14.01.2009

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taz

*  Statt Gefängnis Geld und Geständnis
Von Pascal Beucker

Der Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, der wegen Steuerbetrug angeklagt ist, muss angeblich nicht ins Gefängnis. Im Gegenzug soll er aussagen und eine hohe Strafe zahlen. So kam auch ein Immobilienhändler schon einmal um den Knast herum.

Klaus Zumwinkel bleibt der Knast voraussichtlich erspart. Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftssachen soll eine Absprache mit dem wegen Steuerbetrugs angeklagten Expostchef und früheren Telekom-Aufsichtsratsvorsitzenden getroffen haben. Wie es heißt, hat die Anklagebehörde zugesagt, zusätzlich zu einer üppigen Geldstrafe maximal auf eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zu plädieren. Im Gegenzug soll Zumwinkel ein Geständnis versprochen haben.

Zumwinkel wird vorgeworfen, zwischen 2001 und 2006 über eine Liechtensteiner Stiftung mit dem Namen "Family Foundation" rund 1,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Das nun anscheinend abgesprochene Vorgehen ermöglicht eine Justizpanne: Da ein Durchsuchungsbeschluss zu spät unterzeichnet wurde, sind die Zumwinkel angelasteten Verstöße vor 2002 verjährt. Damit sinkt der juristisch relevante Steuerschaden, über den ab dem 22. Januar vor dem Landgericht Bochum verhandelt wird, knapp unter die Grenze von 1 Million Euro. Ab dieser Summe darf nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs keine Bewährungsstrafe mehr verhängt werden.

Den Handel mit Zumwinkel, über den das Handelsblatt unter Berufung auf Justizkreise berichtet, wollte die Bochumer Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. "Über das Strafmaß wird erst in der Hauptverhandlung entschieden", sagte Behördensprecher Bernd Bienioßek. Dass vor einem Prozess Vorgespräche geführt würden, wäre jedoch nicht überraschend. Das Gericht bleibt von Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Anwälten aber unabhängig und kann trotzdem eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängen - was indes nur selten vorkommt. Die nunmehr mit dem Komplex betrauten Staatsanwälte Daniela Wolters und Gerrit Gabriel würden mit einer solchen Absprache der - auch von ihrer Vorgängerin Margit Lichtinghagen - gerne praktizierten "Bochumer Linie" folgen: Wer sich in Wirtschaftsstrafverfahren auskunftsfreudig gibt und bereit ist, eine hohe Geldbuße zu zahlen, hat gute Chancen, vom Gefängnis verschont zu bleiben. So wie bereits in einem ersten Prozess im Zusammenhang mit der Liechtenstein-Affäre: Trotz der hohen Hinterziehungssumme von 7,6 Millionen Euro kam ein Bad Homburger Immobilienhändler mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davon. Der Täter gab sich geständig und akzeptierte eine Geldstrafe von 7,5 Millionen Euro. Zehn weitere Verfahren wurden nun gegen Zahlung einer Geldauflage von zusammen 6 Millionen Euro eingestellt. Die Akte "Liechtenstein" umfasst 780 Verdächtige. 680 Fälle werden derzeit noch überprüft. 400 Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Kunden der Liechtensteiner LGT-Bank wurden bereits eingeleitet. Das Urteil im Zumwinkel-Prozess wird für den 26. Januar erwartet.

Schon am heutigen Mittwoch beschäftigt sich der Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags mit den Schäden, die die Liechtenstein-Affäre bei der Staatsanwaltschaft Bochum angerichtet hat. Angekündigt ist ein Bericht der Landesregierung über "Ungeklärtes im Zusammenhang mit der Versetzung" von Oberstaatsanwältin Lichtinghagen.

Deutschlands bekannteste Anklägerin musste Ende 2008 nach internem Streit den Zumwinkel-Fall abgeben und an das Essener Amtsgericht wechseln. Derzeit ist die 53-jährige Juristin krankgeschrieben. Mit den Vorkommnissen in der Bochumer Behörde befasst sich wegen einer dienstaufsichtlichen Überprüfung und der Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachts auch der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf.


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