19.01.2011

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taz

 Richter stoppen Nachtragshaushalt
Von Pascal Beucker

ETAT Die Eilentscheidung des Gerichts ist ein herber Rückschlag für die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW.

Norbert Walter-BorjansDie rot-grüne Minderheitskoalition in NRW kassiert ihre erste große Niederlage. Per einstweilige Anordnung untersagte das Landesverfassungsgericht in Münster am Dienstag teilweise den weiteren Vollzug des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010. Bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit darf die Landesregierung keine weiteren Kredite auf der Basis des Nachtragsetats aufnehmen und auch nicht ihre Kassenbücher für 2010 abschließen.

Das Gericht folgte damit in Teilen dem Antrag von CDU und FDP, den die beiden Oppositionsfraktionen nach der Verabschiedung des Nachtragshaushalts Mitte Dezember eingereicht hatten. Damals hatte der Landtag mit den Stimmen von SPD, Grünen sowie einiger Abgeordneter der Linkspartei zusätzliche Kredite von 1,8 Milliarden Euro genehmigt - hauptsächlich zur Bildung von Rücklagen. Den größten Kostenpunkt bildet die milliardenschwere "Risikoabschirmung WestLB AG" für die angeschlagene Landesbank. Damit stieg die Neuverschuldung auf den Rekordwert von rund 8,4 Milliarden Euro. Für CDU und FDP ein Verstoß gegen die Verfassung.

Ob die Münsteraner Richter auch dieser Ansicht sind, wollen sie in den kommenden drei Monaten entscheiden. Für den 12. Februar haben sie zur mündlichen Verhandlung geladen. Mit Blick auf die zu erwartende endgültige Klärung bezeichnete es das Gericht als geboten, den unmittelbar bevorstehenden Haushaltsabschluss "um wenige Wochen hinauszuschieben".

Ohne die einstweilige Anordnung sei zu befürchten gewesen, dass "zwischenzeitlich auf der Grundlage einer möglicherweise verfassungswidrigen Ermächtigung Kredite in Milliardenhöhe aufgenommen worden wären", argumentieren die Richter. Eine Gefahr für die Handlungsfähigkeit der Regierung sei mit der Anordnung jedoch ebenso wenig verbunden wie eine Vorwegnahme der Entscheidung.

Tatsächlich ist es kein Erfolg auf der ganzen Linie, den CDU und FDP feiern können. Denn in einem entscheidenden Punkt ist das Gericht ihnen nicht gefolgt. CDU und FDP hatten die vollständige Aussetzung des Gesetzesvollzuges beantragt und auch gefordert, "bereits vollzogene Bewirtschaftungsmaßnahmen auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite vorläufig rückabzuwickeln". Das hätte de facto das Ende der Handlungsfähigkeit von Rot-Grün bedeutet. So weit wollten die Richter nicht gehen.

Rot-Grün dürfte mit einem blauen Auge davongekommen sein, denn sie haben bereits Fakten geschaffen, wie Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) vor einer Woche mitteilte: "Wie zuvor angekündigt, hat das Finanzministerium den vom Parlament beschlossenen Nachtragshaushalt ordnungsgemäß, im üblichen Verfahren, bis zum Ende des Haushaltsjahres vollzogen." Auch das Gericht bemerkt, "dass von den Ausgabeermächtigungen des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 in den letzten Tagen des Jahres 2010 bereits umfänglich Gebrauch gemacht worden ist".

Entsprechend gelassen reagierte Finanzminister Walter-Borjans. Selbstverständlich respektiere er die Entscheidung, um dann nachzuschieben: Das Gericht habe ausdrücklich festgelegt, dass es allerdings "weder der beantragten vollständigen Aussetzung des Gesetzesvollzugs noch der Rückgängigmachung aller bereits vollzogenen Bewirtschaftungsmaßnahmen bedarf".

Und auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat das Urteil des Verfassungsgerichtshofes zum Nachtragshaushalt zurückhaltend aufgenommen. "Es ist nicht der komplette Vollzug ausgesetzt worden", sagte sie am Dienstag in einem Interview auf WDR 5. Der Landesverfassungsgerichtshof in Münster habe im Wesentlichen geurteilt, dass keine neuen Kredite aufgenommen werden dürften.


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