22.03.2012

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Jungle World

 Der Kampf um die besten Plätze
Von Pascal Beucker

Piraten rein, FDP und »Linke« raus? Bei den Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen wird es vor allem für die kleinen Parteien spannend.

Bei der anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind sie die großen Unbekannten. Nach der Selbstauflösung des Landtags in der vergangenen Woche herrscht bei den Piraten Optimismus. »Wir holen mindesten fünf Prozent«, ist der Landesvorsitzende Michele Marsching überzeugt. An diesem Wochenende stellt die Partei ihre Landesliste auf. Bislang bewerben sich ungefähr 140 Kandidatinnen und Kandidaten für die aussichtsreichen ersten 20 Plätze.

Der Kreis der Bewerber reicht vom klassischen Nerd über Renegaten anderer Parteien bis hin zu evangelikalen Christen wie dem früheren Landespressesprecher der Piraten, Rainer Klute, der die Evolutionstheorie ablehnt. Das Treiben bei der nordrhein-westfälischen Piratenpartei erinnert an die Gründungsphase der Grünen, bei denen sich zunächst alles von überzeugten Sozialisten bis zu christlich-fundamentalistischen Lebensschützern tummelte. Nur dass bei den Piraten ein linker Flügel nicht zu erkennen ist.

Hans Immanuel Herbers war einst Sympathisant der KPD/AO, zählte 1979 zu den Gründern der Grünen und gehörte Anfang der Achtziger auch ihrem Landesvorstand in NRW an. Herbers war ein Vertreter der Ökolibertären, des rechten Flügels der Grünen. Während ihr oberster Theoretiker, der frühere Frankfurter Sponti Thomas Schmid, als Chefredakteur der Welt endete, wurde Herbers Pfarrer. 2009 trat er der Piratenpartei bei. Bei der Landtagswahl 2010 trat er auf Listenplatz 2 an, nun will der passionierte Online-Rollenspieler und Gegner »rot-grüner Zwangsbeglückung« Spitzenkandidat werden. Allerdings ist die Konkurrenz groß.

Auch wenn sie derzeit große Träume hegen – ob die Piraten tatsächlich ins Parlament gewählt werden, ist völlig ungewiss. In Nordrhein-Westfalen haben es kleine Parteien schwer. Die Grünen schafften erst 1990 den Einzug in den Landtag, da saßen sie bereits seit sieben Jahren im Bundestag, in Hessen hatten sie schon zum ersten Mal mitregiert. Bei der Landtagswahl 2010 erhielten die Piraten nur 1,6 Prozent.

Glaubt man den Umfragen, sieht alles nach einer stabilen rot-grünen Mehrheit aus, zumal der designierte CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen zur Freude der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nicht sonderlich geschickt auftritt. So bleibt das Ergebnis der Piraten und der anderen kleinen Parteien die eigentlich spannende Frage bei der Wahl am 13. Mai. Die FDP, die ihren früheren Generalsekretär Christian Lindner als Spitzenkandidaten reaktiviert hat, muss ebenso um ihren Einzug bangen wie die »Linke«. Beide liegen in den Umfragen hinter den Piraten und unter fünf Prozent. Scheitern sie, dürfte das bundesweite Auswirkungen haben: Die Linkspartei droht wieder, zu einer ostdeutschen Regionalpartei zu schrumpfen. Für die FDP besteht die Gefahr, als Splitterpartei zu enden – und zwar zu enden im wörtlichen Sinne.


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