NORDRHEIN-WESTFALEN
Die Landes-CDU will Gesamtschulen nicht weiter bekämpfen.
Auf
ihrem langen Marsch hin zur schulpolitischen Realität an Rhein und
Ruhr ist die nordrhein-westfälische CDU einen Schritt vorangekommen.
Auf ihrem Landesparteitag am Samstag in Siegen verabschiedete sie
mit großer Mehrheit eine vorsichtige Neuausrichtung: Zwar hält die
Partei weiter unbeirrbar am gegliederten Schulsystem fest, will aber
trotzdem Gesamt- und Verbundschulen nicht weiterbekämpfen.
Eigentlich hatte die Veranstaltung ganz im
Zeichen der Schulpolitik stehen sollen. Dass das aufgrund der
atomaren Katastrophe in Japan jedoch kaum möglich sein würde,
demonstrierte der Auftritt des CDU-Landesvorsitzenden: Norbert
Röttgen versuchte sich an einem höchst komplizierten Balanceakt,
seine diversen Rollen unter einen Hut zu bringen - besorgter
Bundesumweltminister auf der einen, scharf attackierender
Oppositionsführer auf der anderen Seite.
So hielt Röttgen zunächst eine kurze, betroffene
Rede zu Japan, um dann keine zwanzig Minuten später in
aggressiv-kämpferischem Ton die rot-grüne Minderheitsregierung zu
geißeln. Lege diese keinen verfassungskonformen Haushalt für 2011
vor, werde die CDU erneut beim Landesverfassungsgericht klagen und
dies mit einem Antrag auf Neuwahlen verbinden, kündigte er an. Die
Staatsverschuldung sei die "ökonomische, politische und moralische
Grundauseinandersetzung" in NRW. Gleichzeitig signalisierte Röttgen
jedoch Rot-Grün ein Entgegenkommen in der Schulpolitik: "Wir bieten
der Landesregierung und dem Land einen Schulformfrieden an." So
richtig zusammen passte das alles nicht.
Dem jetzt verabschiedeten zehnseitigen
Schulkonzept unter dem Titel "Jedem Kind gerecht werden" war eine
monatelange Diskussion an der Basis vorausgegangen. Mehr als 700
Änderungsanträge lagen dem Parteitag vor. Besonders die positive
Bezugnahme auf die Gesamtschule im Ursprungsentwurf erregte die
Gemüter. Dort hatte es geheißen, die CDU sehe "in den Gesamtschulen
eine Bereicherung des Schulsystems". Das ging dem CDU-Landesvorstand
zu weit, der aus der "Bereicherung" ein "wichtiges Element" machte.
Aber zahlreichen Kreisverbänden war auch das
noch zu viel. Auch wenn sie bereit seien, "zur Bewahrung des
Schulfriedens um der Kinder willen die Entscheidungen zu
akzeptieren, die mit anderen politischen Mehrheiten beschlossen
worden sind", dürfe die CDU "aber zur Bewahrung der eigenen
Glaubwürdigkeit eine von ihr Jahrzehnte politisch bekämpfte
Institution nicht noch positiv hervorheben", argumentierten sie. Mit
Erfolg: In der beschlossenen Fassung sind die Gesamtschulen jetzt
nur noch "ein Element".
Eine wirkliche Kursänderung gibt es in der
Haltung zur Hauptschule. Zwar sieht die NRW-CDU in ihr weiterhin
"einen idealen Ort der Förderung von Kindern insbesondere mit
praktischen Befähigungen". Als Reaktion auf "die demografische
Entwicklung und auf die Akzeptanzprobleme" fordert sie aber nicht
weiter eine Bestandsgarantie. Stattdessen will sich die NRW-CDU nun
dafür einsetzen, "dass auch dort, wo aufgrund der Schülerzahlen
eigenständige Haupt- und Realschulen nicht mehr nebeneinander
bestehen können, möglichst wohnortnah, zum Beispiel in einer
Verbundschule, ein gegliedertes Schulangebot weiterhin gewährleistet
ist". Die im vergangenen Jahr abgewählte schwarz-gelbe
Landesregierung hatte solche Verbundschulen noch strikt blockiert.
Zur Unterstützung des von der grünen
Schulministerin Sylvia Löhrmann präferierten Modells einer
Gemeinschaftsschule konnten sich die Delegierten allerdings nicht
durchringen. Es sei ein "Irrweg, das gegliederte und schon jetzt
durchlässige Schulwesen aufzugeben und schleichend über
Schulversuche ein Einheitsschulwesen an seine Stelle treten zu
lassen". Schon alleine, dass auf dieser neuen Gemeinschaftsschule in
der 5. und 6. Klasse alle Schülerinnen und Schüler nach gymnasialen
Standards unterrichtet werden sollen, brachte
CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann kräftig in Rage. Unter
Beifall polterte er: "Wenn jemand Schlosser werden will, muss er
Dreisatz können und nicht eine dritte Fremdsprache."
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