SAUERLANDGRUPPE Gericht verurteilt verhinderte Attentäter wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Die Worte Otmar Breidlings fallen bitter aus. Der Prozess gegen die sogenannte Sauerland-Gruppe habe "mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, zu welchen Taten hasserfüllte, verblendete und von verqueren Dschihadideen verführte junge Menschen bereit und in der Lage sind", sagte der Vorsitzende Richter am 65. und letzten Verhandlungstag. In den Köpfen der Angeklagten habe die Vorstellung von einem "zweiten 11. September" herumgespukt. Wenn sie in der Lage gewesen wären, ihre Pläne zu verwirklichen, "hätte es ein ungeheures Blutbad gegeben mit einer unübersehbaren Vielzahl von Toten und Verletzten".

Nach rund zehnmonatiger Verhandlung sprach gestern der 6. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts sein Urteil gegen die vier verhinderten Dschihadisten. Fritz Martin Gelowicz, der Kopf der Gruppe, muss ebenso wie Daniel Schneider für zwölf Jahre hinter Gitter, Adem Yilmaz für elf. Sie seien schuldig der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, der Verabredung zum vielfachen Mord und der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens. Der 24-jährige Schneider wurde zudem wegen versuchten Mordes verurteilt, da er bei seiner Festnahme auf einen Polizisten geschossen hatte. Attila Selek erhielt wegen der Unterstützung des Trios eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Die Angeklagten nahmen das Urteil ohne sichtbare Gefühlsregung auf.

Mit seinem Spruch blieb das Gericht nur leicht unter den von der Bundesanwaltschaft geforderten Haftstrafen von fünfeinhalb bis dreizehn Jahren. Aufgrund der Geständnisse ihrer Mandanten hatten die Verteidiger hingegen jeweils für erheblich geringere Strafen plädiert. Auch das Gericht habe die umfangreichen Aussagen der Angeklagten "deutlich strafmildernd" gewertet, hob Richter Breidling hervor. Dadurch sei es möglich geworden, einen "außergewöhnlich breiten und tiefen Einblick" in die Zusammenhänge des islamistischen Terrorismus und speziell der Strukturen der Islamischen Dschihad Union (IJU) zu erhalten. Allerdings sei ein milderes Urteil trotzdem nicht infrage gekommen, da aufgrund des Ausmaßes an krimineller Energie das Gericht "nichts zu verschenken" gehabt hätte.

Gelowicz und Schneider stammen beide aus gutbürgerlichen Elternhäusern. Familiäre und schulische Probleme sowie pubertäre Sinnsuche führten sie über Freunde zum Islam. Der heute 30-jährige Gelowicz konvertierte 1995. Seine Radikalisierung erfolgte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Umfeld des sogenannten Multikulturhauses in Neu-Ulm, einem inzwischen verbotenen Zentrum der islamistischen Szene. Hier traf er auf Attila Selek, der in ihm einen "großen Bruder" sah. Mittlerweile prüft die Stadt Ulm, ob dem 25-Jährigen die deutsche Staatsbürgerschaft, die er 2005 bekommen hat, wieder entzogen werden kann. Der frühere Messdiener Schneider trat 2004 zum Islam über. Der Neunkirchener entschied sich für den Dschihadismus nach dem Bekanntwerden der Gräueltaten in Abu Ghraib.

Der im Nordosten Anatoliens geborene und im hessischen Langen aufgewachsene Adem Yilmaz absolvierte vor seiner islamistischen "Karriere" eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn, arbeitete als Schaffner, später als Kaufhausdetektiv. Vor dem Hintergrund der Kriege im Irak und in Tschetschenien entschloss er sich, selbst in den bewaffneten Kampf zu ziehen. Yilmaz, der sich 2003 vergeblich um die deutsche Staatsbürgerschaft bemüht hatte, droht nach der Verbüßung seiner Haft die Ausweisung in die Türkei.

Trotz ihrer mörderischen Absichten, ging eine ernsthafte Gefahr von den vier Möchtegern-Gotteskriegern nicht aus. Eine Chance, ihre Anschlagspläne in die Tat umzusetzen, bestand zu keinem Zeitpunkt. Denn bis zu der spektakulären Festnahme von Gelowicz, Yilmaz und Scheider im September 2007 im sauerländischen Mebach-Oberschledorn waren sie bereits monatelang engmaschig überwacht worden. Keines ihrer Gespräche blieb unbelauscht, keine E-Mail ungelesen. Das von der Gruppe zum Bombenbau gekaufte Wasserstoffperoxid tauschten die Fahnder frühzeitig durch eine ungefährliche Lösung aus.

Breidling lobte die Arbeit der Ermittlungsbehörden, denen "in ganz besonderer Weise Respekt gezollt" werden müsse. Das gelte auch für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst. Die Dienste seien "unverzichtbar bei der Aufdeckung islamistischer dschihadistischer Strukturen".