Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer und
Autokünstler HA Schult leiten ein neues Institut der Universität
Duisburg-Essen.
Duisburg/Köln.
Wer
HA Schult in seinem in einem Hinterhof gelegenen Loft besuchen
will, braucht keinen PKW. Er wohnt nur wenige hundert Meter vom
Kölner Hauptbahnhof entfernt. Aber besser ist es schon, mit dem
Auto vorzufahren, will man dem Spott des international
renommierten Aktionskünstlers entgehen. Denn Schult ist geradezu
vernarrt in Automobile. „Ich bin der Autokünstler“, sagt er über
sich selbst.
Schult sitzt im Schneidersitz auf
einem Hocker in seiner Küchennische. Die sieht aus wie eine Bar.
Auf dem Tresen steht Obst. Schult bietet Wasser an. „Für Wein
ist es noch etwas zu früh.” Seine Wohnung ist ein Erlebnis: drei
Zimmer auf 800 qm, vollgestopft mit den Zeugnissen
vierzigjährigen kreativen Schaffens.
Binnen 20 Tagen
durch die Republik
Auch zwei Autos stehen auf dem
lila gefleckten Fußboden. HA Schult ist ein Autolobbyist, einer
der ganz speziellen Art. Seine erste künstlerische Autoaktion
startete er 1970: Innerhalb von 20 Tagen tourte er 20 000
Kilometer quer durch die Republik, bis an den Rand des
physischen Zusammenbruchs. „Die Idee war, das Auto nicht
abzumalen, sondern stattfinden zu lassen”, erzählt Schult. In
Düsseldorf blockierte er Mitte der 1990er Jahre das Rheinufer
mit 80 verkeilten Flitzern gegen den „Stau-Wahn”. Sein goldenes
Flügelauto, das seit 1991 das Dach des Kölner Zeughauses ziert,
sorgte jahrelang für heftige Debatten in der Domstadt.
Das Telefon bimmelt. „Das wird
der Dudi sein“, sagt Schult. Er steht auf, geht zum
Lastenaufzug. Wer den Künstler besuchen will, kann nicht einfach
an der Tür klingeln. Eine Klingel gibt es nicht. Er muss mit dem
Handy anrufen und warten, bis ihn Schult mit dem Fahrstuhl
abholt.
Drei Minuten später steht
Ferdinand Dudenhöffer, 58, im Raum. Der Autoprofessor und der
Autokünstler, sie sind auf den ersten Blick ein sehr ungleiches
Paar. Hier der schlanke Wissenschaftler mit dezent ergrauten
kurzen Haaren und Schnäuzer. Er trägt ein kariertes Hemd, eine
beige Hose und braune Schuhe. Dort der korpulente Künstler mit
der wilden blond gefärbten Vokuhila-Frisur, wie immer ganz in
Schwarz. Was die beiden verbindet: Sie suchen die
Öffentlichkeit. So wie die Produktion öffentlicher
Aufmerksamkeit das Geschäftsmodell des Aktionskünstlers Schult
ist, so reicht auch Dudenhöffer der Katheder alleine nicht. Der
promovierte Volkswirtschaftler, der von der FH Gelsenkirchen an
die Uni Duisburg-Essen gewechselt war, sucht die Resonanz
jenseits des Hörsaals. „Er ist der Meinungsmacher in der
Autowelt, wenn der was sagt, dann hat das Folgen”, sagt Schult
über ihn. Und Dudenhöffer schwärmt von Schult als einem
„Inspirator, aber auch Kommunikator”.
Schult und Dudenhöffer kennen
sich seit Jahren. Richtig schätzen gelernt haben sie sich bei
dem von Schult maßgeblich initiierten ÖkoGlobe. Der seit 2007
unter Schirmherrschaft von Bundesumweltminister Gabriel (SPD)
verliehene Preis fürs umweltfreundlichste Auto inspirierte die
beiden jetzt zur Gründung des gleichnamigen Instituts an der Uni
Duisburg-Essen. „Das ist so wie bei Kindern: Wenn die mit
Legoklötzen spielen, kriegen die immer mehr Appetit und
versuchen, immer mehr zu bauen”, sagt Dudenhöffer.
Neben der Betreuung des
ÖkoGlobe-Preises soll die am Lehrstuhl für Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft angesiedelte
neue Einrichtung Forschungen zur Nachhaltigen Mobilität bündeln.
„Wir wollen beides unter einen Hut bringen: Ökonomie, aber auch
Ökologie“, sagt Dudenhöffer. „Ich bin überzeugt davon, dass man
es schaffen kann, emissionslos ein Fahrzeug zu bewegen.”
Ein „Querdenker” wie HA Schult
könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Er habe „die Gabe,
uns Augen und Ohren zu öffnen”, preist Dudenhöffer seinen
Co-Direktor. „Manchmal kann es ganz interessant sein, auch das
ganze System in Frage zu stellen.” Das gelte insbesondere für
die Autoindustrie. „Da brauchen wir mal jemanden, der sagt:
Schmeißen wir alles weg und überlegen mal, wie das aussehen
würde, wenn ein Auto Flügel hätte.”
Ein völlig neues
Bewegungssystem
Als „sozialpolitische Aufgabe“
bezeichnet Schult seine Tätigkeit fürs ÖkoGlobe-Institut. Er ist
überzeugt, Gegensätzliches zusammenführen zu können: das Auto
und den Erhalt der Umwelt. „Jetzt, zur Götterdämmerung der
Stauzeit, gilt es das Automobil als sozioökologische Skulptur
neu zu definieren”, formuliert Schult philosophisch. Gerade die
deutsche Autoindustrie habe das Öko-Thema lange verpennt. „Das
sind ja alles absolute Fachidioten”, schimpft er. „Die Arroganz
der Deutschen, die ja das Auto erfunden und die ungeheuer auf
diese normale Technik gesetzt haben”, sei schuld an der
gegenwärtigen Misere. Völlig anders werde das Auto der Zukunft
aussehen. „Wir werden ein völlig neues Bewegungssystem
entwickeln innerhalb von 20, 30 Jahren”, übt sich Schult im
Visionären. „Und die, die das verstanden haben, die werden die
großen Gewinner sein."