02.07.2011

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taz

 Rot-Grün in NRW verliert Nimbus der Unbesiegbarkeit
Von Pascal Beucker

NRW-LANDTAG Das Parlament stimmt den rot-grünen Plänen, die WestLB zu einer Sparkasse zu schrumpfen, erst im zweiten Anlauf zu. Die Minderheitsregierung steckt damit die erste Niederlage ein. Von Neuwahlen will sie aber nichts wissen. Sie seien "Quatsch".

Am Tag nach dem Knatsch um die WestLB im nordrhein-westfälischen Landtag sind Aufräumarbeiten angesagt. "Kein Drama" sei die erste Abstimmungsniederlage der rot-grünen Minderheitsregierung, gibt sich der grüne Landtagsfraktionschef Reiner Priggen betont gelassen. "Irgendwann musste das ja passieren." Und außerdem sei letztlich alles gut gegangen.

Doch die rot-grüne Koalition hat ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Bei einer ersten Abstimmung am Mittag war die Landesregierung mit ihrer Radikalkur für die Düsseldorfer Landesbank noch gescheitert. Erst in einem zweiten Anlauf am Donnerstagabend bekam sie die notwendigen Stimmen von der CDU für den Umbauplan. Aus der WestLB mit heute noch 4.700 Beschäftigten wird eine deutlich kleinere, regionale Sparkassen-Zentralbank mit 400 Mitarbeitern. Der Landtag sehe in den "Eckpunkten zum Restrukturierungsplan der WestLB unter den gegebenen Umständen eine tragfähige Vereinbarung", so der entscheidende Satz.

Turbulent war es zuvor im Landtagsplenum zugegangen. Denn die CDU hatte es auf eine Kraftprobe ankommen lassen. Da die FDP und die Linkspartei schon von vornherein ihre Ablehnung des WestLB-Rettungsplans erklärt hatten, ließ die Union ihre Muskeln spielen. Ihre Zustimmung machte sie von der Bedingung abhängig, dass sich SPD und Grüne gegen ihre eigene Haushaltspolitik für eine Schuldenbremse aussprechen. Das war für Rot-Grün unannehmbar. Der rot-grüne WestLB-Antrag fiel durch.

Es folgten Sitzungsunterbrechungen und Krisengespräche. Von Berlin aus appellierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der das WestLB-Rettungskonzept mit ausgearbeitet hatte, "das Notwendige dazu beizutragen, dass diese Entscheidung nicht mehr infrage gestellt wird". Schließlich verständigten sich SPD, Grüne und CDU doch noch. Die Zeit war knapp: Bis Mitternacht musste die Bundesregierung den Plan nach Brüssel schicken, um eine Frist der EU-Kommission einzuhalten. Die WestLB hatte in der Finanzkrise Staatshilfe erhalten, So wurde sie zu einem Fall für die Wettbewerbshüter der EU.

Von einer Krise der rot-grünen Regierung will Reiner Priggen jedoch nichts wissen. Spekulationen über mögliche Neuwahlen wies er als "Quatsch" zurück. "Wir haben immer gewusst, dass wir eine Minderheitsregierung sind, die um Mehrheiten ringen muss", sagt er. "Uns fehlt eben eine Stimme." In der Frage des Umgangs mit der WestLB sei die CDU jedoch "in der Pflicht" gewesen, mitzuziehen. Mit ihren "Zickereien" habe sie nur von ihren internen Problemen ablenken wollen. Er sei fest davon ausgegangen, dass es noch zu einer Einigung kommen werde.

Von einem "parlamentarischen Zirkus" und "parteitaktische Spielchen" sprach der Fraktionschef der Linkspartei, Wolfgang Zimmermann. "Den Scherbenhaufen, vor dem WestLB-Angestellte und Steuerzahler heute stehen, haben sowohl CDU und FDP als auch SPD und Grüne zu verantworten, und das wissen sie auch", kommentierte er die späte rot-grün-schwarze Einigung.

CDU kündigt Pairing-Abkommen auf

Weiter für kräftige Verstimmung sorgt auch ein von der SPD völlig unnötig provozierter Eklat. Ursprünglich hatte sich die SPD mit der CDU für den Sitzungstag auf ein sogenanntes Pairing-Abkommen verständigt. Dieser häufig praktizierte parlamentarische Brauch bedeutet, dass bei einem gravierenden Krankheitsfall in den eigenen Reihen der politische Gegner ebenfalls einen Abgeordneten zurückzieht. In einer von mehreren Einzelabstimmungen über den rot-grünen WestLB-Antrag hielt sich die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Altenkamp jedoch nicht an die Vereinbarung und ließ eine eigentlich krank gemeldete SPD-Abgeordnete mitstimmen. Damit bekam dieser einzelne Punkt unter dem heftigen Protest der Opposition zwar eine Mehrheit. Doch es war nicht mehr als eine sinnlose Provokation. Denn in der Endabstimmung hielt sich die SPD wieder an das Abkommen, weswegen der gesamte Antrag trotzdem scheiterte.

Eine Kapriole mit Folgen: "Es wird kein Pairing mehr geben bis zum Ende der Legislaturperiode", kündigte gestern CDU-Fraktionsvize Armin Laschet als Reaktion auf den "Vertrauensbruch" der SPD an. Ab jetzt werde die Union verschärft daran arbeiten, der rot-grünen Minderheitsregierung weitere Abstimmungsniederlagen im Landtag zuzufügen, drohte er.

Grünen-Fraktionschef Priggen zeigte Verständnis für die Reaktion Laschets. "Pairing ist Vertrauenssache", sagte er der taz. Dieses Vertrauen müsse jetzt wieder aufgebaut werden. Aber Priggen nahm auch SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Altenkamp in Schutz. "Das sind Fehler, die passieren können." Mit einer Entschuldigung sei der Fall erledigt.

Altenkamp selbst zeigte sich gestern zerknirscht. “Wenn der Eindruck entstanden ist, dass mit der SPD-Fraktion und mit mir verlässliche Absprachen nicht mehr getroffen werden können, tut mir das leid”, teilte sie in einer schriftlichen Erklärung mit. "Dafür entschuldige ich mich und werde diesen Eindruck aus der Welt räumen", versicherte die SPD-Frau.


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