27.07.2009

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taz

*  Ein SPD-Kandidat mit Chancen
Von Pascal Beucker 

Bei der Oberbürgermeisterwahl könnte sich Ende August ein sozialdemokratischer Expolizeichef gegen zwei bürgerliche Schwule und einen Rechtsextremen durchsetzen.

Jochen RotersEs wirkt wie eine neckische Installation des Kölner Aktionskünstlers HA Schult. "Köln kann's", behauptet die CDU. "Köln kann's besser", verspricht die SPD. "Köln kann mehr", kontert die FDP. Hinter der skurrilen Einfallslosigkeit der Parolen, mit denen die Parteien an unzähligen Masten und Bäumen seit wenigen Tagen in der Domstadt für die Kommunalwahl am 30. August werben, steckt eine spannende politische Auseinandersetzung. Während andernorts die Sozialdemokraten von einer Krise in die nächste taumeln, erleben sie in der rheinischen Metropole ein bemerkenswertes Comeback. Nach zehn Jahren christdemokratischer Stadtspitze haben sie beste Aussichten, das Oberbürgermeisteramt zurückzugewinnen.

Der SPD-Kandidat Jürgen Roters ist in einer komfortablen Position. Der ehemalige Kölner Polizei- und Regierungspräsident kann nicht nur auf seine eigene Partei bauen, sondern auch auf die Unterstützung der in Köln traditionell starken Grünen. Ausgewählt wurde der nüchterne Verwaltungsfachmann von einer paritätisch besetzten Findungskommission. Die Chancen für Roters werden zudem dadurch verbessert, dass sich die Linkspartei nach heftigen innerparteilichen Diskussionen dazu durchgerungen hat, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Von solch formidablen Verhältnissen kann CDU-Kandidat Peter Kurth nur träumen. Der frühere Berliner Finanzsenator ist als Notlösung eingesprungen, nachdem Ende März der derzeitige christdemokratische Amtsinhaber Fritz Schramma aufgrund seines dilettantischen Krisenmanagements nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auf eine erneute Kandidatur verzichten musste. Kurth tritt an für eine durch interne Machtkämpfe völlig zermürbte und von unzähligen Korruptionsaffären tief erschütterte Kölner CDU. Ein Himmelfahrtskommando, zumal für jemanden, der keinen Karneval mag und lieber Cocktails als Kölsch trinkt. Doch das ist nicht sein einziges Problem.

Denn der 49-jährige gelernte Jurist sieht sich unangenehmer Konkurrenz im "Rechts der Mitte"-Spektrum ausgesetzt, die ihm kräftige Streuverluste in der Stammwählerschaft zu bescheren droht. Auf der einen Seite buhlt Markus Beisicht, der 45-jährige Chef der rechtsextremen "Bürgerbewegung Pro Köln", um die Stimmen aus dem quantitativ nicht zu unterschätzenden klerikal-reaktionären Milieu. Auf der anderen Seite fischt der FDP-Ratsfraktionsvorsitzende Ralph Sterck in der wirtschaftsliberalen Klientel. Sein Antritt verdankt sich in erster Linie der Arroganz der Kölner CDU, die es nicht für nötig hielt, frühzeitig mit den Liberalen über eine gemeinsam getragene Kandidatur zu verhandeln. Ein dummer Fehler, da der Düsseldorfer Landtag mit seiner schwarz-gelben Mehrheit die Stichwahl abgeschafft hat.

Auch Kurth gelang es nicht mehr, den Fauxpas zu korrigieren und den 43-jährigen Hauptgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen FDP doch noch zu einem Rückzug zu bewegen. "Falls die CDU einen schwulen Kandidaten ausgesucht haben sollte, um mich zum Rückzug zu bezirzen, hat sie sich geirrt", beschied ihm Sterck kühl.

Vor einigen Jahren noch undenkbar, treten mit Kurth und Sterck nunmehr gleich zwei bekennende Schwule für das "bürgerliche" Lager in einer Großstadt zu einer Oberbürgermeisterwahl an - eine bundesdeutsche Premiere. So liberal Köln sich nach außen auch gerne gibt: Risikolos ist das offene Schwulsein für einen CDU-Kandidaten in der Stadt des homophoben Kardinals Joachim Meisner allerdings keineswegs. Nicht wenige an der bisweilen arg provinziellen christdemokratischen Basis haben damit immer noch ihre gehörigen Probleme. Es werde sicher einige Konservative geben, die keinen schwulen Oberbürgermeister wollten, ist sich Kurth bewusst.

Andererseits gebe es jedoch "ebenso Leute, die wollen, dass sich die CDU bestimmten Modernisierungsprozessen öffnet". Zudem bekenne er sich "nicht nur zu allen Aspekten meiner Persönlichkeit, sondern auch dazu, praktizierender Katholik zu sein". Ob das reichen wird? Es hat schon seinen Grund, dass sich der Sozialdemokrat Roters großflächig mit Ehefrau und seinen drei Kindern plakatieren lässt.


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