Die NRW-CDU sucht ihren Mann an der Spitze.

Norbert RöttgenTraut er sich oder traut er sich nicht? Während Bundesumweltminister Norbert Röttgen noch auf Wanderurlaub in Kärnten weilt, füllen die Spekulationen über den nächsten Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen CDU das Sommerloch. Bis zum 30. August hat Röttgen Zeit sich zu erklären, ob er sich um die Nachfolge von Jürgen Rüttgers bewerben will. Noch zögert er. Akribisch lotet Röttgen derzeit aus, wie seine Chancen stehen. Es wird eng für „Muttis Klügsten“, wie sie den Vertrauten Angela Merkels in Berlin nennen: Sein Konkurrent Armin Laschet hat sich bereits geschickt in Stellung gebracht. Röttgen will keine Niederlage riskieren, denn die würde auch seine Position auf Bundesebene erheblich schwächen.

Mit ihren Personalquerelen ist die CDU in Nordrhein-Westfalen immerhin mal wieder im Gespräch. Nach ihrer schweren Niederlage bei der Landtagswahl und dem Verlust der Regierungsmacht in Düsseldorf ist die Partei in eine Phase der Lethargie verfallen. Beinahe machte es bereits den Eindruck, als gebe es sie gar nicht mehr. Auch nach der Katastrophe bei der Loveparade blieb sie stumm. Bis heute hat es die Landespartei nicht geschafft, in der Diskussion über den an seinem Posten klebenden Duisburger CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland Position zu beziehen. Ein Armutszeugnis.

Doch jetzt scheint der größte CDU-Landesverband wieder aus seiner Schockstarre zu erwachen. Die Truppen sammeln sich. Auf der einen Seite stehen die Unterstützer des früheren NRW-Integrationsministers Laschet, darunter immerhin CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann und Landesgeneralsekretär Andreas Krautscheid. Mit der Präsentation ihrer „NRW-internen“ Lösung überrumpelten die drei in der vergangenen Woche ihren Parteifreund Röttgen. Auch sechs der acht CDU-Bezirksfürsten votieren für Armin Laschet.

Auf der anderen Seite steht vor allem Oliver Wittke. Dem Bezirkschef der CDU Ruhr soll im Falle einer Wahl Röttgens der Posten des Landesgeneralsekretärs versprochen worden sein. Entsprechend skurril wirkt es, wenn ausgerechnet er jetzt der Anti-Röttgen-Fronde Hinterzimmerpolitik vorwirft. Als wäre je in der Union anders Politik gemacht worden.

Um was geht es eigentlich bei dem Duell Laschet gegen Röttgen? Geht es um den Kampf zweier unterschiedlicher politischer Linien? Steht die CDU in Nordrhein-Westfalen gar vor einer Richtungsentscheidung? Nein, das steht sie nicht – und vielleicht ist das genau das Problem der Christdemokraten. Die Alternativen, die zur Wahl stehen, sind keine wirklichen Alternativen. Es geht um Seilschaften, nicht um Parteiflügel, die hier gegeneinander antreten.

In den ersten Nachkriegsjahren drehte sich die Auseinandersetzung zwischen Konrad Adenauer und Karl Arnold um nicht weniger als um die Grundausrichtung der CDU: rheinischer Kapitalismus versus katholische Soziallehre. Der Streit zwischen Bernhard Worms und Kurt Biedenkopf in den Achtzigerjahren war immerhin noch einer zwischen Rheinländern und Westfalen. Nun ja. Aber jetzt? Welche Wahl hat die Union heute?

Armin Laschet ist vier Jahre älter als Norbert Röttgen, aber das ist auch schon beinahe der gravierendste Unterschied. Beide gelten als gesellschaftspolitisch liberal orientiert. Beide stehen für eine Modernisierung der CDU und damit verbunden für eine Öffnung ihrer Partei in Richtung Grüne. Damit liegen sie nicht unbedingt verkehrt: Angesichts der Schwäche der FDP dürfte Schwarz-Grün strategisch die einzig realistische Machtperspektive sein. Nur: Können sie ihre Partei auf diesem Weg mitnehmen?

Das ist ihr großes Handicap: Die Wählerschaft der nordrhein-westfälischen Union rekrutiert sich überwiegend aus den konservativen, ländlichen Regionen. Ihr wäre wohl eine Mischung aus Friedrich Merz und Karl-Josef Laumann an der Parteispitze am liebsten. Auch die christdemokratische Parteibasis ist immer noch sehr konservativ geprägt. „CDU pur“ lautet ihre Schlussfolgerung aus dem Wahldesaster vom Mai. Mit seinem unerwarteten Bündnis mit dem bodenständig-traditionalistischen Landtagsfraktionschef Laumann versucht Laschet dieses Dilemma zu kaschieren. Damit geht er allerdings ein hohes Risiko ein.

Die CDU müsse jederzeit gerüstet sein, die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen abzulösen. Das ist das zentrale Argument, das Laschet, Laumann und Krautscheid gegen den Bundespolitiker Röttgen ins Feld führen. Aber es ist stumpf. Die CDU ist derzeit überhaupt nicht in der Verfassung, Rot-Grün wieder aus der Staatskanzlei zu vertreiben. Denn sie befindet sich in einem tiefgreifenden Selbstfindungsprozess. Neuwahlen hat sie weit mehr zu fürchten als SPD und Grüne. Ob Laschet oder Röttgen: Wer von beiden auch das Rennen macht, er wird sich wohl auf eine längere Oppositionszeit an Rhein und Ruhr einstellen müssen. Hannelore Kraft wird’s freuen, Angela Merkel nicht.