27.02.2012

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taz

 Es kommt zusammen, was zusammengehört
Von Pascal Beucker

PRÄSIDENTENKÜR Bei der Landes-CDU in Nordrhein-Westfalen startete Gauck seine Parteienbesuche.

Joachim Gauck bei der NRW-CDU in Hamminkeln-MarienthalNorbert Röttgen ist sichtlich gut gelaunt. Mehr als zwei Stunden hat Gauck den Christdemokraten an Rhein und Ruhr am Samstag die Ehre gegeben - nun ist er auch ihr "Präsident der Herzen". Er habe "wirklich Eindruck gemacht", schwärmt Röttgen danach von dem "absolut starken, überzeugenden Auftritt".

"Muttis Bester", wie Röttgen von manchen spöttisch genannt wird, genießt seinen Coup. Seit dem AKW-Ausstiegsbeschluss war es ruhig um ihn geworden. Umso beherzter ergriff er nach Gaucks Nominierung die Gelegenheit, sich zu profilieren: Mit seiner Autorität als Vorsitzender jenes CDU-Landesverbands, der das größte Kontingent an Wahlfrauen und -männern in die Bundesversammlung entsenden wird, lud Röttgen am Dienstag letzter Woche den Konsenskandidaten der schwarz-gelb-rot-grünen Einheitsfront ins niederrheinische Hamminkeln-Marienthal ein. Damit sicherte er sich Gaucks ersten Auftritt auf einer Parteiveranstaltung, seit der für das Bundespräsidentenamt nominiert wurde - inklusive des absehbaren Medieninteresses.

Journalisten aus der ganzen Republik sind in das beschauliche Klosterdorf gekommen, unzählige Kamerateams tummeln sich vor dem Tagungshotel. Zu sehen und zu hören bekommen sie nicht viel. Nur zwei, drei Sätze bei Ankunft und bei Abfahrt, mehr ist von Gauck nicht drin. "Sie können davon ausgehen, dass ich nicht nur Ihnen, sondern auch anderen Journalisten in den nächsten Wochen nichts über diese ganze Kalamität mit dem Präsidentenamt sagen werde", gibt sich der Stargast kurz angebunden.

Dafür ist er hinter den verschlossenen Türen umso gesprächiger. Für eine Stunde war sein Meinungsaustausch mit dem Funktionären der NRW-CDU ursprünglich angesetzt - er dauert doppelt so lange. Beendet haben soll er seinen Redefluss über Gott und die Welt mit dem Satz: "Ich habe noch viel zu sagen." Das steht zu befürchten.

Anschließend überschlagen sich die Parteipotentaten geradezu vor Begeisterung. "Was er gesagt hat und wie er es gesagt hat, hat mich tief beeindruckt", frohlockt CDU-Landtagsfraktionschef Karl Josef Laumann. Zum Abschluss habe Gauck "tosenden Applaus" bekommen, jubiliert CDU-Landesgeneralsekretär Oliver Wittke. "Da ist ein Funken übergesprungen."

Auch Gauck zieht zufrieden Bilanz: "Bei genauerem Hinsehen auf die Inhalte, über die ich gesprochen habe, bei der Betrachtung der Werte, denen ich mich verpflichtet fühlte, gibt es für die allermeisten in der Union keine großen Probleme mit mir." Gab es auch kritische Fragen? "Habe ich keine gehört." Dann entschwindet er ganz staatsmännisch in einer gepanzerten schwarzen Limousine.

So verpasst Gauck den Aufritt der NPD. Um dem ostdeutschen Pfarrer zu demonstrieren, dass es auch im tiefsten Westen Neonazis gibt, bietet sie vier Skinheads mit einem Transparent und mehreren Fähnchen der braunen Partei auf. Doch sie kommen zu spät. Norbert Röttgen verliert über die ungebetenen Gäste kein Wort. Stattdessen präsentiert er stolz die Liste der Wahlmänner und Wahlfrauen, welche seine Landes-CDU zur Präsidentenwahl nach Berlin schicken will. Mit dabei ist Mevlüde Genç, die beim Solinger Brandanschlag 1993 zwei Töchter und zwei Enkelinnen verloren hat. Und Alice Schwarzer: Auch die Emma-Herausgeberin werde selbstverständlich Gauck wählen, verspricht Röttgen.


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