29.12.2010

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taz

 Oberpleite, Oberhausen
Von Pascal Beucker

PLEITESTADT Wie lebt es sich in jener deutschen Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung?

Der Bücherbus fährt nicht mehr, das Musiktheater ist schon vor langem geschlossen worden, auch vier der einst sieben städtischen Bäder sind dicht - Oberhausen ist pleite. Und nichts davon hat etwas genutzt, ebenso wenig wie die Streichung von mehr als tausend öffentlichen Stellen oder die Schließung von Schulen und Sportstätten.

Mit der Schließung der Kohlezechen und Stahlwerke ging es mit der im westlichen Ruhrgebiet gelegenen Stadt vor Jahrzehnten abwärts. Zehntausende Arbeitsplätze fielen weg, ebenso Steuereinnahmen. Dagegen stiegen die Sozialausgaben drastisch. Die Stadt musste immer wieder hohe Kredite aufnehmen, entsprechend hoch ist der Altschuldenbestand. Bis heute hat sich Oberhausen vom erzwungenen Strukturwandel nicht erholt, trotz moderner Anziehungspunkte wie CentrO, Sealife-Center und Gasometer. Die Arbeitslosenquote lag im November 2010 bei elf Prozent und damit deutlich über dem Landes- und Bundesdurchschnitt.

Auf 1,8 Milliarden Euro belaufen sich die Schulden und übersteigen deutlich das städtische Vermögen, inklusive des kompletten Besitzes der Kommune. Umgerechnet auf die 212.000 Einwohner der Stadt bedeutet das fast 8.000 Euro pro Kopf - die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Die rot-grün regierte Stadt ist quasi nicht mehr handlungsfähig, wirtschaftet nur noch mit einem Nothaushalt und steht unter der Aufsicht der Düsseldorfer Regierungspräsidentin.

Das Ergebnis: Überall wurde kräftig gekürzt - von der Abschaffung von Dienstwagen für Beigeordnete bis zu Einschnitten im öffentlichen Personennahverkehr. So gilt der Nachtfahrplan bereits um 21 Uhr, ein Nachtbus fährt dann nur noch im Stundentakt. Zu den Sparmaßnahmen gehört auch, dass die städtischen Ämter zwischen Weihnachten und Silvester geschlossen bleiben. Derzeit gibt es nur ein paar Notdienste und Rufbereitschaften. "Die Betriebsferien sollen Kosten bei Personal und Energie sparen", teilt die Stadt mit.

Aber auch an der Einnahmeseite wurde kräftig gedreht. Gewerbesteuerhebesatz und Grundsteuerhebesatz wurden ebenso erhöht wie die Hundesteuer. Für Bordellbetreiber dachte sich die Stadt eine Sexsteuer von sechs Euro pro Zimmer und Tag aus.

Dennoch wird Oberhausen auch im kommenden Jahr neue Schulden aufnehmen müssen. Das reicht kaum für das Nötigste, geschweige denn für Investitionen. "Mittel für Investitionen stehen, wie in den Vorjahren, unter der klaren Maßgabe von Gefahrenabwehr, absolut gebotener Substanzerhaltung, Energieeinsparung und eindeutig nachgewiesener Wirtschaftlichkeit", betonte Stadtkämmerer Bernhard Elsemann (SPD) Mitte Dezember im Stadtrat bei der Einbringung des Haushalts 2011.


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