10.02.2009

Startseite
taz

*  Kein eleganter Abgang
Von Pascal Beucker

Michael Glos, CSU, wollte nicht mehr länger Bundesminister sein. Besonders geschickt aber hat er seinen Rücktritt nicht eingefädelt. Dabei hätte ihm schon ein kurzer Blick in die Geschichte geholfen.

Der Vorgang ist mehr als ungewöhnlich: Dass ein Minister sich quasi per offenen Brief an seinen Parteivorsitzenden in Bild am Sonntag um seinen Rauswurf bemüht, ist in der bundesrepublikanischen Geschichte einzigartig. Warum organisierte sich Michal Glos bloß keinen würdevolleren Abgang? Ging es ihm nur darum, CSU-Chef Horst Seehofer zu übertölpeln, weil dieser die Zeit nach der Bundestagswahl ohnehin bereits ohne ihn plante? Oder wollte Glos eigentlich doch gar nicht gehen, sondern sich nur mit einem gänzlich untauglichen Mittel ein demonstratives Zeichen der Unterstützung organisieren?

Als - wenn auch nicht gerade besonders sympathisches - Vorbild könnte ihm dabei Donald Rumsfeld gedient haben. Der frühere US-Verteidigungsminister brüstete sich 2005 in einem CNN-Interview, er habe wegen der Foltervorwürfe an US-Soldaten im Irak gleich zweimal Präsident George W. Bush seinen Rücktritt angeboten. "Er traf die Entscheidung und sagte, er wolle, dass ich bleibe", sagte Rumsfeld stolz. Ein Jahr später feuerte ihn Bush allerdings doch noch.

Vielleicht meinte es Glos allerdings auch ernst. Dass ein Politiker aufgrund seines Alters seinen Posten noch während der laufenden Legislaturperiode räumen will, ist nichts Ungewöhnliches. So kündigte, für die Öffentlichkeit völlig überraschend, im April 1992 der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) kurz nach seinem 65. Geburtstag und knapp 23 Regierungsjahren seinen Rücktritt an. "Es ist meine feste Überzeugung, dass dieser Schritt richtig und notwendig ist", schrieb Genscher seinerzeit an Bundeskanzler Helmut Kohl. "Dies gilt auch für den Zeitpunkt." Anders als Seehofer und auch Merkel im Fall Glos wurde Kohl allerdings von dem Brief seines Vizekanzlers nicht auf dem falschen Fuß erwischt: Schon zu Jahresbeginn hatte Genscher ihn in seine Rücktrittsabsichten eingeweiht. Das ist denn auch das übliche Verfahren: Nach außen dringt der beabsichtigte Schritt erst, wenn ihn der Ausscheidungswillige mit den entscheidenden Personen be- und abgesprochen hat.

Aber auch sonst erstaunt der von Glos gewählte, formell völlig unkorrekte Weg. "Ich bitte dich, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden", schrieb der amtsmüde Wirtschaftsminister am Samstag per Fax an Seehofer. Dabei dürfte auch Glos bekannt sein, dass dafür nicht der CSU-Chef, sondern nur Bundeskanzlerin Angela Merkel zuständig ist - auch wenn laut Koalitionsvertrag die CSU über die Besetzung ihrer zwei Kabinettsposten frei entscheiden kann. So ist es jedenfalls im Grundgesetz in Artikel 64 geregelt: "Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen." Das Bundesministergesetz sieht darüber hinaus in Paragraf 9 vor, dass Bundesminister "ihre Entlassung jederzeit verlangen" können. Es ist bisher zumindest nicht öffentlich bekannt geworden, dass zuvor auch nur einmal ein solches Begehren abgelehnt worden wäre.

Möglicherweise aber hat der gläubige Katholik Glos auch einfach nur seine eine mit der anderen Vereinsmitgliedschaft verwechselt - und deswegen etwas die Orientierung verloren. Schließlich ist es in der römisch-katholischen Kirche durchaus üblich, dass führende Funktionsträger in einem bestimmten Alter öffentlichkeitswirksam ihrem Anführer den Rücktritt anbieten, ohne es wirklich allzu ernst zu meinen. Verantwortlich dafür ist der Canon 401 im "Codex des kanonischen Rechts", dem katholischen Kirchenrecht. Dort heißt es: "Ein Diözesanbischof, der das 75. Lebensjahr vollendet hat, ist gebeten, seinen Amtsverzicht dem Papst anzubieten, der nach Abwägung aller Umstände entscheiden wird." Letztes prominentes Beispiel für diesen formalen Akt: Ende vergangenen Jahres bot der erzkonservative Kölner Erzbischof Johannes Meisner dem Papst seinen Rücktritt an - der erwartungsgemäß ablehnte.

Denkbar ist jedoch auch, dass das Problem gar nicht bei Glos, sondern in einer Überschätzung des CSU-Vorsitzes nicht zuletzt durch die jeweiligen Amtsinhaber liegt. Es überrascht jedenfalls schon, dass Seehofer in dieser Frage nicht aus den Tollpatschigkeiten seines Vorgängers Erwin Huber gelernt hat. Huber hatte den unmittelbar nach dem Wahldesaster der CSU bei der Landtagswahl im September 2008 angebotenen Rücktritt von Generalsekretärin Christine Haderthauer ebenfalls zunächst abgelehnt: "Weil wir nicht ein Bauernopfer wollen." Einen Tag später war sie trotzdem ihren Job los. So gilt für Seehofer ebenso wie für seine Vorgänger: Auch wenn der berühmteste von ihnen, der selige Franz Josef Strauß, sogar von manchem einst wie ein Papst verehrt wurde - erfolgreich Rücktritte ablehnen kann nur der Bayer auf dem Heiligen Stuhl in Rom.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.