VERDACHT Der Landtag in
Nordrhein-Westfalen untersucht dubiose Grundstücksgeschäfte des Bau-
und Liegenschaftsbetriebes NRW (BLB). Auch die Wuppertaler
Staatsanwaltschaft ermittelt
Der nordrhein-westfälische Landtag
befasst sich mit einem großen Skandal, dessen öffentliche
Aufmerksamkeit bisher erstaunlich gering ist: den dubiosen
Geschäften des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB). Es geht um
Aktivitäten des landeseigenen Immobilienkonzerns während der
Amtszeit der 2010 abgewählten schwarz-gelben Koalition unter
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Es geht um die
Verschwendung von Landesgeldern in mehrstelliger Millionenhöhe - und
um den Verdacht von Korruption in großem Stil.
Auffällig oft waren dem Land bei dem Kauf von
Grundstücken private Investoren zuvorgekommen, die anschließend die
Flächen mit kräftigem Aufschlag an die öffentliche Hand
weiterverkauften. In anderen Fällen hatte der BLB scheinbar ohne Not
die für das Land teuerste Variante gewählt. Durch bis zu 5.000
Aktenordner, die derzeit noch digitalisiert werden, wird sich der
eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss in den kommenden
Monaten und Jahren quälen müssen.
Konkret soll der Untersuchungsausschuss vier
Komplexe unter die Lupe nehmen: den Neubau des Landesarchivs NRW in
Duisburg, das Bauvorhaben "Fachhochschule Köln", den Erweiterungsbau
des Polizeipräsidiums Köln-Kalk sowie den Erwerb des Schlosses
Kellenberg bei Jülich.
Umstrittenes Landesarchiv
Ende kommender Woche will der Ausschuss
entscheiden, womit er sich zuerst befassen wird. CDU und FDP würden
am liebsten sich erst mal allgemein den Strukturen des BLB widmen,
der 2001 gegründet wurde, um für das Land Immobilien zu verwalten.
Die Ausschussmehrheit hätte es jedoch gerne etwas konkreter. "Wie
die Grünen und auch die Linkspartei wollen wir mit dem Landesarchiv
starten", sagt der stellvertretende Ausschussvorsitzende Markus Töns
(SPD).
Die Gesamtkosten des Neubaus des Landesarchivs
NRW im Duisburger Binnenhafen werden nach derzeitigen Stand
mindestens 190,4 Millionen Euro betragen, ursprünglich kalkuliert
waren 51,7 Millionen Euro. Eine der Ursachen: Ohne nachvollziehbare
Gründe unterließ es der BLB im Frühjahr 2007, die benötigten
Grundstücke über eine stadteigene Gesellschaft zu einem Preis von
3,85 Millionen Euro zu erwerben. Die Stadt verfügte seinerzeit über
entsprechende Vorkaufsrechte. Stattdessen ergatterten die Essener
Immobilienunternehmer Stephan Kölbl und Marcus Kruse die begehrten
Flächen, um sie eineinhalb Jahre später für einen Gesamtkaufpreis
von 29,9 Millionen Euro an den BLB weiterzuverkaufen.
Ähnliche Ungereimtheiten gibt es auch beim
geplanten Neubau der Fachhochschule Köln. Hier sicherte sich
zwischen 2008 und 2009 die Bauwens-Unternehmensgruppe, deren
geschäftsführende Gesellschafter die Enkel Konrad Adenauers Paul und
Patrick Bauwens-Adenauer sind, ein insgesamt 87.000 Quadratmeter
großes Areal. Der Kauf mehrerer Grundstücke in der Kölner Südstadt
war ein lohnendes Geschäft für die Brüder. So erwarb die
Bauwens-Tochter Gambrinus das Gelände der früheren Dom-Brauerei für
23 Millionen Euro - und verkaufte es dann für 33,4
Millionen Euro an den BLB. Insgesamt zahlte der BLB 88 Millionen
Euro. Und das, obwohl der Umzug der Fachhochschule nicht beschlossen
war - und heute vom Tisch ist.
Beim Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums
Köln-Kalk konstatiert der Landesrechnungshof, mehrfach sei "in
besonderen Maße gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit, gegen Vergaberecht und gegen Grundsätze der
Korruptionsprävention verstoßen" worden. Insgesamt, so konstatieren
die Prüfer, sei dem Land ein Schaden von 60,4 Millionen Euro
entstanden.
Ökonomisch von weit geringerer Dimension ist der
Fall des Schlosses Kellenberg, weniger obskur jedoch nicht. Anfang
2009 erwarb der BLB für 3,1 Millionen Euro das Schloss und
umliegende Grundstücke von der gräflichen Familie von und zu
Hoensbroech - ohne einen konkreten Plan, was es eigentlich damit
anstellen wolle. Nur vier Monate nach dem Erwerb schrieb der BLB die
gesamten Kaufkosten außerplanmäßig und komplett ab.
Nicht nur der
Landtag in Düsseldorf interessiert sich mittlerweile für die
sonderbaren Geschäfte des BLB, seit Längerem ermittelt bereits die
zuständige Wuppertaler Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft. Im
Mittelpunkt steht der inzwischen entlassene BLB-Geschäftsführer
Ferdinand Tiggemann, der unter dem Anfangsverdacht steht,
Geschäftsinterna verraten und im Gegenzug Schmiergelder kassiert zu
haben. Im Zusammenhang mit dem BLB-Skandals durchsuchten Fahnder im
vergangenen Jahr unter anderem die Geschäftsräume der Bauwens-Gruppe
in Köln und von Kölbl und Kruse in Essen sowie die Anwaltskanzlei
des früheren Kölner CDU-Bundestagsabgeordneten Rolf Bietmann, der
als Berater bei den Essener Projektentwicklern auf der Payroll
stehen soll.
Auch der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland
(CDU) bekam unerwünschten Besuch in seinem Büro im Rathaus. Für
dessen OB-Wahlkampf 2009 hatten Kölbl und Kruse 38.000 Euro an die
Duisburger CDU gespendet - in mehreren Tranchen unter der
veröffentlichungspflichtigen Grenze von 10.000 Euro. Nun fragt sich
die Staatsanwaltschaft, ob es sich um "Danke schön"-Spenden
gehandelt haben könnte.
Ob Tiggemann, die Adenauer-Brüder, Kölbl und
Kruse, Bietmann oder Sauerland: Sie alle bestreiten jedwedes
unrechtmäßige Handeln.
|