigieren und den 43-jährigen Hauptgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen FDP doch noch zu einem Rückzug zu bewegen. „Falls die CDU einen schwulen Kandidaten ausgesucht haben sollte, um mich zum Rückzug zu becircen, hat sie sich geirrt“, beschied ihm Sterck kühl.

Als Peter Kurth 2003 in Berlin erst Fraktions- und dann Parteichef werden wollte, servierte ihn die Hauptstadt-Union gleich zweimal hintereinander ab. Kurths private Verhältnisse, hieß es damals hinter vorgehaltener Hand, passten eben nicht so. Frustriert zog er sich aus der Landespolitik zurück und übernahm einen Vorstandsposten beim Entsorgungsunternehmen Alba. Kurz darauf outete ihn das Homosexuellen-Magazin Sergej – und Kurth nutzte die Gelegenheit, sich öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen.

Nun treten mit ihm und seinem FDP-Konkurrenten Sterck gleich zwei bekennende Schwule für das „bürgerliche“ Lager in einer Großstadt zu einer OB-Wahl an – eine deutsche Premiere. So liberal die Stadt sich nach außen auch gerne gibt: Risikolos ist das offene Schwulsein eines CDU-Kandidaten in der katholischen Hochburg Köln samt des homophoben Kardinal Joachim Meisner keineswegs. Nicht wenige an der bisweilen arg provinziellen CDU-Basis haben damit immer noch gehörige Probleme. Kurth ist sich dessen bewusst. Es werde sicherlich einige Konservative geben, die keinen schwulen OB wollten, räumt er ein. Andererseits gebe es jedoch „ebenso Leute, die wollen, dass sich die CDU bestimmten Modernisierungsprozessen öffnet“. Zudem bekenne er sich „nicht nur zu allen Aspekten meiner Persönlichkeit, sondern auch dazu, praktizierender Katholik zu sein“. Ob das reichen wird? Eher nicht. SPD-Konkurrent Jürgen Roters lässt sich unterdessen großflächig mit Ehefrau und seinen drei Kinder plakatieren.

Sekunden des Fremdelns

Der smarte und eloquente Kurth macht bei den Diskussionen mit seinen beiden Konkurrenten durchaus eine gute Figur. Bisweilen ist ihm allerdings doch anzumerken, dass er sich erst in einem Crashkurs in die Niederungen der Kölner Lokalpolitik einarbeiten musste. Wenn es um die Details geht, wirkt insbesondere der langjährige Kommunalpolitiker Sterck um einiges kompetenter.

Weitaus problematischer für Kurth ist allerdings, dass er Roters einfach nicht zu fassen bekommt. Weder Kurth noch Roters sind Polarisierer. Das Bierzelt ist nicht ihr Revier, populistisches Auftreten ihnen fremd. Politisch tummeln sich beide in der gesellschaftlichen Mitte. Die – durchaus bestehenden – Unterschiede zwischen ihnen sind nicht so groß, dass sich an ihnen ein Lagerwahlkampf initiieren ließe. Genau den jedoch bräuchte Kurth zur Mobilisierung der Unionsanhänger. Hinzu kommt, dass sich der SPD-Mann im Wissen um die für ihn seit Monaten hervorragenden Umfragewerte auf die Strategie verlegt hat, Fehler zu vermeiden und seinen Gegnern keine Angriffsflächen zu bieten. Entsprechend ungenau und vage bleiben viele seiner Aussagen.

Wer Kurth bei seinen diversen Auftritten in diesen Tagen quer durch die Domstadt aufmerksam beobachtet, erlebt immer wieder kurze Augenblicke, in denen sein Lächeln erstarrt und seine Augen plötzlich ins Leere blicken. Unnahbar wirkt der CDU-Kandidat dann, unglaublich fern scheinen ihm in diesen Momenten die Menschen zu sein, die er eigentlich für sich gewinnen will. Es ist eine Form des Fremdelns. Es macht den Eindruck, als stelle er sich einen Atemzug lang still die Frage: Warum tue ich mir das an? Es sind nur Sekunden, dann hat er sich wieder im Griff.

Vom Job des Kölner Regierungspräsidenten bis zum Ministeramt in Düsseldorf: Es gibt einige Spekulationen darüber, was Kurth wohl an Kompensationen angeboten worden sein könnte, damit er sich auf das Kölner Abenteuer einlässt. „Es hat weder Gespräche noch Zusagen mit Blick auf die Zukunft von Herrn Kurth gegeben“, dementiert jedoch das Büro des Ministerpräsidenten. Kurth selbst sagt, er wolle im Falle einer Wahlniederlage im Rheinland bleiben. Konkreter wird er nicht. Vielleicht heuert er beim Kölner Recycling-Unternehmen Interseroh an. Das gehört mehrheitlich seinem bisherigen Berliner Arbeitgeber Alba.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.