25.02.2009

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NRZ

 Aufregung ums Schulgebet
Von Pascal Beucker 

Eine konfessionslose Mutter sorgt in einem Dorf bei Korschenbroich für Streit: Sie hat dem allmorgendlichen Ritual in der Grundschulklasse ihrer Tochter ein Ende gemacht.

Korschenbroich. Gerade einmal 2380 Einwohner zählt Pesch am Niederrhein. Das zur Stadt Korschenbroich gehörige unscheinbare Örtchen ist eines jener dörflich geprägten Flecken, an denen es so ist, wie es schon immer war. Die Menschen, die hier leben, sind gottesfürchtig und wählen konservativ. Die Vorgärten sind gepflegt und in der Schule wird noch gebetet. Doch nun hat die heile Welt Risse bekommen. Denn in einer Klasse der örtlichen Gemeinschaftsgrundschule muss inzwischen das allmorgendliche Gebet ausfallen. Nicht wenige Einheimische sind schockiert. Doch etwas daran ändern kann nicht einmal die nordrhein-westfälische Schulministerin.

Seit dem vergangenen Jahr tobt nun bereits der Streit um das Schulgebet in der Andreas-Grundschule in der kleinen Gemeinde. Ausgelöst hat ihn ein konfessionsloses Elternpaar. Nachdem sie in der Klasse hospitiert hatte, wollte die Mutter nicht länger hinnehmen, dass ihre Tochter gemeinsam mit den Mitschülern jeden Morgen zum Unterrichtsbeginn mit gefalteten Händen einen, wie die Mutter meint, für Nichtgläubige reichlich unsinnigen Vierzeiler aufsagen musste: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, / erwarten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Verse von Dietrich Bonhoeffer

Geschrieben hat die Verse der von den Nazis ermordete evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer - was sie allerdings für Atheisten nur unwesentlich erträglicher machen. „Ich war entsetzt“, sagt die Mutter, die zusammen mit ihrem Mann nach dem Studium aus Sachsen ins Rheinland gezogen war. Sie sah das Grundrecht auf negative Bekenntnisfreiheit verletzt.

Nach erfolglosen Gesprächen mit der Klassenlehrerin und dem Schulleiter beschwerte sich die Mutter bei der Schulaufsicht. Und bekam recht. „Das Gebet wurde durch eine Schweigeminute ersetzt“, berichtet die junge Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Geärgert habe sie allerdings, dass die Klassenlehrerin, die auch evangelische Religionslehrerin ist, es nicht für nötig hielt, den Kindern die Änderung ausreichend zu erklären. „Das ist pädagogisch schon ein ziemliches Versagen.”

Mit dem Betverbot wollten sich indes zahlreiche andere Eltern in der Klasse nicht abfinden. Sie gründeten eine Initiative für die Wiedereinführung des Schulgebets, schrieben Brandbriefe und alarmierten die konservative Lokalpresse. „Die geistige Situation unserer Zeit ist durch ein hohes Maß an Orientierungslosigkeit gekennzeichnet“, schrieben die empörten Eltern in einer Erklärung. Die Zeilen Bonhoeffers hielten sie demgegenüber für einen „sinnvollen Beitrag, unseren Kindern gemeinsame Werte und Normen des abendlichen Kulturkreises zu vermitteln“. Auch die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) schaltete sich ein. „Das Bemühen einer Lehrerin um einfachste religiöse Vermittlung wird mit Füßen getreten.”

Rückendeckung vom Bundesverfassungsgericht

Mitte Januar schien es noch so, als hätten die Proteste Erfolg. Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) schaltete sich in den Konflikt ein: „Die Ehrfurcht vor Gott ist eines der wichtigsten Erziehungsziele des Schulgesetzes und der Landesverfassung”, ließ die christdemokratische Ministerin mitteilen. Es sei daher „nicht hinzunehmen, dass den restlichen Schülern des Klassenverbandes ein kurzes freiwilliges gemeinsames Gebet vorenthalten wird, wenn diese ein solches Gebet wollen”.

Die Elterninitiative jubelte – allerdings jubelte sie zu früh. Denn so kämpferisch die Worte Sommers auch klingen, am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kommt auch die frühere Grundschulrektorin nicht so einfach vorbei. Das hat in einem Urteil festgestellt, ein Schulgebet außerhalb des Religionsunterrichts sei zwar durchaus grundsätzlich zulässig – aber nur, wenn Schüler, die oder deren Eltern eine Teilnahme ablehnen, in „zumutbarer Weise” ausweichen können.

Wie das im konkreten Fall in Pesch bei Korschenbroich jedoch sichergestellt werden könnte und wie es funktionieren soll, weiß bislang niemand. „In der Klasse wird auch weiterhin nicht gebetet“, sagt die Mutter, die gegen das Ritual aufbegehrt hatte, denn auch beruhigt. Nach den Sommerferien wird ihr Sohn dort eingeschult. Dann dürfte die nächste Klasse der Pescher Grundschule gebetsfrei werden.


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