28.04.2010 |
Startseite taz |
Keiner geht k.o. |
Von Pascal Beucker |
NRW-WAHL Bei ihrem TV-Duell mit Jürgen Rüttgers ist die SPD-Frontfrau Hannelore Kraft zwar die angriffslustigere Person. Doch insgesamt bleibt die Debatte erstaunlich moderat.
Ein Duell - zwei Sieger? Der große Showdown
ist erst wenige Minuten vorbei, da vermelden die Parteizentralen
bereits, wer gewonnen hat. "Klarer Punktsieg für Jürgen Rüttgers",
verkündete der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Andreas
Krautscheid. "Hannelore Kraft gewinnt TV-Duell", konterte sein
SPD-Pendant Michael Groschek. Doch auch
nach dem Schlagabtausch zwischen den beiden Bewerbern um den
Ministerpräsidentenjob im größten Bundesland bleibt das Rennen
völlig offen. Den ultimativen K.o.-Schlag konnte Montagabend in der
Kölner Vulkanhalle keiner landen. Noch vor ein
paar Monaten seines Sieges sicher, muss Amtsinhaber Rüttgers
inzwischen um seine Wiederwahl bangen und wirkt beim Duell
angespannt. Alle Demoskopen sagen für den 9. Mai den Verlust seiner
schwarz-gelben Landtagsmehrheit voraus, falls die Linkspartei den
Sprung ins Parlament schafft. Und die
SPD-Oppositionsführerin, die er lange Zeit nicht wirklich ernst
genommen hatte, liefert Rüttgers einen Schlagabtausch auf Augenhöhe.
Sie agiert nicht aggressiv, zeigt sich aber angriffslustig und
schafft es das ein oder andere Mal, Rüttgers in die Defensive zu
treiben. Beispiel
Studiengebühren: "Die Tatsache, dass wir heute 14.000 mehr
Studienanfänger haben, zeigt ja, dass das nicht abschreckt",
behauptet Rüttgers. Der Anstieg läge an den geburtenstarken
Jahrgängen, kontert Kraft. Prozentual würden jedoch innerhalb eines
Jahrgangs weniger junge Menschen ein Studium beginnen. "Das heißt,
Studiengebühren schrecken ab." Ohnehin gibt
Rüttgers beim Thema Bildung keine gute Figur ab. Zwar verspricht er:
"Jedes Kind soll die Chance zum sozialen Aufstieg bekommen." Aber
gleichzeitig verteidigt er starrköpfig das dreigliedrige Schulsystem
und warnt vor einem "Schulkrieg". "Im jetzigen System sitzen die
Kinder ab zehn Jahren in den Schubladen und kommen da nicht mehr
raus", hält ihm Kraft vor. Sie plädiert für ein
Gemeinschaftsschulmodell. Insgesamt
eine Stunde dauert der Disput. Der Umgang miteinander ist gepflegt.
Fast könnte man den Eindruck gewinnen, hier bereiten sich zwei auf
eine große Koalition vor. Doch Kraft erarbeitet sich einen leichten
Sympathievorsprung, als sie selbstkritisch wird: "Wir sind 2005
abgewählt worden, weil wir nicht alles richtig gemacht haben." Wirklich
punkten kann Rüttgers nur kurz vor Schluss, als es um den Umgang mit
der Linkspartei geht, die große Schwachstelle seiner Herausforderin.
"Frau Kraft muss nur noch beantworten, wie sie es mit
extremistischen Parteien hält", nutzt Rüttgers seine Chance. Man
müsse klar sagen, "dass man sich mit den Extremisten nicht abgibt".
Die SPD-Frontfrau erwidert mit bekannten Plattitüden, verkündet, die
Linkspartei aus dem Landtag halten zu wollen. Schließt aber eine
Koalition mit ihr nicht definitiv aus. Verteidigen gegen die
Extremismuskeule von rechts will sie die linke Konkurrenz jedoch
auch nicht. Nur passt das nicht zusammen. Kraft hätte
sich entscheiden müssen. Sie tut es nicht - und geht prompt in die
Falle. Von den Moderatoren auf eine mögliche schwarz-grüne
Zusammenarbeit angesprochen, antwortet Rüttgers: "Ich möchte nicht
mit den Grünen koalieren." Kraft setzt nach: "Aber das ist auch
keine Klarheit, Herr Rüttgers." Ein Fehler, den ihr Kontrahent
eiskalt nutzt: "Ja, ich habe nur nicht das Problem wie Sie, mich
abgrenzen zu müssen von einer extremistischen Partei, weil die
Grünen eine demokratische Partei sind." Das Thema
werden beide am heutigen Mittwochabend weiter diskutieren. In
Mönchengladbach treffen Rüttgers und Kraft ein letztes Mal vor der
Wahl aufeinander. Es dürfte schärfer zur Sache gehen: Mit dabei sind
auch die Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und Linkspartei. |
© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren. |