22.05.2009

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taz

*  DIHK zu umweltfeindlich und konservativ: Ich will hier raus
Von Pascal Beucker 

LOBBY Chef einer Umweltenergie-Firma will per Klage aus dem Dachverband der Handelskammern.

Ob er sich für Atomkraft einsetzt, sich gegen die Erhöhung der Marktanteile erneuerbarer Energien ausspricht oder die Umsetzung des Kioto-Protokolls ablehnt: Die Positionen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sind Thomas Siepelmeyer schon lange ein Gräuel. Geradezu empörend findet der Geschäftsführer der Münsteraner Davertwind GmbH & Co. KG, "dass der DIHK eine Politik verfolgt, die den auf dem Gebiet der Umweltenergie tätigen Unternehmen die Geschäftsgrundlage entziehen würde". Deswegen ist er vor das Verwaltungsgericht Münster gezogen. Sein Ziel: zu erreichen, dass die Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, der seine kleine Windenergiefirma per Zwangsmitgliedschaft angehört, aus der Dachorganisation austreten muss. Am Mittwoch fand die mündliche Verhandlung statt. Noch ist nicht absehbar, ob die Richter der Klage stattgeben werden.

Sollte Siepelmeyer gewinnen, könnte das den DIHK in seinen Grundfesten erschüttern. Denn mit seinem Unmut über die konservative Ausrichtung des Verbandes steht der 35-jährige Diplom-Geologe nicht alleine.

Da die IHK eine öffentlich-rechtliche Zwangskörperschaft ist, ist es ihr gesetzlich untersagt, sich allgemeinpolitisch zu betätigen. Erst im Februar hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof Aussagen der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern etwa zur Bildungspolitik als "nicht mit dem Gesetz vereinbar" beanstandet. Auch darf eine Zwangskörperschaft keinem Verein angehören, der ein allgemeinpolitisches Mandat in Anspruch nimmt, betont Siepelmeyers Anwalt Wilhelm Achelpöhler. Genau dies sei jedoch beim DIHK der Fall. "Schauen Sie sich doch nur mal die Äußerungen des Vereins zur Europawahl an, die sich wie ein Wahlaufruf zugunsten der CDU und der FDP lesen", so Achelpöhler.

Der Jurist moniert, dass es in einem DIHK-Papier unter dem Titel "Europa vor der Wahl - Antworten gesucht" etwa heißt: "Der DIHK lehnt die Vorschläge seitens der SPD, der Grünen sowie der Partei Die Linke ab, vermehrt über das Ordnungsrecht in die Märkte einzugreifen." Stattdessen müsse "wie von der CDU explizit gefordert - das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft in Europa stärker Anwendung finden: Wettbewerb und Liberalisierung sind Voraussetzungen für soziale Gerechtigkeit".

Laut Verband müssten zudem die Sozial- und Bildungspolitik "weiter in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen - wie von CDU und FDP gefordert". Auf Ablehnung stößt beim DIHK hingegen der "Versuch von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, über den Umweg Europa in Deutschland flächendeckende Mindestlöhne durchzusetzen".

Jochen Grütters, Geschäftsführer Recht der IHK Nord Westfalen, kann die Aufregung nicht verstehen. Einen Verstoß gegen das gesetzlich verankerte Neutralitätsgebot der Kammer sei nicht gegeben. Schließlich hätten IHK und DIHK nun mal "das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu vertreten", sagt er. Das schließe nicht aus, dass einzelne Mitglieder nicht immer mit den Stellungnahmen einverstanden seien. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wollen die Münsteraner Verwaltungsrichter ihr Urteil fällen.


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