Verzweifelte Suche nach
einem Kandidaten: Fast einen Monat nach dem
Verzicht von Oberbürgermeister Schramma braucht
die Kölner CDU dringend einen Nachfolger. Doch
von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach bis zu
den Enkeln Konrad Adenauers hagelt es bisher nur
Absagen.
Fritz
Schramma ist ein schwer beschäftigter Mann. Hier
eine Einweihung, dort ein Grußwort, unzählige
Hände schütteln - und stets ein strahlendes
Lächeln in die Kameras. So kennen die Kölner ihr
Stadtoberhaupt seit inzwischen fast neun Jahren.
Im Kölner Zoo legt der 61-jährige Christdemokrat
den Grundstein für ein neues Flusspferdhaus.
Beim Besuch der Ford-Entwicklungsabteilung setzt
er sich an das virtuelle Steuer eines Fiesta.
Zwischendurch
buddelt der 61-jährige Christdemokrat noch vier
Stunden lang mit Atemmaske und in voller
Feuerwehrmontur in dem Schuttberg des
eingestürzten Historischen Archivs der Stadt
Köln nach verschütteten Dokumenten. "Das soll
ein Zeichen der Solidarität mit den
Bergungskräften sein", verkündete Schramma.
Bei aller
Geschäftigkeit: Etwas ist anders, als in all den
Jahren zuvor. Denn nach knapp neun Jahren im Amt
ist Schramma jetzt auf Abschiedstour. Im Oktober
endet die Amtszeit des selbsternannten
"Kümmerers". Dass er bereits jetzt unter
Trennungsschmerz leidet, ist ihm deutlich
anzumerken. "Köln ist mein Traumjob", sagte der
Noch-Oberbürgermeister, als er Ende März
schweren Herzens seinen Verzicht auf eine
erneute Kandidatur bekanntgab.
Doch sein
dilettantisches Krisenmanagement nach dem
Einsturz des Stadtarchivs hatte ihn derart in die Schusslinie gebracht,
dass ihm nichts anderes mehr übrigblieb. In den
Umfragen weit hinter SPD-Herausforderer Jürgen
Roters abgerutscht, waren die Aussichten auf
seine Wiederwahl bei der Oberbürgermeisterwahl
Ende August allzu trübe geworden.
Täglich gibt es neue
Absagen
Seitdem sucht die
Kölner CDU verzweifelt nach einem neuen
Kandidaten - bislang ohne Erfolg. Während ihre
einstige Lichtgestalt von einem
Repräsentationstermin zum nächsten hetzt,
handeln die Domstadt-Christdemokraten täglich
neue Namen und täglich hagelt es neue Absagen.
Als erster gab
Wolfgang Bosbach, Vizechef der Unionsfraktion im
Bundestag, seinen Parteifreunden einen Korb.
Auch Kölns derzeitiger Parteichef Jürgen
Hollstein, der Fraktionsvorsitzende Winrich
Granitzka und die Kölner Bundestagsabgeordnete
Ursula Heinen, Parlamentarische Staatssekretärin
bei Bundesverbraucherschutzministerin Ilse
Aigner, winkten ab. Bei IHK-Geschäftsführer
Ulrich Soénius bissen die Werber ebenso auf
Granit, wie beim ehemaligen Landrat des
Bergischen Kreises Norbert Mörs, der sein Glück
lieber in der roten Hochburg Gelsenkirchen als
in Köln versuchen möchte. Sogar bei dem wegen
seines Einsatzes nach dem Einsturz des
Stadtarchivs gefeierten Feuerwehrchef Stephan
Neuhoff soll die CDU vorstellig geworden sein.
Ebenso
zerschlugen sich die Hoffnungen, einen
Nachfahren Konrad Adenauers auf den Schild heben
zu können. Dabei hatten immerhin gleich drei
Enkel des Altbundeskanzlers und früheren Kölner
Oberbürgermeisters auf dem Wunschzettel
gestanden. Doch sowohl der 64-jährige Notar
Konrad Adenauer, der sich vor dem Rückzug
Schrammas zunächst selbst ins Gespräch gebracht
hatte, als auch sein 48-jähriger Bruder Patrick,
Präsident der Arbeitsgemeinschaft
Selbstständiger Unternehmer, erteilten der
Kölner CDU eine Absage. Auch der 54-jährige
Bauunternehmer Paul Bauwens-Adenauer lehnte
dankend ab. Dem Präsident der Kölner Industrie
und Handelskammer war bereits vor zwei Jahren
hinter dem Rücken Schrammas die OB-Kandidatur
vergeblich angetragen worden.
Kandidaten brauchen
Opferbereitschaft
Dass sich die
Begeisterung potentieller Kandidaten in Grenzen
hält, nun an Stelle Schrammas in den Wahlkampf
zu ziehen, verwundert nicht. Tatsächlich bedarf
es schon eines gehörigen Maßes an Altruismus,
wenn nicht gar Masochismus, um derzeit für die
Union in der Domstadt in den Ring zu steigen -
vergleichbar mit jener Opferbereitschaft, mit
der 1981 Hans-Jochen Vogel für die
abgewirtschaftete Berliner SPD aussichtslos
gegen Richard von Weizsäcker um das Amt des
Regierenden Bürgermeisters kämpfte. Wer will
sich das schon antun?
Die Ausgangsbasis
für einen möglichen Kandidaten könnte schlechter
nicht sein. "Die Kölner CDU hat nun mal den Ruf
einer Banane: Wer drauftritt, rutscht aus", übt
sich Kölns führende Tageszeitung, der Kölner
Stadt-Anzeiger, in Galgenhumor. Seit
längerem zermürben interne Machtkämpfe die
heillos zerstrittene Partei, was schon Schramma
das Leben schwer machte. Zusätzlich angeschlagen
ist die Partei durch eine Affäre um dubiose
Sparkassen-Beraterverträge, über die im Frühjahr
Bürgermeister Josef Müller und der frühere
Kölner CDU-Ratsfraktionschefs Rolf Bietmann
stolperten. Der Schramma-Vertraute Müller musste
sein Amt niederlegen, Bietmann von seiner
Nominierung als CDU-Direktkandidat für die
kommende Bundestagswahl zurücktreten.
Prozess mit
Sprengpotential
Und dann ist da
noch ein seit Monaten vor sich hin dümpelnder
Prozess vor dem Kölner Landgericht mit
gefährlichem Potential: Verhandelt wird gegen
den einst mächtigen Ex-Parteichef Richard
Blömer, der immer noch
CDU-Stadtbezirksvorsitzender in Lindenthal ist,
und neun weitere Angeklagte. Sie stehen im
Verdacht, 1999 illegal Gelder mittels fingierter
Spendenquittungen in die Parteikasse
transferiert zu haben. Zehn Jahre nachdem die
CDU unverhofft der SPD die Macht im Rathaus
entreißen konnte, steht die Partei vor einem
Scherbenhaufen.
Die Suche nach
einem Nachfolger für Schramma gleicht längst
einer Provinzposse. "Es gibt keine Pflicht zur
Kandidatenaufstellung", stichelt Sylvia
Löhrmann, die Fraktionschefin der Grünen im
Düsseldorfer Landtag. "Bevor alles noch
peinlicher wird, sollte die CDU darüber
nachdenken, wie sie das bürgerliche Lager
stärken kann", sagt FDP-Ratsfraktionschef Ralph
Sterck und bietet sich der Union inzwischen als
gemeinsamer Kandidat an. Davon allerdings will
die nichts wissen.
Nach den
zahlreichen Absagen hat sich der CDU-Vorstand
nun Anfang vergangener Woche dazu durchgerungen,
eine "Kandidatenfindungskommission" einzusetzen.
"Die Suche nach dem Oberbürgermeister-Kandidaten
für die CDU-Köln geht in die nächste Runde",
tönt es seitdem ganz ernst gemeint von der
Partei-Homepage. Man spreche mit etlichen
Leuten, "und darunter sind einige sehr
interessante Namen", zeigt sich
Kommissionsmitglied Ursula Heinen optimistisch.
Wer den Schaden
hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen:
Unter dem Motto "Wir helfen der CDU"
unterbreiten die Kölner Lokalzeitungen der
leidgeprüften Union inzwischen ihre eigenen
Vorschläge - von Fußballweltmeister Wolfgang
Overath über Comedian Guido Cantz bis zu
Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il. Schließlich
habe der eine Wahl "noch nie verloren".
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