20.06.2011

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taz

 Erst der Auftrag, dann die Spende
Von Pascal Beucker

SPD Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger vermittelte einem Rechtsanwalt lukrative Aufträge. Kurz danach trudelten Spenden der Sozietät bei der SPD Duisburg ein. Nur ein Zufall?

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger liebt den forschen Auftritt. Seine Attacken zu Oppositionszeiten auf die damalige schwarz-gelbe Landesregierung brachten dem Sozialdemokraten den Spitznamen "Jäger 90" ein. Doch seit einigen Wochen steht er selbst in der Kritik. Jäger wird vorgeworfen, seinem Duisburger Unterbezirk zu "Dankeschön-Spenden" verholfen zu haben.

Konkret geht es um die Beziehungen, die der Minister zu dem zwielichtigen Rechtsanwalt Lothar Vauth (SPD) unterhalten haben soll. Jäger hatte die Krefelder Kanzlei seines Parteifreunds der Duisburger Gesellschaft für Beschäftigungsförderung (GfB) Anfang 2008 für fünf Rechtsgutachten empfohlen. Pikant: Jäger selbst ist Aufsichtsratschef der GfB. Für die Gutachten kassierte Vauth von der GfB über 17.000 Euro. Damit fängt die Geschichte aber erst an: Denn Ende 2008 wurden von Konten seiner Kanzlei zwei Spenden in Höhe von 6.000 Euro und 3.000 Euro an die SPD Duisburg überwiesen. Deren Vorsitzender: Ralf Jäger.

Jäger bestreitet jede Verbindung der Ereignisse. Dennoch stellt sich die Frage, ob es mehr als einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Spenden und Auftragsvergabe gab. Zumal die Rheinische Post in der vergangenen Woche von einer dritten Spende berichtet und sich auf den Exgeschäftsführer der Viersener SPD, Lothar Klouten, beruft. Laut Klouten soll Vauth die Beträge in Höhe von 12.000 Euro gestückelt haben, um das Parteiengesetz zu unterlaufen. Einzelspenden über 10.000 Euro sind veröffentlichungspflichtig.

Die Duisburger SPD dementierte. "Eine dritte Spende von Vauth oder aus dessen Umfeld ist weder im Dezember 2008 noch zu einem anderen Zeitpunkt eingegangen", erklärte der örtliche SPD-Geschäftsführer Jörg Lorenz. Dass die anderen beiden Spenden geleistet wurden, bestreitet Lorenz nicht. Damit wäre rund die Hälfte des GfB-Auftrags an die SPD zurückgeflossen.

Doch es kam anders. Falls es einen Deal gegeben haben sollte, platzte er: Die Anwaltskollegen Vauths, unter deren Namen das Geld an die Partei überwiesen worden war, teilten nach dem Erhalt der Spendenquittung im Frühjahr 2009 der SPD mit, gar nicht gespendet zu haben. Daraufhin, so Lorenz, sei die vermeintliche Spende unverzüglich "auf die Konten, von denen sie überwiesen worden waren, zurückerstattet und die erteilten Spendenquittungen für ungültig erklärt" worden.

Dies hatte einen bemerkenswerten Hintergrund: Vauth, seinerzeit Landratskandidat der SPD für den Kreis Viersen, hatte sich mit seinen Kanzleikollegen überworfen. Die Mitgesellschafter erteilten ihm Hausverbot und zeigten ihn wegen "gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Betrug, schwerer Untreue und Unterschlagung" in Millionenhöhe an, weil Vauth Mandanten betrogen haben soll. Anfang März 2009 legte Vauth alle seine politischen Mandate und Funktionen nieder. Seitdem ist er abgetaucht. Es heißt, er sei schwer erkrankt und befinde sich in einer Klinik. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Ob seine früheren Kollegen auch ohne Streit mit Vauth die Quittungen über die fälschlich zugeschriebenen Spenden zurückgewiesen hätten?

Die Duisburger Vorgänge sind kein Einzelfall. Im benachbarten Moers engagierte im Dezember 2007 SPD-Bürgermeister Norbert Ballhaus auf Empfehlung eines Parteifreundes ebenfalls die Kanzlei Vauths für ein Gutachten, Kostenpunkt: 4.974,20 Euro. Im März des folgenden Jahres überwies der Anwalt 1.000 Euro an den dortigen Unterbezirk Wesel mit Verwendungszweck "Buergm Moers Wk-Spende". Ballhaus beteuert, von der Spende und dem fragwürdigen Verwendungszweck nichts gewusst zu haben. Allerdings sei es ein Fehler gewesen, der Empfehlung für die beauftragte Kanzlei zu folgen, räumt er ein: "Das passiert mir nicht noch einmal!" Nach Informationen des WDR-Magazins "Westpol" soll Vauth über einen SPD-Landtagsabgeordneten in mehreren Städten das Angebot Spende gegen Auftrag unterbreitet haben. Beweisen ließ sich das jedoch nicht.

Eine solche Praxis der illegalen Parteienfinanzierung hat allerdings eine gewisse Tradition bei Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr. Im Jahr 2002 flog das "Dankeschön"-Spendensystem der SPD in Köln auf. Über Jahre hatte sich die Partei ihre Kassen damit gefüllt, lukrative städtische Großaufträge Unternehmen zuzuschanzen, die sich anschließend mit einem angemessenen Obolus revanchierten. Öffentlich bekannt wurden allerdings nur jene "Danksagungen", die in Verbindung mit der umstrittenen Kölner Müllverbrennungsanlage geflossen waren. Laut einer Aufstellung sollen sich zwischen 1994 und 1999 neun Spender mit insgesamt 830.000 Mark erkenntlich gezeigt haben.

In eine solche Traditionslinie will sich Landesinnenminister Jäger nicht stellen lassen. "Es gibt kein illegales Spendensystem in Duisburg", sagte er im Innenausschuss des Landtags. "Und schon gar nicht habe ich ein solches aufgezogen, unterstützt oder beflügelt." Einen Zusammenhang von Spenden und kommunalen Aufträgen habe es in Duisburg nicht gegeben. Jäger versuchte die Flucht nach vorn: "Ich bin nicht bestechlich."


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