28.04.2009

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spiegelonline

 CDU sucht opferbereiten Parteisoldaten
Von Pascal Beucker 

Verzweifelte Suche nach einem Kandidaten: Fast einen Monat nach dem Verzicht von Oberbürgermeister Schramma braucht die Kölner CDU dringend einen Nachfolger. Doch von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach bis zu den Enkeln Konrad Adenauers hagelt es bisher nur Absagen.

Fritz Schramma (CDU)Fritz Schramma ist ein schwer beschäftigter Mann. Hier eine Einweihung, dort ein Grußwort, unzählige Hände schütteln - und stets ein strahlendes Lächeln in die Kameras. So kennen die Kölner ihr Stadtoberhaupt seit inzwischen fast neun Jahren. Im Kölner Zoo legt der 61-jährige Christdemokrat den Grundstein für ein neues Flusspferdhaus. Beim Besuch der Ford-Entwicklungsabteilung setzt er sich an das virtuelle Steuer eines Fiesta.

Zwischendurch buddelt der 61-jährige Christdemokrat noch vier Stunden lang mit Atemmaske und in voller Feuerwehrmontur in dem Schuttberg des eingestürzten Historischen Archivs der Stadt Köln nach verschütteten Dokumenten. "Das soll ein Zeichen der Solidarität mit den Bergungskräften sein", verkündete Schramma.

Bei aller Geschäftigkeit: Etwas ist anders, als in all den Jahren zuvor. Denn nach knapp neun Jahren im Amt ist Schramma jetzt auf Abschiedstour. Im Oktober endet die Amtszeit des selbsternannten "Kümmerers". Dass er bereits jetzt unter Trennungsschmerz leidet, ist ihm deutlich anzumerken. "Köln ist mein Traumjob", sagte der Noch-Oberbürgermeister, als er Ende März schweren Herzens seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekanntgab.

Doch sein dilettantisches Krisenmanagement nach dem Einsturz des Stadtarchivs hatte ihn derart in die Schusslinie gebracht, dass ihm nichts anderes mehr übrigblieb. In den Umfragen weit hinter SPD-Herausforderer Jürgen Roters abgerutscht, waren die Aussichten auf seine Wiederwahl bei der Oberbürgermeisterwahl Ende August allzu trübe geworden.

Täglich gibt es neue Absagen

Seitdem sucht die Kölner CDU verzweifelt nach einem neuen Kandidaten - bislang ohne Erfolg. Während ihre einstige Lichtgestalt von einem Repräsentationstermin zum nächsten hetzt, handeln die Domstadt-Christdemokraten täglich neue Namen und täglich hagelt es neue Absagen.

Als erster gab Wolfgang Bosbach, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, seinen Parteifreunden einen Korb. Auch Kölns derzeitiger Parteichef Jürgen Hollstein, der Fraktionsvorsitzende Winrich Granitzka und die Kölner Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen, Parlamentarische Staatssekretärin bei Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, winkten ab. Bei IHK-Geschäftsführer Ulrich Soénius bissen die Werber ebenso auf Granit, wie beim ehemaligen Landrat des Bergischen Kreises Norbert Mörs, der sein Glück lieber in der roten Hochburg Gelsenkirchen als in Köln versuchen möchte. Sogar bei dem wegen seines Einsatzes nach dem Einsturz des Stadtarchivs gefeierten Feuerwehrchef Stephan Neuhoff soll die CDU vorstellig geworden sein.

Ebenso zerschlugen sich die Hoffnungen, einen Nachfahren Konrad Adenauers auf den Schild heben zu können. Dabei hatten immerhin gleich drei Enkel des Altbundeskanzlers und früheren Kölner Oberbürgermeisters auf dem Wunschzettel gestanden. Doch sowohl der 64-jährige Notar Konrad Adenauer, der sich vor dem Rückzug Schrammas zunächst selbst ins Gespräch gebracht hatte, als auch sein 48-jähriger Bruder Patrick, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer, erteilten der Kölner CDU eine Absage. Auch der 54-jährige Bauunternehmer Paul Bauwens-Adenauer lehnte dankend ab. Dem Präsident der Kölner Industrie und Handelskammer war bereits vor zwei Jahren hinter dem Rücken Schrammas die OB-Kandidatur vergeblich angetragen worden.

Kandidaten brauchen Opferbereitschaft

Dass sich die Begeisterung potentieller Kandidaten in Grenzen hält, nun an Stelle Schrammas in den Wahlkampf zu ziehen, verwundert nicht. Tatsächlich bedarf es schon eines gehörigen Maßes an Altruismus, wenn nicht gar Masochismus, um derzeit für die Union in der Domstadt in den Ring zu steigen - vergleichbar mit jener Opferbereitschaft, mit der 1981 Hans-Jochen Vogel für die abgewirtschaftete Berliner SPD aussichtslos gegen Richard von Weizsäcker um das Amt des Regierenden Bürgermeisters kämpfte. Wer will sich das schon antun?

Die Ausgangsbasis für einen möglichen Kandidaten könnte schlechter nicht sein. "Die Kölner CDU hat nun mal den Ruf einer Banane: Wer drauftritt, rutscht aus", übt sich Kölns führende Tageszeitung, der Kölner Stadt-Anzeiger, in Galgenhumor. Seit längerem zermürben interne Machtkämpfe die heillos zerstrittene Partei, was schon Schramma das Leben schwer machte. Zusätzlich angeschlagen ist die Partei durch eine Affäre um dubiose Sparkassen-Beraterverträge, über die im Frühjahr Bürgermeister Josef Müller und der frühere Kölner CDU-Ratsfraktionschefs Rolf Bietmann stolperten. Der Schramma-Vertraute Müller musste sein Amt niederlegen, Bietmann von seiner Nominierung als CDU-Direktkandidat für die kommende Bundestagswahl zurücktreten.

Prozess mit Sprengpotential

Und dann ist da noch ein seit Monaten vor sich hin dümpelnder Prozess vor dem Kölner Landgericht mit gefährlichem Potential: Verhandelt wird gegen den einst mächtigen Ex-Parteichef Richard Blömer, der immer noch CDU-Stadtbezirksvorsitzender in Lindenthal ist, und neun weitere Angeklagte. Sie stehen im Verdacht, 1999 illegal Gelder mittels fingierter Spendenquittungen in die Parteikasse transferiert zu haben. Zehn Jahre nachdem die CDU unverhofft der SPD die Macht im Rathaus entreißen konnte, steht die Partei vor einem Scherbenhaufen.

Die Suche nach einem Nachfolger für Schramma gleicht längst einer Provinzposse. "Es gibt keine Pflicht zur Kandidatenaufstellung", stichelt Sylvia Löhrmann, die Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag. "Bevor alles noch peinlicher wird, sollte die CDU darüber nachdenken, wie sie das bürgerliche Lager stärken kann", sagt FDP-Ratsfraktionschef Ralph Sterck und bietet sich der Union inzwischen als gemeinsamer Kandidat an. Davon allerdings will die nichts wissen.

Nach den zahlreichen Absagen hat sich der CDU-Vorstand nun Anfang vergangener Woche dazu durchgerungen, eine "Kandidatenfindungskommission" einzusetzen. "Die Suche nach dem Oberbürgermeister-Kandidaten für die CDU-Köln geht in die nächste Runde", tönt es seitdem ganz ernst gemeint von der Partei-Homepage. Man spreche mit etlichen Leuten, "und darunter sind einige sehr interessante Namen", zeigt sich Kommissionsmitglied Ursula Heinen optimistisch.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Unter dem Motto "Wir helfen der CDU" unterbreiten die Kölner Lokalzeitungen der leidgeprüften Union inzwischen ihre eigenen Vorschläge - von Fußballweltmeister Wolfgang Overath über Comedian Guido Cantz bis zu Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il. Schließlich habe der eine Wahl "noch nie verloren".


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