19.05.2011

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taz

 Rot-Grün darf jetzt Geld ausgeben
Von Pascal Beucker

NRW-HAUSHALT Die rot-grüne Landesregierung hat es geschafft: Der heftig umkämpfte Haushalt ist verabschiedet. Die CDU kündigt erneut eine Klage an. Auf Neuwahlen verzichtet sie aber.

Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen hat ihre nächste Klippe genommen. Mit den Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linkspartei konnte sie am Mittwochnachmittag ihren ersten "eigenen" Haushalt durch den Düsseldorfer Landtag bringen. Neuwahlen sind damit vorerst vom Tisch. Rot-Grün sieht sich fest im Sattel: "Das wird eine ganz lange Strecke werden", prognostizierte SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer.

Von "308 Tagen erfolgreicher Arbeit" seit Amtsantritt der Regierung schwärmte Römer. Bei allen Abstimmungen hätten bisher die 90 Stimmen der rot-grünen Koalition gereicht. SPD und Grünen fehlen eine Stimme zur absoluten Mehrheit. Auch der grüne Fraktionschef Reiner Priggen zeigte sich wohlgestimmt: "Bei aller Arbeit: Die Bilanz ist positiv."

In der Landtagsdebatte hatten CDU, FDP und Linkspartei hingegen scharfe Kritik an dem von Rot-Grün vorgelegten Haushaltsentwurf geübt. Der CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann und sein FDP-Pendant Gerhard Papke prangerten vor allem die aus ihrer Sicht unakzeptable Neuverschuldung des Landes an. Demgegenüber warf Linksfraktionschef Wolfgang Zimmermann der Regierung vor, der Etat enthalte keine Konjunkturimpulse und keine Zukunftsinvestitionen. Gegenüber dem Etat der schwarz-gelben Vorgängerregierung sei die Akzentverschiebung zu moderat ausgefallen.

Der Haushalt für 2011 umfasst Ausgaben von 55,3 Milliarden Euro. Während die Investitionssumme 3,9 Milliarden Euro beträgt, liegt die Nettokreditaufnahme bei rund 4,8 Milliarden Euro. Ursprünglich war Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) in seinem ersten Entwurf noch von einer Neuverschuldung von 7,8 Milliarden Euro ausgegangen. Trotzdem liegt auch nach der Senkung die Nettoneuverschuldung mit 900 Millionen Euro über der in der Landesverfassung festgeschriebenen Kreditfinanzierungsgrenze. Der Gesamtschuldenstand Nordrhein-Westfalens lag Ende 2010 bei 131,2 und würde sich damit Ende dieses Jahres auf 136 Milliarden Euro summieren.

Wie schon bei dem Nachtragshaushalt 2010 will die CDU erneut Verfassungsklage einreichen, kündigte Laumann an. Mit Blick auf die von Rot-Grün beschlossene Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahres und der Abschaffung der Studiengebühren kritisierte er, es sei nicht an der Zeit, "Wohltaten" zu verteilen. Auf die Beantragung einer einstweilige Verfügung will er allerdings diesmal verzichten; auch Neuwahlen fordert die Union nicht mehr.

FDP-Mann Papke nahm das Wort "Neuwahlen" ebenfalls wohlweislich nicht in den Mund. Vehement kritisierte er stattdessen das Abstimmungsverhalten der Linkspartei, da sie sich nicht in die schwarz-gelbe Ablehnungseinheitsfront einreihen wollte. Auf ihrem Landesrat hatte die Linkspartei am Sonntag in Bochum nach mehrstündiger Diskussion beschlossen, sich bei der heutigen Abstimmung zu enthalten. Bei aller Kritik gehe der rot-grüne Haushalt gleichwohl "zwar zaghaft, aber in die richtige Richtung", begründete Fraktionschef Zimmermann gestern im Parlament die Entscheidung. Papke schlug deswegen der Linken vor, sie sollte sich doch künftig den "Wackeldackel" zu ihrem neuen Wappen machen.

CDU und FDP hätten "offensichtlich wenig inhaltliche Kompetenz" und "kein politisches Konzept in der Opposition", spottete Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). "Sie haben keine tragbare Alternative vorgeschlagen."


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