12.12.2011

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taz

 Noch ein klandestiner Einzeltäter
Von Pascal Beucker und Andreas Speit

RECHTSTERRORISMUS Ermittler nehmen einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer des Zwickauer Trios fest. Tausende protestieren bundesweit gegen Rechtsextremismus.

Ermittler haben am Wochenende einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer der Zwickauer Terrorzelle festgenommen. Der im Erzgebirgskreis lebende Matthias D. sei "dringend verdächtig, in zwei Fällen die terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) unterstützt zu haben", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der 36-Jährige, der am Sonntagmorgen von einem Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamts Sachsen verhaftet wurde, soll Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos zwei Wohnungen in Zwickau überlassen haben. Dadurch habe er der Gruppe dabei geholfen, "ein Leben unter falscher Identität zu führen und unentdeckt Terroranschläge verüben zu können".

Außerdem ließ die Bundesanwaltschaft drei Wohnungen im Erzgebirgskreis durchsuchen; neben der von Matthias D. auch die von Mandy S., einer weiteren möglichen Unterstützerin. Damit hat sich Zahl der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegen die Zwickauer Zelle hat auf sieben erhöht. Vor Matthias D. wurden bereits Holger G., Andre E. und der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben festgenommen.

Der Name von Mandy S. tauchte schon früh bei den Ermittlungen auf. Ihren Ausweis nutzte Zschäpe bei ihrem Leben im Untergrund. Jetzt wirft das Bundeskriminalamt der Friseurin vor, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos nach deren Flucht im Februar 1998 geholfen zu haben. Mehrere Monate soll Mandy S. das Trio in der Wohnung ihres damaligen Freundes Max B. in Chemnitz untergebracht haben. Dieser will nicht gewusst haben, wen seine Freundin im Juli und August jenes Jahres bei ihm einquartierte. Allerdings soll sich Böhnhardt bei den Untermietverträgen, die er mit Mathias D. für die Wohnungen in Zwickau abschloss, des Namens von Max B. bedient haben.

Vor über zehn Jahren war Mandy S. in der Neonazi-Gruppe "Brigade Ost" aus Johanngeorgenstadt aktiv. Auch soll sie enge Kontakte zur "Weißen Bruderschaft Erzgebirge" gepflegt haben, die mit der seit 2000 in Deutschland verbotenen "Blood and Honour"-Bewegung verbunden war. In der "Brigade Ost" sowie der "Bruderschaft" sollen die inhaftierten Matthias D. und André E. aktiv gewesen sein. Zschäpe und Mandy S. sollen sich schon lange gekannt haben, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Mehr und mehr interessieren sich die Ermittler auch für Patrick Wieschke, dem "Bundesorganisationsleiter" im NPD-Vorstand. Der frühere Kader des "Thüringer Heimatschutzes", in dem das Zwickauer Trio vor dem Abtauchen aktiv war, soll Beate Zschäpe in der Nacht zum 3. November in Eisenach beherbergt haben - am Tag bevor Mundlos und Böhnhardt ihren letzten Banküberfall verübten. Wieschke bestreitet das. "Den Abend habe ich mit meiner Lebensgefährtin verbracht", sagte er der taz. "Ich habe Frau Zschäpe Mitte der Neunzigerjahre mal gesehen, aber nie ein Wort mit ihr gesprochen", behauptet Wieschke, der wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion bei einem türkischen Imbiss verurteilt ist. Polizeihunde sollen in seiner Wohnung wegen Zschäpe angeschlagen haben.

In Köln, wo 2001 und 2004 zwei der NSU zugerechnete Sprengstoffanschläge verübt wurden, demonstrierten unterdessen am Samstag Neonazis unter dem Motto „Gegen Polizeirepression und Medienhetze! – Volkstreue und Vaterlandsliebe lassen sich nicht kriminalisieren“. Mit Rufen wie „Linkes Gezeter – neun Millimeter“, „Wir kriegen euch alle“ und „Nationaler Sozialismus bis zum Tod“ zogen knapp 50 Aktivisten aus der Szene der „Freien Kameradschaften“ vor das im migrantisch geprägten Stadtteil Kalk gelegene Kölner Polizeipräsidium. Der rechte Aufmarsch und zwei Gegendemonstrationen, an denen mehrere hundert Menschen teilnahmen, seien ohne Zwischenfälle vonstattengegangen, zog die Polizei anschließend Bilanz. Ein mit Haftbefehl gesuchter Neonazi wurde festgenommen.

Auch andernorts demonstrierten anlässlich des Internationalen Tag der Menschenrechte mehrere tausend Menschen gegen Rechtsextremismus. In Kassel bildeten 3.500 Demonstranten eine Menschenkette vom Rathaus in die Nordstadt, wo 2006 ein türkischstämmiger Besitzer eines Internetcafés ermordet worden war. In Greifswald protestierten etwa 1.000 Menschen gegen Rassismus und in Berlin einige hundert. Mit einer Lichterkette gedachten rund 2.000 Bürger in Nürnberg der Opfer des Rechtsterrorismus.

Unterdessen berichtet der Spiegel, dass in der NPD 130 V-Leute des Verfassungsschutzes tätig seien. Von der Existenz der Zwickauer Terrorzelle will keiner etwas bemerkt haben.


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