18.09.2009

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NRZ

 Von Altbier, Kölsch und anderen Mythen
Von Pascal Beucker 

Köln. Der Ort hätte kaum passender gewählt sein können. Ein Brauhaus in der Nähe des Kölner Doms hat sich der Berliner Verlag zur Präsentation des Lexikons „Populäre Rheinland-Irrtümer" ausgesucht. „Ich bin der Horst", begrüßt Horst Lichter jovial sein Publikum. Der Fernsehkoch hat an diesem Morgen die etwas undankbare Aufgabe übernommen, das neue Buch des Autors Falko Rademacher vorzustellen. Schließlich ist der Mann mit dem markanten Schnauzbart eine „Inkarnation des Rheinlands", wie Verleger Ulrich Hopp betont. So hat Lichter denn auch erst mal kräftig schlucken müssen: „Es gab kaum eine Seite, auf der ich mich nicht am Anfang angegriffen gefühlt habe."

Kein Wunder, denn in seinem Buch lässt Rademacher am Rheinland und den Rheinländern kein gutes Haar – und entlarvt zahlreiche liebgewonnene Mythen. Angefangen von der weitverbreiteten Ansicht, Leverkusen sei eine Stadt, bis zu der Behauptung, Duisburg habe den größten Binnenhafen der Welt: „Fast alles, was man glaubt, über die rheinische Geschichte zu wissen, ist falsch", resümiert der frühere Gag-Schreiber für die „Harald Schmidt Show". So sei Aspirin gar nicht im Rheinland erfunden worden, sondern in Wuppertal-Elberfeld. Auch Klosterfrau Melissengeist stamme mitnichten aus Köln, sondern aus Coesfeld. Dafür allerdings sei Verpoorten keineswegs ein holländischer Eierlikör, sondern komme ursprünglich aus Heinsberg.

Doch damit nicht genug: Weder sei es haltbar, dass Kölsch anders als Altbier schmecke, noch dass Köln eine „Altstadt" habe. Denn das, was die Kölner als „Altstadt" bezeichneten, „mag ja irgendwie mittelalterlich rüberkommen, aber das tut Eva Herman auch, und die Frau ist erst in ihren Fünfzigern". Im Übrigen stimme es auch nicht, dass Köln am Mittelrhein liege. „Köln ist Niederrhein, ist es immer gewesen und wird es immer bleiben." Eine grausige Vorstellung für Kölner. Nur eine Frage lässt Rademacher offen: Den ewigen Streit, welche Stadt denn nun die hässlichste Deutschlands ist, Duisburg oder Köln, könne auch er „nicht endgültig entscheiden".

Rademachers Lexikon verbinde Fakten mit Satire, sagt Verleger Hopp. Doch das stimmt nicht so ganz. Denn leider verwechselt der Autor mitunter Satire mit plattem Stammtischhumor. Statt aufzuklären, bemüht er Klischees. Zudem wirkt der eine oder andere von ihm aufgezählte „populäre Irrtum" doch arg konstruiert. Trotzdem ist Rademachers Buch insgesamt durchaus unterhaltsam. Für den Leib-und-Seele-Rheinländer Horst Lichter brachte die Lektüre einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn: „Dass wir so schlimm sind, hätte ich nicht gedacht." NRZ

Falko Rademacher: „Populäre Rheinland-Irrtümer", 208 S., 19,90 Euro, be.bra verlag 2009.


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