Westerwelle denkt nicht daran, sich wegen seiner umstrittenen Reisedelegationen zu erklären. Er wittert eine Kampagne von Journalisten, Sozialisten und Kommunisten.

Guido WesterwelleGuido Westerwelle bleibt sich treu. Statt sich für die umstrittene Delegationsauswahl auf seinen Auslandsreisen zu rechtfertigen, setzt der angeschlagene FDP-Vorsitzende und Vizekanzler auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Liberalen in Siegen mit scharfen Attacken auf Angriff gegen die böse Opposition und die böse veröffentlichte Meinung, die ihm angeblich so übel mitspielen. "The published opinion is not always the public opinion", ruft Westerwelle am Sonntag spöttisch in Richtung der Pressetische. "Um es auf Deutsch zu sagen: Ihr kauft mir den Schneid nicht ab, das verspreche ich euch."

Selbstkritik? Fehlanzeige. Es sei ein bisher "einmaliger Vorgang", dass die Opposition einen Außenminister während einer Auslandsreise derart attackiere, weil jeder wisse, "dass man sich nicht wehren kann", empört sich Westerwelle. "Das schadet den Interessen unseres Landes." Er werde sich davon jedoch nicht beirren lassen: "Ich werde auch in Zukunft der deutschen Wirtschaft und insbesondere dem Mittelstand in anderen Ländern die Türen öffnen."

Konkreter geht Westerwelle in seiner rund einstündigen Rede nicht auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein, er begünstige bei seinen Dienstreisen FDP-Spender, Freunde und die Familie. Auch die Journalisten, die ihn zur Zusammensetzung seiner Reisebegleitung befragen wollten, lässt er einfach stehen.

Westerwelle gibt sich unbeirrt. Während vor den Türen der Siegerlandhalle Greenpeace und Grüne Jugend demonstrieren, schließt er im Saal die freidemokratischen Reihen. Bei seinem ersten offiziellen Auftritt nach Rückkehr von seiner Südamerikareise zelebriert er sich als unbeugsames Opfer einer rot-rot-grünen Verschwörung: "Diese ganzen Kampagnen, diese ganzen Manöver haben ein einziges Ziel: Sie wollen in Nordrhein-Westfalen eine linke Mehrheit schaffen", blafft der FDP-Chef. "Darum geht es doch in Wahrheit!" Deshalb wolle die Opposition acht Wochen vor dem Urnengang an Rhein und Ruhr mit solch "sehr unappetitlichen Maßnahmen" der FDP schaden.

"Ich finde das nur noch unanständig", fügt der von der Kritik an ihm sichtlich genervte Politiker hinzu. Die Angriffe gegen ihn würden nur eins zeigen: "Wenn links regiert, hat dieses Land auch keine politische Kultur mehr." Als wolle er das Land am 9. Mai vor dem Bolschewismus retten, schwört Westerwelle seine Partei auf den Kampf gegen das Zustandekommen eines rot-rot-grünen Bündnisses in Düsseldorf ein. Er wolle nicht, dass in NRW "zwanzig Jahre nach der deutschen Einheit Sozialisten und Kommunisten etwas zu sagen haben", rief Westerwelle unter tosendem Beifall aus. "Wir werden das verhindern!"

Auch inhaltlich hält Westerwelle Kurs. So bekräftigt er sowohl die Forderung der FDP nach weiteren Steuersenkungen als auch seine Äußerungen zur Sozialpolitik. Zwar sagte der FDP-Chef diesmal nichts von der "spätrömischen Dekadenz" der Hartz-IV-Bezieher, ließ aber erneut keinen Zweifel daran, dass arbeitsfähige Empfänger staatlicher Unterstützung zu "Gegenleistungen" bereit sein müssten. Wenn versucht werde, seine Haltung zu "Leistungsgerechtigkeit" und zu Hartz IV an den rechten Rand zu drängen, "dann ist die Diskussion zu weit links". Die FDP sei jedenfalls auf dem richtigen Kurs. "Unsere Aufgabe ist es nicht, beliebig zu werden."

Es gehe in der Bundesrepublik um einen "Kampf der Geisteshaltungen": "Der Veränderungswille muss sich über den Geist der Verharrung erheben, das ist unsere Aufgabe", gibt sich Westerwelle philosophisch. Die Parteibasis dankt es ihm mit Standing Ovations.