22.05.2010

Startseite
taz

 Rot-Grün zieht Schlussstrich in NRW
Von Pascal Beucker

KOALITION Sondierung mit der Linken gescheitert. Keine Chance mehr für Regierungsbeteiligung der Grünen.

Bärbel BeuermannRot-Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist passé. Rund fünf Stunden hatten SPD und Grüne mit der Linkspartei am Donnerstag hinter verschlossenen Türen in einem Düsseldorfer Hotel getagt. Dann war das Linksbündnis zu den Akten gelegt. SPD und Grüne seien gemeinsam zu dem Schluss gekommen, "dass es keinen Sinn macht, die Sondierungsgespräche fortzusetzen oder in Koalitionsverhandlungen einzusteigen", sagte die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft. Es habe sich ihre Einschätzung bestätigt, dass die Linkspartei "in der jetzigen Verfassung weder regierungs- noch koalitionsfähig" sei.

Es sei "ein sehr ernüchterndes Gespräch" gewesen, sekundierte die grüne Landtagsfraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Deshalb sei auch ihre Partei dafür gewesen, "lieber heute einen klaren Schlussstrich zu ziehen". Die Spitze der NRW-Linkspartei gab hingegen den anderen beiden Parteien die Schuld für das Misslingen. "Ein Politikwechsel ist heute an Rot-Grün gescheitert", sagte Linken-Landessprecherin Schwabedissen. "Es wurde für NRW eine große Chance vertan." Landtagsfraktionschef Zimmermann sprach von "offensichtlichen Scheingesprächen".

Offenkundig klappte es schon atmosphärisch nicht. Von Anfang herrschte eine große Spannung zwischen den insgesamt 16 rot-grünen Unterhändlern auf der einen und den 8 Linksparteiemissären auf der anderen Seite. "Es war eine einzige Katastrophe", sagte SPD-Vizelandeschef Jochen Ott der taz. Es habe nichts zusammengepasst.

Das manifestierte sich bereits in einer ausufernden Diskussion über die DDR direkt zu Beginn des Sondierungsgesprächs: Zweieinhalb Stunden stritten sich die Parteien über den 1990 verblichenen Arbeiter-und-Bauern-Staat, ohne auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. SPD und Grüne verlangten, die DDR als "Unrechtsstaat" zu klassifizieren. Damit jedoch taten sich die Linksparteiler schwer. "Die sagten immer nur: Ja, aber in der BRD gab es die Verfolgung von Kommunisten", berichtet Ott verständnislos. "Bei jedem dritten Satz wurde eine Relativierung hinterhergeschoben."

Auch Kraft und Löhrmann kritisierten unisono, es habe "sehr viel relativierende Äußerungen" gegeben. "Dies war ein wesentliches Hindernis", sagte Kraft. Die Sicht der Linkspartei ist eine andere. "Wir haben nichts relativiert", beteuert Schwabedissen. "Wir waren bereit, den Satz zu unterschreiben: Die DDR war keine Demokratie, die DDR war eine Diktatur." Das habe den anderen jedoch nicht genügt.

Das Problem: Was Sozialdemokraten und Grüne als relativierende "Retourkutsche" erschien, tangierte für manch Linkspartei-Delegationsmitglied unmittelbar die eigene persönliche Geschichte. So gehörte zu den tausenden Kommunisten, die während der Adenauer-Ära aufgrund des KPD- und FDJ-Verbots in den Knast gesteckt wurden, auch der Vater der Linken-Schatzmeisterin Nina Eumann. Nicht einmal 20 Jahre alt war der damalige FDJ-Sekretär, als er Mitte der Fünfzigerjahre wegen seiner Überzeugung eingesperrt wurde.

Allerdings war die DDR-Frage nicht die einzige unüberwindliche Hürde. Auch beim Thema Verfassungsschutz - die Linkspartei in NRW wird immer noch von ihm überwacht - ließ sich kein Konsens finden. Es habe kein gemeinsames Verständnis gegeben, "dass der Verfassungsschutz als Instrument zur Sicherstellung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger notwendig ist", hieß es dann von grüner Seite.

Der nächste Knackpunkt: Wie verlässlich wäre die Linkspartei in einer Koalition? SPD und Grüne verlangten, angesichts der Haushaltslage müsse die Linkspartei bereit sein, auch schmerzhafte Einsparungen mitzutragen. Die linken Parlamentsneulinge wollten hingegen keine Blankoschecks ausstellen.

Als die Linken-Vertreter zudem nicht garantieren wollten, dass ihre Partei in schwierigen Situationen darauf verzichtet, auch gegen ihre Fraktion und eine gemeinsame Regierung beispielsweise zu Demos zu mobilisieren, reichte es Sozialdemokraten und Grünen endgültig. "Für ein stabiles und verantwortungsbewusstes Regierungshandeln im größten Bundesland mit den Herausforderungen der kommenden Zeit ist es aus unserer Sicht untragbar, dass die Linke damit Regierung und Opposition in einem sein will", heißt es in einem Brief der Grünen-Parteivorsitzenden Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke sowie von Landtagsfraktionschefin Löhrmann an die Parteibasis. Die Linkspartei sei "nicht sicher und erfahren genug, um eine gemeinsame Regierung zu tragen, und nicht in der Lage, die an sie gestellten Erwartungen an ein verantwortungsbewusstes Regierungshandeln zu erfüllen".

Die nötigen Erfahrungen kann die Linkspartei jetzt in der Opposition sammeln - gemeinsam mit den Grünen, deren Traum von einer Regierungsbeteiligung ebenfalls ausgeträumt ist.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei dem Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autoren.