Gleichbleibende Qualität trotz 300
abgebauter Stellen? Eine Studie zu den Tageszeitungen der WAZ
forscht an der Realität vorbei.
Die Ergebnisse sind wenig
überraschend, manche Schlussfolgerung schon. Zwei Zeitungsforscher
haben die Folgen des zentralen Newsdesks für die Mantelteile der
Ruhrgebietstitel des WAZ-Konzerns
untersucht und ihre Studie Mitte Dezember veröffentlicht. Zu Unrecht
hätten viele Medienjournalisten, Gewerkschafter und Politiker der
WAZ
vorgeworfen, "dass das neue Redaktionsmodell unweigerlich zu einem
journalistischen Qualitätsverlust führen müsste", jubilierten die
WAZ-Zeitungen.
Der Umbau habe weder zu einer Verschlechterung der publizistischen
Vielfalt noch der journalistischen Qualität geführt. Stattdessen
habe die Untersuchung des emeritierten Dortmunder
Journalistik-Professors Günther Rager und seines Kollegen Lars
Rinsdorf von der Hochschule der Medien Stuttgart "zum
entgegengesetzten Ergebnis geführt". Doch das ist eine mehr als
gewagte These.
Rager und Rinsdorf haben die
Mantelberichterstattung von WAZ,
Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung
(NRZ) und
Westfälischer Rundschau
in jeweils zwei Berichterstattungswochen im Herbst 2008 kurz vor der
und im November 2009 nach der Einführung des Contentdesks
verglichen. Bei den Grundanforderungen wie Richtigkeit und
Aktualität hätten sich "kaum Unterschiede ergeben". Allerdings
hätten sich die Relevanz der Beiträge und die Vermittlungsqualität
"partiell gesteigert".
Was das Kriterium Relevanz betrifft, seien die
Befunde jedoch "durchwachsen". So würden die drei Titel seit der
Einführung des Contentdesks zwar häufiger als vorher nationale Themen
in die Region herunterbrechen, Alltagsbezüge hätten jedoch weiterhin
Seltenheitswert. In puncto Vermittlungsqualität loben die
Wissenschaftler hingegen, "dass die Texte in der zweiten
Untersuchungswelle einfacher und kürzer geworden sind". Gleichwohl
lasse sich fragen, "ob sich der beträchtliche Umfang der
Reorganisation aus publizistischer Sicht ausgezahlt hat".
In Bezug auf die publizistische Vielfalt fällt
das Urteil deutlich kritisch aus. Vor allem in der
Regionalberichterstattung im Mantel griffen die Redaktionen nun
"seltener Themen auf, die in den anderen beiden Titeln fehlen". Auch
bei bundespolitischen Themen "scheint sich die Perspektive
einzuengen".
Dass der
WAZ-Konzern die
Studie jetzt als Beleg anführt, die Vielfalt sei nicht eingeschränkt
worden, liegt an einer kuriosen Abschwächung, die Rager und Rinsdorf
vornehmen: Wer nur die WAZ,
die NRZ
oder die WR
lese, der bekomme "kein weniger differenziertes Bild aktueller
Diskurse als vor der Einführung des Newsweeks". Besser hätten sie
geschrieben: Wer vorher schon nichts von einer publizistischen
Vielfalt mitbekommen hat, vermisst sie nachher auch nicht.
Die größte Schwachstelle
ihrer von der Stiftung Pressehaus NRZ
und der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Studie ist allerdings,
dass sie ausgerechnet die Lokalteile der drei
WAZ-Blätter außer
Acht lässt – obwohl Rager und Rinsdorf selbst schreiben,
"selbstverständlich" seien diese "aus Sicht vieler Leser relevanter
als die Mantelberichterstattung". Genau hier setzte die
WAZ-Gruppe aber
den Rotstift an: Während die Mantelredaktion der
WAZ sogar
erheblich ausgeweitet wurde, ging der Abbau von rund 300
Redakteursstellen zu einem Großteil auf Kosten der Lokalredaktionen.
Die Leser jedenfalls haben
sich ihr eigenes Urteil über die Folgen des personellen Kahlschlags
gebildet: Vom vierten Quartal 2008 bis zum dritten Quartal 2010 sank
die von Montag bis Samstag verkaufte Gesamtauflage der
WAZ-Gruppe in NRW
von 860.675 auf 787.211 Exemplare – ein Minus von 8,54 Prozent.
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