NRW Kraft mache sich zur Geisel der Linkspartei, wirft Ministerpräsident Rüttgers der SPD-Chefin vor. SPD und Grüne wollen möglichst rasch ein Regierungsprogramm erarbeiten.

Die Ankündigung der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft, nun doch eine Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen bilden zu wollen, sorgt für empörte Reaktionen im schwarz-gelben Lager. Nochministerpräsident und CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers warf der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft am Donnerstagabend in der Staatskanzlei "die schlimmste Wählertäuschung" in der Geschichte des Landes vor. Sie mache sich "zum Spielball" und zur "Geisel" der Linkspartei.

Von einem "Verrat an den Idealen der Sozialdemokratie" sprach gar CDU-Landesgeneralsekretär Andreas Krautscheid. "Die Bindung an die Linkspartei ist eine Kampfansage an die demokratischen Parteien."

Der Schock sitzt tief bei der Union über den überraschenden Richtungswechsel Krafts. Offensichtlich wurde die CDU auf dem falschen Fuß erwischt. Noch am Mittwoch hatte die SPD-Frontfrau angekündigt, sie wolle vorerst keine Minderheitsregierung bilden, sondern zunächst einen "Politikwechsel" aus dem Landtag heraus herbeiführen. Damit wäre der Christdemokrat Rüttgers geschäftsführend im Amt geblieben. Unklar ist, ob er nun bei der für den 13. oder 14. Juli geplanten Wahl gegen Kraft kandidieren wird. Der Vorstand der nordrhein-westfälischen CDU trifft sich am Samstag.

Als "absurd" bezeichnete FDP-Landeschef Andreas Pinkwart das von Kraft als Begründung ihres Schwenks vorgebrachte Argument, er habe die schwarz-gelbe Koalition aufgekündigt. Es sei "ja ganz offensichtlich, dass Frau Kraft als Getriebene in diesem Prozess ein Argument suchen musste, um ihre überraschende Kehrtwende überhaupt nur begründen zu können", sagte Pinkwart im Deutschlandradio.

Unterdessen laufen bei SPD und Grünen die Vorbereitungen zur Regierungsübernahme. Am Dienstagmittag wollen sich die Verhandlungskommissionen erstmalig in Düsseldorf treffen, um über einen Koalitionsvertrag zu beraten. Ziel beider Parteien ist es, möglichst schnell ein gemeinsames Regierungsprogramm zu verabreden. Schon in drei Wochen sollen Parteitage das Papier billigen. Es gehe um eine Vereinbarung für die gesamte neue Legislaturperiode und nicht nur um ein Überbrückungsprojekt bis zu schnellen Neuwahlen, versicherte der SPD-Landtagsfraktionsvize Norbert Römer.

Ob SPD-Chefin Kraft bei ihrer Kandidatur als Ministerpräsidentin Mitte Juli auch mit den Stimmen der Linkspartei rechnen kann, ist noch unklar. Die Fraktion habe sich noch nicht entschieden, ob sie für Kraft stimmen wird oder sich bei der Wahl im Landtag enthält, sagte Landtagsfraktionschef Wolfgang Zimmermann. Die Ablösung von Schwarz-Gelb werde jedoch auf keinen Fall an der Linkspartei scheitern. Rot-Grün fehlt ein Landtagssitz zur absoluten Mehrheit.