29.06.2009

Startseite
NRZ

 Ein scheinbar ungleiches Paar
Von Pascal Beucker 

Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer und Autokünstler HA Schult leiten ein neues Institut der Universität Duisburg-Essen.

HA Schult und Ferdinand DudenhöfferDuisburg/Köln. Wer HA Schult in seinem in einem Hinterhof gelegenen Loft besuchen will, braucht keinen PKW. Er wohnt nur wenige hundert Meter vom Kölner Hauptbahnhof entfernt. Aber besser ist es schon, mit dem Auto vorzufahren, will man dem Spott des international renommierten Aktionskünstlers entgehen. Denn Schult ist geradezu vernarrt in Automobile. „Ich bin der Autokünstler“, sagt er über sich selbst.

Schult sitzt im Schneidersitz auf einem Hocker in seiner Küchennische. Die sieht aus wie eine Bar. Auf dem Tresen steht Obst. Schult bietet Wasser an. „Für Wein ist es noch etwas zu früh.” Seine Wohnung ist ein Erlebnis: drei Zimmer auf 800 qm, vollgestopft mit den Zeugnissen vierzigjährigen kreativen Schaffens.

Binnen 20 Tagen durch die Republik

Auch zwei Autos stehen auf dem lila gefleckten Fußboden. HA Schult ist ein Autolobbyist, einer der ganz speziellen Art. Seine erste künstlerische Autoaktion startete er 1970: Innerhalb von 20 Tagen tourte er 20 000 Kilometer quer durch die Republik, bis an den Rand des physischen Zusammenbruchs. „Die Idee war, das Auto nicht abzumalen, sondern stattfinden zu lassen”, erzählt Schult. In Düsseldorf blockierte er Mitte der 1990er Jahre das Rheinufer mit 80 verkeilten Flitzern gegen den „Stau-Wahn”. Sein goldenes Flügelauto, das seit 1991 das Dach des Kölner Zeughauses ziert, sorgte jahrelang für heftige Debatten in der Domstadt.

Das Telefon bimmelt. „Das wird der Dudi sein“, sagt Schult. Er steht auf, geht zum Lastenaufzug. Wer den Künstler besuchen will, kann nicht einfach an der Tür klingeln. Eine Klingel gibt es nicht. Er muss mit dem Handy anrufen und warten, bis ihn Schult mit dem Fahrstuhl abholt.

Drei Minuten später steht Ferdinand Dudenhöffer, 58, im Raum. Der Autoprofessor und der Autokünstler, sie sind auf den ersten Blick ein sehr ungleiches Paar. Hier der schlanke Wissenschaftler mit dezent ergrauten kurzen Haaren und Schnäuzer. Er trägt ein kariertes Hemd, eine beige Hose und braune Schuhe. Dort der korpulente Künstler mit der wilden blond gefärbten Vokuhila-Frisur, wie immer ganz in Schwarz. Was die beiden verbindet: Sie suchen die Öffentlichkeit. So wie die Produktion öffentlicher Aufmerksamkeit das Geschäftsmodell des Aktionskünstlers Schult ist, so reicht auch Dudenhöffer der Katheder alleine nicht. Der promovierte Volkswirtschaftler, der von der FH Gelsenkirchen an die Uni Duisburg-Essen gewechselt war, sucht die Resonanz jenseits des Hörsaals. „Er ist der Meinungsmacher in der Autowelt, wenn der was sagt, dann hat das Folgen”, sagt Schult über ihn. Und Dudenhöffer schwärmt von Schult als einem „Inspirator, aber auch Kommunikator”.

Schult und Dudenhöffer kennen sich seit Jahren. Richtig schätzen gelernt haben sie sich bei dem von Schult maßgeblich initiierten ÖkoGlobe. Der seit 2007 unter Schirmherrschaft von Bundesumweltminister Gabriel (SPD) verliehene Preis fürs umweltfreundlichste Auto inspirierte die beiden jetzt zur Gründung des gleichnamigen Instituts an der Uni Duisburg-Essen. „Das ist so wie bei Kindern: Wenn die mit Legoklötzen spielen, kriegen die immer mehr Appetit und versuchen, immer mehr zu bauen”, sagt Dudenhöffer.

Neben der Betreuung des ÖkoGlobe-Preises soll die am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft angesiedelte neue Einrichtung Forschungen zur Nachhaltigen Mobilität bündeln. „Wir wollen beides unter einen Hut bringen: Ökonomie, aber auch Ökologie“, sagt Dudenhöffer. „Ich bin überzeugt davon, dass man es schaffen kann, emissionslos ein Fahrzeug zu bewegen.”

Ein „Querdenker” wie HA Schult könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Er habe „die Gabe, uns Augen und Ohren zu öffnen”, preist Dudenhöffer seinen Co-Direktor. „Manchmal kann es ganz interessant sein, auch das ganze System in Frage zu stellen.” Das gelte insbesondere für die Autoindustrie. „Da brauchen wir mal jemanden, der sagt: Schmeißen wir alles weg und überlegen mal, wie das aussehen würde, wenn ein Auto Flügel hätte.”

Ein völlig neues Bewegungssystem

Als „sozialpolitische Aufgabe“ bezeichnet Schult seine Tätigkeit fürs ÖkoGlobe-Institut. Er ist überzeugt, Gegensätzliches zusammenführen zu können: das Auto und den Erhalt der Umwelt. „Jetzt, zur Götterdämmerung der Stauzeit, gilt es das Automobil als sozioökologische Skulptur neu zu definieren”, formuliert Schult philosophisch. Gerade die deutsche Autoindustrie habe das Öko-Thema lange verpennt. „Das sind ja alles absolute Fachidioten”, schimpft er. „Die Arroganz der Deutschen, die ja das Auto erfunden und die ungeheuer auf diese normale Technik gesetzt haben”, sei schuld an der gegenwärtigen Misere. Völlig anders werde das Auto der Zukunft aussehen. „Wir werden ein völlig neues Bewegungssystem entwickeln innerhalb von 20, 30 Jahren”, übt sich Schult im Visionären. „Und die, die das verstanden haben, die werden die großen Gewinner sein."


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.