10.05.2012 |
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Links der Currywurst |
Von Pascal Beucker |
Hannelore Kraft, die Spitzenkandidatin der SPD, übt
bereits das Siegerlächeln, Norbert Röttgen, ihr
Herausforderer von der CDU, kann seinen Koffer für die
Rückkehr nach Berlin packen. Für Spannung in der
nordrhein-westfälischen Landtagswahl sorgt allenfalls die
Frage: Was wird aus der Linkspartei?
Eine siegesgewisse SPD-Ministerpräsidentin, die mit dem
Spruch »NRW im Herzen« für sich wirbt, ein chancenloser
CDU-Herausforderer, der »Politik aus den Augen unserer
Kinder« machen will: Selten war ein Landtagswahlkampf in
Nordrhein-Westfalen so langweilig und inhaltsleer wie
derjenige, der sich gerade seinem Ende zuneigt. Für die
größte Aufregung sorgte noch ein Online-Plakatwettbewerb der
SPD, den zwei pfiffige vegetarische Tübinger Jusos mit dem
Vorschlag »Currywurst ist SPD« gewannen. »Wo ist die Partei
Willy Brandts hingekommen als Currywurst-Partei?« wetterte
der christdemokratische Spitzenkandidat Norbert Röttgen. Wo
der derzeitige Teilzeit-Bundesumweltminister nach der Wahl
am 13. Mai hinkommen wird, dürfte bereits feststehen: zurück
nach Berlin.
In der »Sonntagsfrage« für Nordrhein-Westfalen
ähneln sich die Ergebnisse der Meinungsforschungsunternehmen
inzwischen. So liegt die SPD bei Emnid, Forsa, Yougov,
Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen zwischen 36
und 38 Prozent. Die CDU erhält in den Umfragen nur zwischen
30 und 32 Prozent. Die Grünen liegen zwischen zehn und elf,
die Liberalen zwischen fünf und sechs Prozent. Für die
Linkspartei sieht es mit Ergebnissen zwischen drei und vier
Prozent düster aus. Die Piratenpartei darf hingegen mit
sieben bis zehn Prozent der Stimmen rechnen.
Falls die Demoskopen nicht gänzlich daneben liegen und nicht
in den letzten Tagen vor den Wahlen irgendein
einschneidendes Ereignis die gesellschaftliche Stimmung
verändert, dürfte das auffälligste Resultat der Neuwahlen
darin bestehen, dass künftig die Piraten anstelle der
»Linken« zur Opposition gehören werden. Der rot-grünen
Minderheitsregierung kann diese Veränderung egal sein. Die
Chancen, dass SPD und Grüne zusammen eine absolute Mehrheit
der Sitze im Düsseldorfer Landtag und damit ihr zentrales
Wahlziel erreichen, stehen glänzend. Nur ein Institut
prognostiziert, dass CDU, FDP und Piraten mit SPD und Grünen
gleichauf liegen könnten, bei allen anderen gewinnt
Rot-Grün.
Mit einer einzigen Ausnahme scheinen die
nordrhein-westfälischen Wahlen also nicht sonderlich
spannend zu werden. Die SPD mit ihrer Strahlefrau Hannelore
Kraft legt zu, Röttgens CDU baut ab. Bei den Grünen mit
ihrer Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann geht es nur noch
darum, ob sie etwas schlechter oder besser als vor zwei
Jahren abschneiden. Der Parlamentseinzug der Piraten gilt
als sicher. Auch die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten
Christian Lindner dürfte – dank der Schwäche der CDU,
unterstützt von einer Medienkampagne und gestärkt durch die
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein – den Einzug in den
Landtag schaffen. Es könnte also ein langweiliger Wahlabend
werden – wäre da nicht die Linkspartei. Ihre Mitglieder
müssen auf ein Wunder hoffen.
Für die Linkspartei wäre der prognostizierte Ausgang bitter
- und auch durchaus unverdient. Denn die Bilanz ihrer
Landtagsfraktion ist nicht schlecht. Auf dem schmalen Grat
zwischen Anpassung und Totalverweigerung, auf dem sich die
Newcomer seit ihrem knappen Parlamentseinzug mit 5,6 Prozent
vor zwei Jahren bewegt haben, mussten sie zwar einiges
Lehrgeld zahlen.
Aber sie haben auch viel erreicht: von der Abschaffung der
Studiengebühren, der Aufhebung der Residenzpflicht für
Asylbewerber, der Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr,
der Wiederherstellung der von der schwarz-gelben
Vorgängerregierung stark eingeschränkten Mitbestimmung im
Öffentlichen Dienst bis zur Einführung der direkten Abwahl
von Bürgermeistern, die dann Duisburgs starrköpfigen
CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland das Amt kostete.
Die Linkspartei gab der rot-grünen
Minderheitsregierung den Mut und die Stimmen, sich
an ihre Wahlversprechen zu halten. Das ist nicht wenig - und
besonders bemerkenswert, da sich das Führungspersonal des
nordrhein-westfälischen Landesverbandes aus Vertretern des
linken Parteiflügels rekrutiert: Die bisherige
Fraktionsvorsitzende Bärbel Beuermann zählt zur
»Sozialistischen Linken«, der inzwischen schwer erkrankte
zweite Vorsitzende Wolfgang Zimmermann wie auch die beiden
Parteisprecher Hubertus Zdebel und Katharina Schwabedissen
sind mit der »Antikapitalistischen Linken« verbunden.
Deshalb wurde die nordrhein-westfälische Linkspartei von
manchen in der Berliner Zentrale anfangs gar als »Hort des
Wahnsinns« tituliert. Aber mit ihrem Grundsatz, keinen
Sozialabbau, aber dafür alle Maßnahmen zu unterstützen, die
die Arbeits- und Lebensbedingungen für abhängig
Beschäftigte, Erwerbslose, Schüler, Studierende und Rentner
verbessern, erreichten die vermeintlichen Sektierer mehr als
die »realpolitischen« Landesverbände mit ihren
Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg oder Berlin. Allerdings kann mangelnder Opportunismus auch seinen Preis haben. Mit ihrer - gut begründeten - geschlossenen Ablehnung des rot-grünen Haushalts sind die elf Parlamentarier der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen ein hohes Risiko eingegangen. Die Neuwahlen kommen nun zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die Großwetterlage meint es derzeit nicht gut mit der Partei, die sich bundesweit in einem Tief befindet. Die Proteststimmen heimsen derzeit die Piraten ein, die Zahl der Stammwähler der »Linken« ist gering. Als sie in Nordrhein-Westfalen 2010 den Einzug in den Landtag schaffte, galt das als endgültiger Durchbruch der Linkspartei im Westen. Doch die Euphorie der Anfangsjahre ist längst weitergezogen – hin zu den Piraten, die jetzt von jener Aufbruchstimmung beflügelt werden, die der von den Mühen der Ebene zermürbten Linkspartei heute fehlt.
Die Bundesebene befindet sich in einem desolaten Zustand und
im Führungsstreit. Hinzukommen große Probleme im Unterbau: In vielen nordrhein-westfälischen
Kreisverbänden der Linkspartei kracht es kräftig.
Zahlreiche Mitglieder, darunter etliche kommunale
Mandatsträger, haben sie verlassen. Im ostwestfälischen Werl
lief Anfang des Jahres ein vollständiger Ortsverband zu den
Piraten über, samt der beiden Ratsherren, die die
Linkspartei in der Stadt bis dahin hatte. Meist sind es
weniger politische Differenzen denn persönliche Animositäten,
die zum Bruch führen. Doch das macht es nicht besser. In
ihrer Hochphase hatte die Partei etwa 9 000 Mitglieder,
mittlerweile sind es nur noch ungefähr 7 900 Mitglieder. Es
sei versäumt worden, »kontinuierlich Parteiaufbau vor Ort zu
machen«, räumt die Landessprecherin Katharina Schwabedissen
selbstkritisch ein.
Seit 2008 übt Schwabedissen diese Funktion aus.
Parlamentarischen Verlockungen widerstand sie bislang
eisern. Doch als der Landtag Mitte März seine
Selbstauflösung beschloss, ließ sich die eloquente
Feministin in die Pflicht nehmen. Es ist ein
Himmelfahrtskommando, auf das sie sich eingelassen hat. An der
gelernten Krankenschwester, die über die »Wahlalternative
Arbeit und soziale Gerechtigkeit« (WASG) zur Linkspartei
stieß und als eines der wenigen politischen Talente im
Westen gilt, dürfte es am wenigsten liegen, wenn die »Linke«
am Sonntag an der Fünfprozenthürde scheitern sollte. Als
Spitzenkandidatin hat Schwabedissen eine gute Figur gemacht.
Selbst ihr Porträt in der
Welt am Sonntag,
die der Linkspartei ansonsten nicht gerade freundlich
gesinnt ist, geriet überaus wohlwollend. »Katharina
Schwabedissen besitzt persönliche Glaubwürdigkeit«, schrieb
das konservative Blatt. An der Pfarrerstochter pralle »der
verbreitete Vorwurf ab, Linkspolitiker predigten
Solidarität, praktizierten aber auch nur Allerweltsegoismus
und Alphamännchennarzissmus«. Sie werde »auch vom
politischen Gegner als aufrichtig, fair und kompromissbereit
geschätzt«, konstatierte anerkennend die
Zeit.
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