GANZKÖRPERSCHLEIER Nach dem hessischen Vorbild will auch Niedersachsen die Burka aus dem öffentlichen Dienst verbannen. Wo liegen die Grenzen eines staatlichen Verbots?

Nach Hessen will jetzt auch Niedersachsen ein Burkaverbot für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst einführen. Sein Land prüfe derzeit eine entsprechende Regelung, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Sein hessischer Kollege Boris Rhein (CDU) hatte zuvor per Erlass den Landesbediensteten das Tragen eines islamischen Ganzkörperschleiers während der Arbeitszeit verboten. Die taz beantwortet die wichtigsten Fragen:

Kann der Arbeitgeber das Burkatragen überhaupt verbieten?

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst grundsätzlich auch Bekleidungsvorschriften. Allerdings müssen sie zumutbar sein.

Was sagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Nach dem AGG ist eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität dann zulässig, "wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist".

Was unterscheidet den öffentlichen Dienst von der Wirtschaft?

Das Tragen einer Burka im öffentlichen Dienst verstoße gegen die Neutralitätspflicht des Staates, begründet Hessen sein Verbot. Nach Ansicht des Staatsrechtlers Hans Michael Heinig hat der Bürger zudem ein Recht darauf zu wissen, wer ihm als Repräsentant des Staates gegenübertritt. Das vertrage sich nicht mit dem Tragen einer Burka. Das macht auch den fundamentalen Unterschied zum Kopftuch aus.

Wäre ein generelles Burkaverbot in Deutschland möglich?

Da die Burka zum religiösen Selbstverständnis einer - wenn auch äußerst minoritären - Richtung des Islams gehört, würde ein Komplettverbot gegen Artikel 4 des Grundgesetzes verstoßen, nach dem die Glaubensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind und die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird.

Wie viele Burkaträgerinnen gibt es in Deutschland?

Auch wenn es bislang keine statistische Erhebung darüber gibt: Es dürften verschwindend wenige sein, alleine schon deswegen, weil die weitaus überwiegende Mehrzahl der rund 4 Millionen Muslime hierzulande ihre Wurzeln in der Türkei hat, wo die Burka verpönt ist. In Frankreich, das im vergangenen Jahr ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit beschlossen hat, sollen es gerade mal 2.000 sein - von insgesamt 6 Millionen Muslimen.

Dürfen Burkaträgerinnen gegen ein Verbot demonstrieren?

Nicht, wenn sie dabei eine Burka tragen. Denn dann verstießen sie gegen das Versammlungsgesetz, das verbietet, an öffentlichen Veranstaltungen "in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen". Erlaubt ist die Burka allerdings bei Gottesdiensten unter freiem Himmel, kirchlichen Prozessionen, Bittgängen und Wallfahrten, gewöhnlichen Leichenbegängnissen, Zügen von Hochzeitsgesellschaften und hergebrachten Volksfesten. Denn für solche Veranstaltungen gilt das Vermummungsverbot nicht.