LANDTAG SPD-Spitzenkandidatin Kraft jubelt: "Die SPD ist wieder da." Doch Gewinner dieser Wahl sind die Grünen.

Hannelore KraftDÜSSELDORF taz | Riesiger Jubel bei den Sozialdemokraten, Schockstarre bei der CDU: Nach der NRW-Landtagswahl hat SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft die Chance, erste Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslands zu werden. Dabei hätte zu Beginn des Wahlkampfs niemand auf die 48-Jährige aus Mülheim gewettet. Jetzt ist Kraft obenauf: Mehr als 34,5 Prozent - die SPD hat die CDU fast eingeholt. "Die SPD ist wieder da", jubelt die Sozialdemokratin in einer ersten Reaktion. Zerknirscht muss der amtierende CDU-Regierungschef Rüttgers seine Niederlage einräumen: "Das ist ein ganz bitteres Ergebnis", sagt er. "Ich persönlich trage die politische Verantwortung für dieses Ergebnis."

Unklar blieb zunächst allerdings, ob die SPD stark genug für ein Bündnis mit den Grünen allein abgeschnitten hat. Falls nicht, bliebe ihr nur die große Koalition - oder Rot-Rot-Grün. Doch ob Kraft den Tabubruch wagt und versucht, die bisher im Landtag nicht vertretene Linkspartei in die Regierung zu holen, wird sich frühestens am Montag entscheiden: Bisher hatte Kraft die NRW-Linke stets als "weder koalitions- noch regierungsfähig" bezeichnet. Am Nachmittag will der SPD-Landesvorstand über die weitere Marschrichtung entscheiden - sollte es für ein rot-grünes Bündnis allein nicht reichen. Die Grünen jedenfalls wollten Rot-Rot-Grün in ersten Reaktionen nicht ausschließen.

Eine "Stimmung wie im Kühlschrank" diagnostizierten Reporter dagegen in der CDU-Landesgeschäftsstelle in der Wasserstraße. Mit einem schlechten Ergebnis hatten die Christdemokraten gerechnet. Aber so schlecht? Nur 34,6 Prozent, ein beispielloser Absturz: Noch nie schnitt die nordrhein-westfälische CDU in der Geschichte des Landes schlechter ab. Vor fünf Jahren lagen die Christdemokraten noch bei 44,8 Prozent. Nach nur einer Legislaturperiode ist das schwarz-gelbe Experiment an Rhein und Ruhr beendet - und die politische Karriere von Jürgen Rüttgers wahrscheinlich auch. Er selbst versicherte aber, "zu Gesprächen bereit" zu sein. Er sei "zutiefst überzeugt, dass NRW stabil regiert" werden müsse - dies könne aber "nicht mit extremistischen Parteien geschehen". Noch hofft der selbsternannte Arbeiterführer wohl auf Rettung durch eine große Koalition.

Verbissen hatte sich Rüttgers in den letzten Tagen gegen die drohende Niederlage gestemmt. Doch sein Angstwahlkampf gegen das rot-rote Gespenst hat nichts genutzt: Gegen die Whistleblower in den eigenen Reihen, die Rüttgers' Sponsoringaffäre um verkaufte Gespräche mit ihm ebenso öffentlich machten wie den nachfolgenden CDU-Spendenskandal, hatte er kaum eine Chance.

Klarer Sieger der NRW-Wahl aber sind die Grünen. Sie konnten ihr Ergebnis von 2005 fast verdoppeln und liegen jetzt bei 12,1 Prozent. Doch ob es für eine Regierungsbeteiligung reicht, war bis Redaktionsschluss unsicher. Gleichwohl: Verschiedene Hochrechnungen sahen sogar Möglichkeiten für eine rot-grüne Mehrheit im Landtag. Den Grünen könnte in NRW damit eine Schlüsselrolle zukommen. "Sowohl zur CDU wie auch zur Linkspartei sind wir gesprächsbereit", so die bereits als "Königsmacherin" gefeierte grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann.

Als größter Verlierer der Wahl stehen die Liberalen fest: Sie werden an einer künftigen Landesregierung nicht mehr beteiligt sein. Sie liegen bei 6,7 Prozent knapp über ihrem Wahlergebnis von 2005. Dabei hatte das fulminante Ergebnis der Bundestagswahl, bei der die FDP auch in NRW über 14 Prozent der Stimmen holte, die Erwartungshaltung der Partei in unerreichbare Höhen geschraubt: Man setzte noch Tage vor der Wahl auf ein Ergebnis von "10 Prozent plus x". Doch machten die Liberalen unter Führung Pinkwarts, der in der Landesregierung das Ressort für Hochschule und Forschung führte, im Wahlkampf von Anfang an eine unglückliche Figur: Eine Revolte des 49-Jährigen gegen die Steuererleichterungen für Hoteliers und damit gegen den FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle floppte schon Ende Januar. Die Liberalen wurden als "Mövenpick-Partei" und Pinkwart selbst als Umfaller wahrgenommen.

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Um 18 Uhr bricht in der Jugendherberge im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel frenetischer Jubel aus. Hier, am weitesten vom Landtag entfernt auf der anderen Rheinseite, haben sich die Anhänger der Linkspartei versammelt. Von der politischen Konkurrenz waren sie im Wahlkampf als "Extremisten", "Spinner" und "Chaoten" verunglimpft worden. Jetzt feiern sie ausgelassen - und haben allen Grund dazu. Erstmalig seit 1950 ist einer Partei links von der SPD der Einzug in das Düsseldorfer Parlament gelungen. Seinerzeit kam die KPD auf 5,5 Prozent, jetzt landet die Linkspartei bei 5,6 Prozent. "Wir haben unser Wahlziel erreicht", strahlt Wolfgang Zimmermann. "Das ist ein riesengroßer Erfolg", sagt der 60-jährige Linken-Landesvorsitzende, der gemeinsam mit der 54-jährigen Förderschullehrerin Bärbel Beuermann die Landesliste angeführt hat. Falls es für SPD und Grüne alleine nicht reiche, sei seine Partei zu Gesprächen bereit. "Aber die SPD muss auf uns zukommen", betont Zimmermann. "Wir wollen einen Politikwechsel."