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Von Pascal Beucker |
SPD Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger vermittelte einem Rechtsanwalt lukrative Aufträge. Kurz danach trudelten Spenden der Sozietät bei der SPD Duisburg ein. Nur ein Zufall? Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf
Jäger liebt den forschen Auftritt. Seine Attacken zu
Oppositionszeiten auf die damalige schwarz-gelbe Landesregierung
brachten dem Sozialdemokraten den Spitznamen "Jäger 90" ein. Doch
seit einigen Wochen steht er selbst in der Kritik. Jäger wird
vorgeworfen, seinem Duisburger Unterbezirk zu "Dankeschön-Spenden"
verholfen zu haben. Konkret geht es um die Beziehungen, die der
Minister zu dem zwielichtigen Rechtsanwalt Lothar Vauth (SPD)
unterhalten haben soll. Jäger hatte die Krefelder Kanzlei seines
Parteifreunds der Duisburger Gesellschaft für
Beschäftigungsförderung (GfB) Anfang 2008 für fünf Rechtsgutachten
empfohlen. Pikant: Jäger selbst ist Aufsichtsratschef der GfB. Für
die Gutachten kassierte Vauth von der GfB über 17.000 Euro. Damit
fängt die Geschichte aber erst an: Denn Ende 2008 wurden von Konten
seiner Kanzlei zwei Spenden in Höhe von 6.000 Euro und 3.000 Euro an
die SPD Duisburg überwiesen. Deren Vorsitzender: Ralf Jäger. Jäger bestreitet jede Verbindung der Ereignisse.
Dennoch stellt sich die Frage, ob es mehr als einen zeitlichen
Zusammenhang zwischen Spenden und Auftragsvergabe gab. Zumal die
Rheinische Post in der vergangenen Woche von einer dritten
Spende berichtet und sich auf den Exgeschäftsführer der Viersener
SPD, Lothar Klouten, beruft. Laut Klouten soll Vauth die Beträge in
Höhe von 12.000 Euro gestückelt haben, um das Parteiengesetz zu
unterlaufen. Einzelspenden über 10.000 Euro sind
veröffentlichungspflichtig. Die Duisburger SPD dementierte. "Eine dritte
Spende von Vauth oder aus dessen Umfeld ist weder im Dezember 2008
noch zu einem anderen Zeitpunkt eingegangen", erklärte der örtliche
SPD-Geschäftsführer Jörg Lorenz. Dass die anderen beiden Spenden
geleistet wurden, bestreitet Lorenz nicht. Damit wäre rund die
Hälfte des GfB-Auftrags an die SPD zurückgeflossen. Doch es kam anders. Falls es einen Deal gegeben
haben sollte, platzte er: Die Anwaltskollegen Vauths, unter deren
Namen das Geld an die Partei überwiesen worden war, teilten nach dem
Erhalt der Spendenquittung im Frühjahr 2009 der SPD mit, gar nicht
gespendet zu haben. Daraufhin, so Lorenz, sei die vermeintliche
Spende unverzüglich "auf die Konten, von denen sie überwiesen worden
waren, zurückerstattet und die erteilten Spendenquittungen für
ungültig erklärt" worden. Dies hatte einen bemerkenswerten Hintergrund:
Vauth, seinerzeit Landratskandidat der SPD für den Kreis Viersen,
hatte sich mit seinen Kanzleikollegen überworfen. Die
Mitgesellschafter erteilten ihm Hausverbot und zeigten ihn wegen
"gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Betrug, schwerer Untreue und
Unterschlagung" in Millionenhöhe an, weil Vauth Mandanten betrogen
haben soll. Anfang März 2009 legte Vauth alle seine politischen
Mandate und Funktionen nieder. Seitdem ist er abgetaucht. Es heißt,
er sei schwer erkrankt und befinde sich in einer Klinik. Die
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Ob seine früheren
Kollegen auch ohne Streit mit Vauth die Quittungen über die
fälschlich zugeschriebenen Spenden zurückgewiesen hätten? Die Duisburger Vorgänge sind kein Einzelfall. Im
benachbarten Moers engagierte im Dezember 2007 SPD-Bürgermeister
Norbert Ballhaus auf Empfehlung eines Parteifreundes ebenfalls die
Kanzlei Vauths für ein Gutachten, Kostenpunkt: 4.974,20 Euro. Im
März des folgenden Jahres überwies der Anwalt 1.000 Euro an den
dortigen Unterbezirk Wesel mit Verwendungszweck "Buergm Moers
Wk-Spende". Ballhaus beteuert, von der Spende und dem fragwürdigen
Verwendungszweck nichts gewusst zu haben. Allerdings sei es ein
Fehler gewesen, der Empfehlung für die beauftragte Kanzlei zu
folgen, räumt er ein: "Das passiert mir nicht noch einmal!" Nach
Informationen des WDR-Magazins "Westpol" soll Vauth über einen
SPD-Landtagsabgeordneten in mehreren Städten das Angebot Spende
gegen Auftrag unterbreitet haben. Beweisen ließ sich das jedoch
nicht. Eine solche Praxis der illegalen
Parteienfinanzierung hat allerdings eine gewisse Tradition bei
Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr. Im Jahr 2002 flog das
"Dankeschön"-Spendensystem der SPD in Köln auf. Über Jahre hatte
sich die Partei ihre Kassen damit gefüllt, lukrative städtische
Großaufträge Unternehmen zuzuschanzen, die sich anschließend mit
einem angemessenen Obolus revanchierten. Öffentlich bekannt wurden
allerdings nur jene "Danksagungen", die in Verbindung mit der
umstrittenen Kölner Müllverbrennungsanlage geflossen waren. Laut
einer Aufstellung sollen sich zwischen 1994 und 1999 neun Spender
mit insgesamt 830.000 Mark erkenntlich gezeigt haben. In eine solche Traditionslinie will sich Landesinnenminister Jäger nicht stellen lassen. "Es gibt kein illegales Spendensystem in Duisburg", sagte er im Innenausschuss des Landtags. "Und schon gar nicht habe ich ein solches aufgezogen, unterstützt oder beflügelt." Einen Zusammenhang von Spenden und kommunalen Aufträgen habe es in Duisburg nicht gegeben. Jäger versuchte die Flucht nach vorn: "Ich bin nicht bestechlich." |
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