04.02.2010

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Jungle World

 Gepflegte Landschaften
Von Pascal Beucker

Der Prozess gegen Karlheinz Schreiber hat lange auf sich warten lassen. Jetzt wird wegen Steuerhinterziehung gegen den Waffenlobbyisten verhandelt

Jahrzehntelang konnte sich Karlheinz Schreiber als ganz große Nummer fühlen. Mit der Unterstützung des mächtigen bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) ließen sich für den einstigen Teppichverkäufer glänzende Geschäfte machen. Der »kleine Karlheinz aus Hohegeiß im Harz«, wie er sich gerne bezeichnet, vermittelte Airbus-Flugzeuge nach Thailand und Kanada sowie MBB-Hubschrauber an die kanadische Küstenwache, fädelte die Lieferung von »Fuchs«-Spürpanzern nach Saudi-Arabien ein und kümmerte sich um die Ansiedlung einer Panzerfabrik in Kanada.

Stets zeigte sich Schreiber großzügig denjenigen gegenüber, die ihm bei seinen Geschäften helfen sollten. So musste Kanadas früherer Premierminister Brian Mulroney Ende 2007 vor einem Untersuchungsausschuss einräumen, Bargeld in sechsstelliger Höhe von Schreiber erhalten zu haben. »Mein mit Abstand größter Fehler im Leben war es, dass ich mich jemals einverstanden erklärt habe, Karlheinz Schreiber vorgestellt zu werden«, sagte der ertappte Konservative. Auch manch deutscher Politiker hätte Schreiber wohl am liebsten nie kennen gelernt.

Seit vergangenem Monat muss sich Schreiber vor dem Augsburger Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 65jährigen vor, zwischen 1988 und 1993 von seinen Auftraggebern etwa 32,7 Millionen Euro Provision unversteuert vereinnahmt zu haben. Dadurch seien dem deutschen Fiskus mehr als zehn Millionen Euro Steuergelder vorenthalten worden. Er habe ein »für das Finanzamt undurchschaubares Lügengebäude« konstruiert, heißt es in der Anklageschrift. Heftig umstritten ist allerdings, wie viel von dem Geld Schreiber tatsächlich für sich behielt. Denn nach seinen Angaben diente der Großteil der Summe der »Landschaftspflege«. In seiner Erklärung zum Prozessauftakt beteuerte er: »Bei mir sollten die Gelder nicht bleiben.«

Er habe »nie im Alleingang agiert«, betonte Schreiber. Auch wenn der 1988 verstorbene Strauß den erfolgreichen Abschluss vieler Geschäfte nicht mehr habe miterleben können, so sei er doch an deren Vorbereitung »maßgeblich beteiligt« gewesen. »Es ist doch nicht so, dass ein Einzelunternehmer aus Bayern zwischen Regierungen verschiedener Staaten hin- und herspazieren und solche Großprojekte zustande bringen konnte«, ließ Schreiber seinen Anwalt Jan Olaf Leisner vorlesen. »Ohne politische Unterstützung wäre ich von den maßgeblichen Leuten noch nicht einmal empfangen worden.«

Seit langem aktenkundig ist jene Millionenspende, die der damalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep 1991 auf einem Supermarktparkplatz im schweizerischen St. Margarethen annahm. Mit der Aufdeckung dieser Zahlung nahm die CDU-Parteispendenaffäre 1999 ihren Anfang, in deren Verlauf der damalige Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble von beiden Ämtern zurücktrat. Auch er hatte nach einer anfänglichen Gedächtnisschwäche eingestehen müssen, 1994 von Schreiber 100 000 Mark erhalten zu haben. CSU-Politiker blieben seinerzeit von solchen Enthüllungen verschont, obwohl Schreiber, der 2003 aus der Partei ausgeschlossen wurde, 1991 in fünf Tranchen rund 1,4 Millionen Mark in ihre Kassen geleitet haben will. Einen Teil des Geldes habe er, so heißt es in seiner Augsburger Erklärung, dem einstigen Strauß-Intimus Franz Josef Dannecker in bar übergeben. Den anderen Teil habe er auf ein Schweizer Nummernkonto eingezahlt, das nach seiner Einschätzung ein »inoffizielles Konto der CSU« gewesen sei. Die CSU habe über ein ganzes System solcher Geheimkonten in der Schweiz verfügt. Über diese schwarzen Kassen hätten Strauß und Dannecker sich »in meinem Beisein besprochen«, so Schreiber.

Der 1992 verstorbene Dannecker habe zudem Großspenden in kleinere Zuwendungen gestückelt. Um die tatsächlichen Spender nicht in der offiziellen Buchhaltung der Partei auftauchen zu lassen, habe er Namen aus Todesanzeigen benutzt. Das geschilderte Verfahren will Schreiber selbst bei einer von ihm 1980 getätigten Spende in Höhe 100 000 Mark miterlebt haben. Dies alles sei als Reaktion auf den Skandal um die »Staatsbürgerliche Vereinigung« geschehen, die Ende der siebziger Jahre als Spendenwaschanlage von Union und FDP enttarnt wurde.

Mit dem planmäßig betriebenen Steuerbetrug hatten die führenden deutschen Unternehmen jahrzehntelang mit Millionensummen die liberal-konservativen Parteikassen gefüllt. Rund 1 800 Verfahren leitete die Staatsanwaltschaft ein, nachdem das System aufgeflogen war. Nur in Bayern hatte kein Spendensünder etwas zu befürchten. Bis heute ist der damalige Generalbevollmächtigte der Flick AG, Eberhard von Brauchitsch, empört darüber, dass ihm in Nordrhein-Westfalen der Prozess gemacht wurde, während die Finanzjongleure in Bayern allesamt von einer Strafverfolgung verschont blieben, da »Franz Josef Strauß dafür sorgte, dass jede Art von juristischer Verfolgung in Bayern unterblieb«. Schreibers zweiter Anwalt, Jens Bosbach, appellierte denn auch an die Augsburger Richter, die »politischen Rahmenumstände« zu beachten, unter denen sein Mandant seinerzeit »seine Möglichkeiten und Kontakte genutzt und damit Geld verdient« hat. »Eine Bewertung allein aus heutiger Sicht wäre zu kurz gegriffen.«

Auf reale Parteifreunde wie auf ausgedachte Spender – unter ihnen ein gewisser Leo Trotzki – hatte auch der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann zurückgegriffen, der von 1996 bis 2002 mehr als zwei Millionen Euro auf Konten der FDP schleuste. Eine sich hartnäckig haltende Spekulation ist, dass ein Teil von Möllemanns Privatvermögen aus Zuwendungen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Verkauf von 36 »Fuchs«-Spürpanzern des Rüstungsunternehmens Thyssen-Henschel an Saudi-Arabien Anfang der neunziger Jahre stand. Der damalige Bundeswirtschaftsminister hatte sich für den heiklen Deal eingesetzt.

Das Panzergeschäft war den Saudis rund 450 Millionen Mark wert gewesen. 47 Prozent der Summe, also etwa 220 Millionen Mark, veranschlagte Thyssen für Provisionszahlungen. Unter der Voraussetzung, dass die Empfänger »keine im Inland steuerpflichtigen natürlichen oder juristischen Personen« waren, konnten die als »nützliche Aufwendungen« getarnten Schmiergelder seinerzeit in der BRD noch steuerlich geltend gemacht werden. Formal erbrachte Thyssen diesen Beleg gegenüber dem Finanzamt, indem der Konzern als Provisionsempfänger vier im Ausland ansässige Briefkastenfirmen angab. Darunter befand sich auch die panamaische Domizilgesellschaft A.T.G. Investment Ltd. Inc., deren wirtschaftlich Berechtigter nach den Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft Karlheinz Schreiber war. Von dem Konto der A.T.G. beim Schweizerischen Bankverein Zürich stammte jene eine Million Mark, die Schreiber dem CDU-Schatzmeister Leisler Kiep übergab.

Seit seiner Flucht aus der Bundesrepublik 1995 hat Schreiber immer wieder mit Ankündigungen, Andeutungen und Androhungen für Schlagzeilen gesorgt. Dass er Anfang der neunziger Jahre verdeckt Millionen an die CSU gespendet habe, hatte er schon bei seiner Vernehmung durch den Parteispendenausschuss des Bundestags im Mai 2002 im kanadischen Toronto ausgesagt. Damals wie heute ist es Schreibers Pech und das Glück der CSU, dass er keine Beweise für seine Behauptungen vorlegen kann. »Karlheinz Schreiber hat hierzu betont, dass es bei verdeckten Finanztransaktionen dieser Art in der Natur der Sache liege, keine Belege und Dokumente anzufertigen«, heißt es dazu in der Niederschrift über Schreibers Zeugenaussage in der Residenz des deutschen Generalkonsuls.


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