| BND ließ Akten verschwinden.   Kaum hat die Unabhängige Historikerkommission 
		  zur Aufarbeitung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) 
		  ihre Arbeit aufgenommen, da stößt sie bereits auf Hindernisse. Die 
		  Zusicherung des deutschen Auslandsgeheimdienstes, in alle vorhandenen 
		  Materialien unbeschränkt Einsicht nehmen zu können, erweist sich als 
		  fragwürdig: Die Unterlagen sind gesäubert.
 Wie die Wissenschaftler 
		  jetzt feststellen mussten, wurde zuletzt 2007 brisantes Material 
		  beseitigt: Der BND entsorgte insgesamt 253 Personalakten, darunter 
		  rund 60 von ehemaligen Mitarbeitern, die nach Angaben des 
		  Kommissionssprechers Klaus-Dietmar Henke »in signifikanten 
		  geheimdienstlichen Positionen in der SS, dem SD oder der Gestapo tätig 
		  gewesen sind«.
 
 Der BND bestätigt den Vorgang. Die Akten seien 
		  »seinerzeit als nicht archivwürdig eingestuft« worden, heißt es. »Aus 
		  heutiger historiografischer Sicht ist der Bestandsverlust gleichwohl 
		  bedauerlich und ärgerlich.« Platzmangel soll der Grund für die 
		  skandalöse Aktion gewesen sein. Allerdings ist das kein Einzelfall. 
		  »Was wir sicher wissen, ist, dass der BND die ganzen Jahrzehnte über 
		  immer wieder Aktenverluste beklagen musste, warum auch immer«, sagte 
		  der Dresdner Historiker Henke.
 
 BRUNNER Erst im Sommer 
		  dieses Jahres kam heraus, dass der BND Mitte der 90er-Jahre die Akte 
		  des SS-Verbrechers Alois Brunner getilgt hatte. 581 Seiten 
		  verschwanden über jenen Österreicher, der als Adolf Eichmanns »bester 
		  Mann« mitverantwortlich war für die Deportation von rund 128.500 
		  Juden. Nach wie vor besteht der Verdacht, dass Brunner, der Mitte der 
		  50er-Jahre in Syrien untertauchte, zumindest zeitweilig auf der 
		  Soldliste des BND stand. Besonders abwegig wäre das nicht: Schließlich 
		  arbeiteten auch Klaus Barbie, der »Schlächter von Lyon«, oder 
		  SS-Standartenführer Walther Rauff, der Erfinder des »Gaswagens«, nach 
		  dem Krieg gegen Bezahlung für den Dienst. Rauffs Tätigkeit für den BND 
		  musste Pullach Mitte September einräumen.
 
 Hervorgegangen ist der BND 
		  1956 aus der »Organisation Gehlen«, benannt nach dem früheren Leiter 
		  der Aufklärungsabteilung »Fremde Heere Ost« der Wehrmacht, Reinhard 
		  Gehlen. Nach einer Anfang der 50er-Jahre durchgeführten Untersuchung 
		  der CIA hatten bis zu 28 Prozent der Mitarbeiter des BND-Vorgängers 
		  der NSDAP angehört.
 
 Anlässlich des 50-jährigen Bestehens 2006 hatte 
		  der damalige BND-Präsident Ernst Uhrlau angekündigt, die trübe 
		  Entstehungs- und Frühgeschichte des Diens-tes umfassend aufarbeiten zu 
		  lassen.
 
 Ein erster Anlauf scheiterte jedoch 2008: Der 
		  von dem Sozialdemokraten Uhrlau beauftragte Erlanger Historiker Gregor 
		  Schöllgen gab entnervt auf, nachdem er sich mit BND und Kanzleramt 
		  weder über die personelle und finanzielle Ausstattung des Projekts 
		  noch über die zu erforschende Zeitspanne hatte verständigen können.
 
 Seit Februar untersucht nun eine vierköpfige Historikerkommission die 
		  BND-Geschichte bis 1968. Neben Henke, der bereits die Untersuchung zum 
		  Raubgold der Dresdner Bank geleitet hat, gehören ihr der Marburger 
		  Geheimdienstspezialist Wolfgang Krieger, der Potsdamer 
		  Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller und der Kölner 
		  Außenpolitikexperte Jost Dülffer an. Ausgestattet ist das auf vier 
		  Jahre angelegte Projekt mit einem Finanzrahmen von bis zu 1,5 
		  Millionen Euro. Unterstützt werden sollen die Wissenschaftler von 
		  einer BND-internen Arbeitsgruppe.
 
 U-BOOTE Dass der jetzt 
		  bekannt gewordene Aktenschwund politisch motiviert ist, daran wollen 
		  die Professoren nicht glauben. Er könne sich »bei aller Kritik nicht 
		  vorstellen, dass es im Jahre 2007 im BND noch irgendwelche U-Boote 
		  gab, die NS-Vergangenheit vertuschen wollten«, sagt Henke. Er glaube 
		  »eher, es war Sorglosigkeit oder Leichtfertigkeit«.
 
 Bemerkenswert ist zumindest, dass die Kassation nur wenige Monate nach 
		  der Ankündigung Uhrlaus erfolgte, die braunen Wurzeln des Dienstes 
		  aufarbeiten zu lassen.
 
 Wie viel die Öffentlichkeit von dem erfahren 
		  wird, was die Kommission herausfindet, ist unklar. Veröffentlicht 
		  werden darf nur, was der BND freigibt. Von seiner Seite aus seien 
		  »keinerlei Restriktionen« geplant, hatte Uhrlau versprochen. Doch es 
		  gibt Rücksicht auf Sicherheitsinteressen, die Belange von 
		  »Partnerdiensten« und Persönlichkeitsrechte. Am Mittwoch wurde Uhrlau 
		  in den Ruhestand verabschiedet. Es gibt Zweifel, ob auch sein 
		  Nachfolger Gerhard Schindler (FDP) sich mit der gleichen Verve um 
		  Transparenz bemühen wird.
 
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