26.07.2011

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taz

 "Wir haben ein Problem"
Von Pascal Beucker und Konrad Litschko

DEUTSCHE RECHTSPOPULISTEN Distanzierung und Selbstkritik, Verschwörungstheorien und Sympathie - wie rechte Kleinparteien und islamfeindliche Internetforen auf das Massaker reagieren.

Manfred Rouhs trägt einen dunklen Anzug, in den Händen hält er zwei weiße Rosen und ein Wahlkampfplakat: "Hauptstadt der Angst? Nicht mit uns!" Nur wenige Meter neben der norwegischen Botschaft in Berlin steht der 55-jährige Verleger am Montagmorgen zu einer Mahnwache der "Bürgerbewegung Pro Deutschland".

Die Anschläge in Norwegen zeigten, in welcher Gefahr sich Europa befinde, verkündet der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Partei. Heute könne es Oslo treffen, morgen die deutsche Hauptstadt, warnt er: "Auch in Berlin ist es ja bereits zur akzeptierten Normalität geworden, dass jede Nacht Autos angezündet werden, dass die Polizei um Leib und Leben fürchten muss und dass sich viele Bürger in bestimmte Stadtviertel gar nicht mehr getrauen." Nicht nur die rund 25 Gegendemonstranten halten das für eine Verhöhnung der Opfer von Oslo.

Bärendienst, cui bono?

Die Bluttat von Anders Behring Breivik hat die rechtspopulistische und islamfeindliche Szene in Deutschland arg in die Bredouille gebracht. Ihr ist bewusst, dass die allzu offensichtliche ideologische Nähe des Attentäters geeignet ist, sie und ihre "Islamkritik" vollends zu diskreditieren. Daher überbieten sich Parteien wie "Pro Deutschland" oder "Die Freiheit" mit Abscheubekundungen. Rouhs ist darin bereits geübt: Als im Jahr 2003 ein vormaliger Aktivist der "Deutschen Liga für Volk und Heimat", für die Rouhs vor seinem "Pro"-Engagement aktiv war, im rheinischen Overath drei Menschen mit einer Pumpgun erschoss, versicherte er, schon Jahre zuvor jede Verbindung zum Täter abgebrochen zu haben.

Auch in den islamfeindlichen Internetforen herrscht helle Aufregung. Der größte Blog der Islamhasser, "Politically Incorrect" (PI), sah sich sogar genötigt, dem Gerücht entgegenzutreten, Breivik sei identisch mit dem szenebekannten Blogger Fjordman.

Auf PI ist man sich nur darüber einig, dass nun, wie es ein Kommentator formuliert, "dunkele Zeiten für uns Islamkritiker kommen" werden. Ansonsten gehen die Einordnungen des Massakers auseinander. Nachdem man noch Freitagabend unter dem Titel "Warum bombt Islam ausgerechnet in Oslo?" munter über die vermeintlichen Hintergründe debattierte ("Grund: Einsatz in Afghanistan und Mohammed-Karikaturen"), wird Breivik nun in einem redaktionellen Beitrag als "größter Feind der Islamkritik" bezeichnet, der der Islamkritik einen "Bärendienst" erwiesen habe.

In einigen Kommentaren klingt auch ungewohnte Selbstkritik an: Es sei "wichtig zu bemerken, dass die ,Bösen' nicht immer nur andere sind". Andere Kommentatoren geben sich unverdrossen: "Man stelle sich mal vor, in Kanada erschlagen radikale Tierfreunde eine Gruppe Robbenjäger. Kein Mensch würde deshalb den weltweiten Umweltschutz verdammen." Manche üben sich auch in Verschwörungstheorien: "Die Frage, die man sich immer wieder stellen sollte, wenn so etwas passiert, ist: Cui bono?"

Aber manche sympathisieren auch mit Breivik. Er gebe "sein persönliches Leben dafür hin, mit überlegt kriegerischem Verhalten dem Erhalt seines Volkes und seiner Kultur eine, wenn auch kleine, Chance zu geben", schreibt ein Kommentator. "So grausam, wie die Wahrheit ist, ich kann daran nicht unmittelbar einen Gedankenfehler erkennen." Ein anderer kritisiert nur das Anschlagsziel: "Warum hält der sich nicht an das was er schreibt, sondern macht sich zum meistgehassten Kindermörder Europas, anstatt zum Helden im Kampf gegen das Gutmenschentum?" Wieder andere beweisen auf ihre Art ihre Unverdrossenheit: "Schade", meint einer, "dass es in Norwegen keine Todesstrafe gibt."


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