10.02.2012

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taz

 Schwieriger Sturz
Von Pascal Beucker

VERFAHREN Erst die "Lex Sauerland" machte den Duisburger Bürgerentscheid überhaupt möglich.

Ein gewähltes Stadtoberhaupt vor Ende seiner Amtszeit vom Thron zu stoßen, ist ein Unterfangen, das nur ganz selten gelingt. In Bayern und Baden-Württemberg ist eine Abwahlmöglichkeit nicht einmal vorgesehen. Trotzdem wäre Sauerland nicht der erste Oberbürgermeister, der per Bürgervotum aus dem Amt gejagt wird.

2003 wurde CDU-Parteifreundin Margret Härtel wegen virtuoser Vermengung von Privatem und Dienstlichem im hessischen Hanau abgewählt. Im niedersächsischen Goslar stolperte im April 2011 Henning Binnewies (SPD) über Überschuldung und rüde Umgangsformen. Entscheidender Unterschied: Beschlossen hatten diese Bürgerentscheide Mehrheiten in den Kommunalparlamenten. Auch ihre eigenen Parteien hatten Härtel und Binnewies fallen lassen.

Das war auch nötig - denn wie in etlichen anderen Bundesländern muss in Hessen eine Zweidrittelmehrheit der Gemeindevertretung die Abwahl von Stadtchefs einleiten. In Niedersachsen ist sogar eine Dreiviertelmehrheit nötig. Daran scheitern seit Jahren alle Versuche der Grünen in Oldenburg, den mit ihrer Unterstützung zum OB gekürten Parteilosen Gerd Schwandner wieder loszuwerden. Die CDU, die ihn 2006 aufgestellt hatte, blockiert den Sturz.

So sah es auch zunächst in Duisburg aus. Zwar erhielt das Abwahlbegehren gegen Sauerland im September 2010 eine absolute Mehrheit im Rat - verfehlte jedoch dank CDU die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Dass es nun doch noch zur Abstimmung kommt, liegt an einer Änderung der Gemeindeordnung, die der Landtag im Mai 2011 mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei beschlossen hat.

Seit dieser "Lex Sauerland" ist das Initiieren eines Abwahlverfahrens auch durch die Wähler zulässig, wenn das 15 bis 20 Prozent der Wahlberechtigten wollen. Vergleichbare Regelungen gab es zuvor nur in Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein. Bis zum Herbst 2011 sammelte die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" rund 68.000 gültige Unterschriften für die Abwahl Sauerlands. Das übertraf die Notwendigen 55.000 deutlich.

Doch ob die Amtsenthebung tatsächlich gelingt, ist offen. Die Messlatte liegt jetzt noch höher: Mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten müssen dafür stimmen. Das sind rund 92.000 Stimmen. Zum Vergleich: Im August 2009 war Sauerland mit 74.179 Stimmen im Amt bestätigt worden. Am Sonntag müssen sich also weit mehr Bürger für seine Abwahl entscheiden, als ihn gewählt hatten.


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