Erst die "Lex Sauerland" machte den
Duisburger Bürgerentscheid möglich. Die Änderung der Gemeindeordnung
beschloss der nordrhein-westfälische Landtag im Mai 2011.
Wenn
sonst nichts mehr hilft, besinnen sich Christdemokraten auf Konrad
Adenauer. Mit dessen Fünfzigerjahre-Slogan "Keine Experimente!"
wirbt die Duisburger CDU für den Amtsverbleib von Adolf Sauerland.
Ob diese Reminiszenz an den Alten aus Rhöndorf
den Oberbürgermeister, der seit der Loveparade vor eineinhalb Jahre
in der Ruhrstadt zur Persona non grata geworden ist, retten kann,
entscheiden die Wähler. Sauerlands Chancen stehen nicht so schlecht,
wie es auf den ersten Blick aussieht. Die CDU hofft auf die Trägheit
des Wahlvolks.
Ein direkt von der Bevölkerung gewähltes
Stadtoberhaupt vor dem Ende seiner Amtszeit auf demokratischem Weg
vom Thron zu stoßen, ist bundesweit ein schwieriges Unterfangen, das
nur selten gelingt. Bayern und Baden-Württemberg sehen eine
Abwahlmöglichkeit nicht einmal vor. "Unter Ausschöpfung aller
gegebenen Möglichkeiten", schreibt der Tübinger
Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling, "kann so der
Bürgermeister zu einem 'Wahlkönig' auf Zeit werden."
Trotzdem wäre Sauerland nicht der erste
Oberbürgermeister, der per Bürgervotum aus dem Amt gejagt wird.
Dieses Schicksal ereilte auch schon seine Parteifreundin Margret
Härtel, die 2003 wegen ihrer allzu virtuosen Vermengung von Privatem
und Dienstlichem im hessischen Hanau abgewählt wurde. Im
niedersächsischen Goslar stolperte im April 2011 der Sozialdemokrat
Henning Binnewies über die Überschuldung der Stadt und seine rüden
Umgangsformen.
Der entscheidende Unterschied: Beschlossen hatten
diese Bürgerentscheide breite Mehrheiten im jeweiligen
Kommunalparlament. Auch ihre eigenen Parteien hatten Härtel und
Binnewies fallen lassen.
Hohe Hürde
Das war auch nötig – denn wie in etlichen anderen
Bundesländern muss in Hessen eine Zweidrittelmehrheit der
Gemeindevertretung die Abwahl von Stadtchefs einleiten. In
Niedersachsen ist dazu sogar eine Dreiviertelmehrheit nötig. An
dieser hohen Hürde scheitern schon seit Jahren alle Versuche der
Grünen in Oldenburg, den mit ihrer Unterstützung zum
Oberbürgermeister gekürten parteilosen Gerd Schwandner wieder los zu
werden. Die CDU, die ihn 2006 aufgestellt hatte, blockiert mit ihrer
Sperrminorität seinen Sturz.
So sah es auch lange Zeit in Duisburg aus. Zwar
erhielt das Abwahlbegehren gegen Sauerland im September 2010 eine
absolute Mehrheit im Rat, verfehlte jedoch die erforderliche
Zweidrittelmehrheit, da die Christdemokraten ihrem schwer
angeschlagenen Frontmann die Treue hielten.
Dass es nun doch noch zur Bürgerabstimmung über
die berufliche Zukunft Sauerlands kommt, liegt an einer Änderung der
Gemeindeordnung, die der nordrhein-westfälische Landtag im Mai 2011
mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei beschlossen hat.
Seit dieser "Lex Sauerland" ist die Initiierung
eines Abwahlverfahrens auch durch die Wähler zulässig, wenn –
abhängig von der Größe der Gemeinde – 15 bis 20 Prozent aller
Wahlberechtigten per Unterschrift dafür votieren. Vergleichbare
Regelungen gab es zuvor nur in Brandenburg, Sachsen und
Schleswig-Holstein.
Quorum übertroffen
Bis zum Herbst 2011 sammelte die Bürgerinitiative
"Neuanfang für Duisburg" rund 68.000 gültige Unterschriften für die
Abwahl Sauerlands und übertraf damit das notwendige Quorum von rund
55.000 Unterschriften deutlich. Doch ob nun auch die Amtsenthebung
tatsächlich gelingt, ist völlig offen.
Die Messlatte liegt jetzt noch höher: Mindestens
25 Prozent der Wahlberechtigten müssen bei dem Entscheid an diesem
Sonntag dafür stimmen. Das wären in der Ruhrstadt rund 92.000
Stimmen. Zum Vergleich: Im August 2009 war Sauerland mit 74.179
Stimmen im Amt bestätigt worden. Es müssen sich also wesentlich mehr
Bürger für seine Abwahl entscheiden als ihn bei der vergangenen
Kommunalwahl gewählt hatten.
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